Seit 17 Jahre amtiert Guy Bianco als Direktor der landwirtschaftlichen Schulen im Wallis. Im französischsprachigen Unterwallis werden fünf Branchen ausgebildet, im deutschsprachigen Oberwallis nur eine. Auf Ende des laufenden Schuljahrs tritt er in den Ruhestand.
«Schweizer Bauer»: Vor wenigen Wochen hat Ihr letztes Semester als Direktor der Landwirtschaftlichen Schule des Kantons Wallis begonnen. Wie fühlen Sie sich?
Ich fühle mich sehr gut. Wie jedes Jahr habe ich noch genug zu tun - bis zu meinem letzten Arbeitstag am 31. Juli. Es ist die Saison, in der Lehrabschlussprüfungen stattfinden – genauso wie jedes Jahr um dieselbe Zeit.
Was machen Sie nach Ihrer Pensionierung?
Wahrscheinlich ergeht es mir ähnlich wie vielen anderen auch: mehr Zeit für mich, mehr wandern, mehr velofahren. Ich freue mich auch auf mehr Zeit für meine Familie und meine drei kleinen Enkel.
Was zeichnet die landwirtschaftliche Schule des Kantons Wallis aus?
Das Besondere an unserer Schule in Châteuneuf ist, dass hier fünf Branchen der landwirtschaftlichen Grundausbildung angeboten werden, nämlich die klassische Lehre zum Landwirt und Landwirtin, sowie Obstfachmänner und -frauen, Gemüsegärtner, Winzerinnen und Weintechnologen. Zusätzlich bilden wir seit 13 Jahren auch Lehrlinge im Bereich Gartenbau aus. Es gibt nur wenige Schulen in der Schweiz, die alle diese Fachrichtungen im Angebot haben – in der Westschweiz sind wir sogar die einzige. In der Obst- und Gemüse-Branche bilden wir alle Lehrlinge der Westschweiz aus.
Sie tragen auch die Verantwortung für die landwirtschaftliche Schule in Visp. Wie gelingt Ihnen das, da Sie nur wenig deutsch sprechen?
Ich pflege mit dem Schulleiter im Oberwallis eine enge Zusammenarbeit. Wir sehen viele Dinge sehr ähnlich. Trotzdem ist der Standort in Visp keine Kopie von Châteauneuf, weil sich die Oberwalliser Landwirtschaft in wesentlichen Punkten von der des Unterwallis unterscheidet. In Visp werden nur Landwirte ausgebildet, dafür gibt es dort auch Direktzahlungskurse, weil die Nebenerwerbs-Landwirtschaft im Oberwalliser Berggebiet von grosser Bedeutung ist. Es ist gut, dass sich beide Schulen den örtlichen Gegebenheiten anpassen und den unterschiedlichen Bedürfnissen Rechnung tragen. Zweifellos ist es ein Vorteil, wenn Lernende in ihrer Muttersprache ausgebildet werden.
Christian Zufferey
Sie sind in der 99-jährigen Geschichte der Schule der erst vierte Direktor. Zeugt das davon, dass diese Funktion sehr befriedigend sein muss?
Man darf nicht ausser acht lassen, dass die beiden ersten Direktoren zusammen 67 Jahre lang im Amt waren. Mein Vorgänger und ich waren deutlich weniger lang im Amt. Aber es stimmt, es ist eine sehr abwechslungsreich Funktion, die viele Möglichkeiten bietet und auch das Entwickeln interessanter Projekte einschliesst. Der Job beinhaltet mehr als nur ein Team von Lehrern und Lehrlingen anzuführen, Stundenpläne vorzubereiten und Prüfungen zu planen. Zum Beispiel durfte ich aktiv daran mitarbeiten, regionale Produkte in allen Gemeinschaftsküchen des Kantons Wallis, das heisst nicht nur an unserer Schule, zum Standard zu machen. Auch die Verwaltung des 150 Hektaren grossen Domaines de Barges in Vouvry gehört zu meinen Aufgaben. Schliesslich durfte ich auch den Gutsbetrieb von Châteauneuf weiter entwickeln. Schliesslich darf ich regelmässig an der Direktions-Konferenz des kantonalen Landwirtschaftsamts teilnehmen, das hier angesiedelt ist, und darf zu politischen Stellungnahmen meine Meinung äussern.
Ihr Vorgänger war Arthur Darbellay, dessen Sohn Christophe Darbellay ist als Staatsrat des Kantons Wallis jetzt praktisch Ihr Chef. Empfinden Sie das als Vorteil oder als Nachteil?
Weder das eine noch das andere. Von Vorteil ist, dass der amtierende Departements-Vorsteher über eine Ausbildung als Agronom verfügt. Damit hat er ein gutes Verständnis für die Bedürfnisse der Landwirtschaft.
