Fischrestaurants an Schweizer Seen machen teils vage Angaben über die Herkunft der Fische und würden damit ihre Gäste in die Irre führen. Eine Recherche vom «SonntagsBlick» zeigt, dass die jeweiligen Angaben zur Herkunft der Fische tatsächlich viel Interpretationsspielraum offenlassen.
«Egli aus dem See» aus Polen
So kann die Angabe «Egli aus dem See» durchaus vermuten lassen, dass man ein Schweizer Egli verspeist, zumindest wenn man sich für ein Restaurant an einem Schweizer See entschieden hat. Oft kommt der Fisch jedoch aus Polen oder Russland.
Möglich machen solche intransparenten Formulierungen die weniger strengen Deklarationspflichten für Fische. Für verarbeitete Fischereiprodukte im Offenverkauf gebe es in der Schweiz keine gesetzlichen Vorgaben, was die schriftlichen Angaben zur Herkunft anbelangt, lässt sich dem Bericht entnehmen. Für Adrian Gerny, Präsident der Zürcher Berufsfischer, ist es an der Zeit, dies zu ändern. Gerny fordert deshalb eine Verschärfung der Deklarationspflicht für Fische. Aus diesen Angaben müsse auch hervorgehen, wo ein Fisch gefangen, gezüchtet oder verarbeitet worden sei, so Gerny weiter.
Missverständliche Angaben
Gerny wirft den Restaurants vor, sie würden sich «Gummi-Deklarationen» einfallen lassen, nur um ihre Gäste glauben zu lassen, sie würden einen Fisch verspeisen, der aus einem Schweizer See stammt. Der «SonntagsBlick» hat in seiner Recherche jedoch festgestellt, dass Gernys Vorwürfe durchaus berechtigt sind. So gebe es in zahlreichen Schweizer Fischrestaurants Angaben zur Herkunft der Fische, die ungenau, missverständlich oder gar irreführend sind.
Ein «Egli aus dem See» kann auch aus Polen stammen.
zvg
Genannt wird als Beispiel ein Restaurant in Aeschiried BE. Auf deren Speisekarte wird «Egli aus dem See» angeboten. Wer sich in diesem Restaurant ein Teller Egliknusperli gönnt, darf berechtigterweise annehmen, dass der Fisch aus jenem See kommt, der in unmittelbarer Nähe liegt, also aus dem Thunersee. Die Recherchen des «SonntagsBlick» haben jedoch ergeben, dass der Fisch aus Polen stammt, wohlgemerkt «aus dem See», nur eben weder aus dem Thunersee noch aus einem anderen Schweizer See, sondern aus einem See in Polen.
Zander aus Estland
Auf der Webseite eines Seeländer Restaurants heisst es «frittierte Fische aus den Seen», kombiniert mit der Angabe, dass «vorwiegend mit regionalen Produkten und Lieferanten der Drei-Seen-Region» zusammengearbeitet würde. Diese beiden Informationen kombiniert lassen vermuten, dass der dort servierte Fisch zumindest mit grosser Wahrscheinlichkeit aus einem der drei Seen am Jurasüdhang stammen dürfte. Doch auch in diesem Restaurant zeigt die Recherche vom «SonntagsBlick», dass nur die Felchen aus dem Bieler-, dem Murten- oder dem Neuenburgersee stammen. Die Zander hingegen stammen aus Estland, die Egli aus Polen. Der Restaurantbetreiber sagt jedoch, dass auf der Speisekarte im Restaurant die Herkunft richtig angegeben ist.
Ein weiteres Restaurant am oberen Zürichsee stelle online «den Tagesfang direkt vom Fischer» in Aussicht. Tatsächlich würde jedoch Schweizer Zuchtfisch angeboten. Andernorts heisst es: «Die frischen Fische beziehen wir, wenn immer möglich, vom Bodensee». Und sollte das Angebot nicht ausreichen, so die Formulierung weiter, würden Fische aus anderen Binnenseen angeboten. Laut Definition gehören dazu beispielsweise auch Fische aus russischen oder polnischen Seen.
Schweizer Fisch ist doppelt so teuer
Auch bei den Grosshändlern, die die Restaurants beliefern, finden sich missverständliche Angaben. So bietet die Firma Aligro «Zanderfilet im Bierteig nach Original-Schweizer-Rezept». Und wo Schweiz draufsteht, sollte man meinen, sollte auch Schweiz drin sein. Doch auch die Firma sagt, dass es sich dabei nur um das Rezept handelt, das «schweizerisch» ist. Der Zander selbst kommt aus Russland. Verarbeitet wird er in Deutschland. Die Firma betont, dass sie sich an die gesetzlichen Vorschriften hält.
Von Boden- bis Bielersee machen Fischrestaurants missverständliche Herkunftsangaben und falsche Versprechungen. Blick hat einige davon zur Rede gestellt. Berufsfischer Adrian Gerny fordert schärfere Vorschriften – und gewährt Einblick in seinen Alltag... https://t.co/EEFtNv4Acf
— Blick (@Blickch) June 15, 2024
Berufsfischer Gerny weiss, dass Restaurants, die seine Fische anbieten, auch mit seinem Namen Werbung dafür machen. Die Deklaration und Kommunikation sind hier also unmissverständlich. Nicht zuletzt merken die Gäste spätestens, wenn ihnen die Rechnung serviert wird, dass sie Schweizer Fisch gegessen haben. Dieser ist nämlich fast doppelt so teuer wie importierter Fisch.
«Wir haben die schonendste Berufsfischerei der Welt»
Nach Gründen, die den Schweizer Fisch im Vergleich zum importierten so teuer machen, muss nicht lange gesucht werden. «Wir haben die schonendste und nachhaltigste Berufsfischerei der Welt», sagt Gerny dem «SonntagsBlick». Zu diesen strengen Vorschriften gesellen sich höhere Löhne wie auch höhere Mieten.
Als Beispiel für die Vorschriften nennt Gerny die Maschengrössen für die Fangnetze, die je nach See von unterschiedlichem Ausmass sind. Dadurch werde sichergestellt, dass die Fische erst im Netz hängen bleiben würden, wenn sie mindestens zweimal abgelaicht haben. Alle anderen Fische fallen durch die Netze durch.
Ausserdem müsse Gerny Statistiken und Temperaturkontrolllisten führen sowie die Rückverfolgbarkeit seiner Fische jederzeit gewährleisten. Deshalb stört sich Gerny auch nicht daran, dass Fische importiert werden, sondern dass Restaurants die importierten Fische mit wenig präzisen Herkunftsangaben als Regionalprodukte verkleiden würden.
-> Hier finden Sie zahlreiche Statistiken über die Schweizer Fischerei