Wie hat sich die landwirtschaftliche Ausbildung, seit Sie 2005 Ihren Posten angetreten haben, verändert
Schon gleich zu Beginn meiner Tätigkeit wurden im Rahmen des Projekts AgriAliForm die Grundlagen erarbeitet, schweizweit eine vergleichbare landwirtschaftliche Ausbildung zu schaffen. Davor hat fast jede Schule Landwirte nach eigenen Regeln ausgebildet. Das hatte etwa zur Folge, dass Weinbauern im Wallis nicht gleich ausgebildet wurden wie die Weinbauern im Nachbarkanton Waadt. Dass heute alle Landwirte der Schweiz nach demselben Muster und mit ähnlichen Stundenplänen ausgebildet werden, ist zweifellos eine der wichtigsten Errungenschaften der letzten Jahre. Von grosser Bedeutung ist für mich auch der Austausch mit anderen Schulen, namentlich im benachbarten Aostatal (Italien) oder etwa den Regionen Bretagne, Champagne oder Burgund in Frankreich, wo Schüler lernen, ihren Horizont zu erweitern und andere Realitäten und Arbeitsmethoden kennenzulernen.
Der Beruf des Landwirts scheint immer beliebter zu werden, davon zeugt die jährlich steigende Zahl von Lehrlingen. Worauf führen Sie das zurück?
Als ich 2005 begonnen habe, stammten die meisten Lehrlinge aus einer bäuerlichen Familie. Mit der Zeit gab es immer mehr Lernende, deren Eltern nicht in der Landwirtschaft tätig sind, manchmal nicht mal Verwandte. Wir haben auch eine viel grössere Zahl von Schülern, die eine Zweitausbildung machen. Nicht nur solche, die bereits einen anderen Lehrabschluss haben, sondern auch solche mit einer Matura, einem Bachelor oder sogar einem Master. Manche haben jahrelang in anderen Branchen gearbeitet. Die zunehmenden Schülerzahlen widerspiegeln den Wandel in unserer Gesellschaft, einschliesslich dem stärker werdenden Drang von zurück zur Natur, zurück zur Scholle.
Christian Zufferey
Trotzdem gibt es immer weniger Landwirte. Wein- und Obstbauern hatten wiederholt Frühlingsfrost-Schäden mit Ernte-Totalausfall zu beklagen, Viehzüchter kämpfen gegen Wölfe, Milchbauern gegen zu tiefe Milchpreise. Sorgen Sie sich manchmal um Ihre Schüler, die die Schule verlassen?
Es ist wahr, es gibt viele Probleme. Aber eine Vielzahl von Schwierigkeiten hat auch eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Folge, Lösungen zu finden und umzusetzen. Wir haben zahlreiche Landwirte beobachtet, die mit knapper Not ihre Lehrabschlussprüfung bestanden haben, auf die ich keine fünf Franken gewettet hätte, die aber schon fünf bis zehn Jahre später beeindruckende Projekte realisieren konnten die heute noch funktionieren. Man darf auch nicht vergessen, dass Schwierigkeiten längst nicht auf landwirtschaftliche Berufe beschränkt sind. Auch andere Berufe werden regelmässig mit Problemen konfrontiert.Manchmal braucht es nur den Mut, traditionell festgefahrene Strukturen aufzubrechen und neue Wege zu wagen. Es ist auch nicht verkehrt, sich nach ein paar Jahren als Landwirt in eine ganz andere Branche zu wechseln. Derzeit gibt es aber, wie man aus Stelleninseraten in Zeitungen schliessen kann, einen grossen Bedarf an Mitarbeitern in vielen Branchen der Landwirtschaft. Ich habe tatsächlich in all den Jahren nur sehr selten erlebt, dass ein ehemaliger Schüler zu mir gekommen ist und darüber klagte, keinen Job gefunden zu haben. Umgekehrt gibt es aber nicht selten Lehrlinge, die während der Lehre Mühe hatten, dann aber eine höhere Ausbildung mit Bravour abgeschlossen haben.
ZUR PERSON
Guy Bianco ist nach Albert Luisier (1923-59), Marc Zufferey (1959-89) und Arthur Darbellay (1989-2005) der erst vierte Direktor der landwirtschaftlichen Schule des Kantons Wallis.
Er stammt aus einer von der Landwirtschaft geprägten Familie in Conthey, wo sein Bruder heute einen Obstbaubetrieb leitet.
Er selbst ist Agronom und war vor seiner Ernennung zum Schuldirektor im Jahr 2005 jahrelang Direktor der Walliser Landwirtschaftskammer (WLK) . czb