Bell-Chef Lorenz Wyss äussert sich im Interview zum Schlachtviehmarkt, zu Importen und zum Verhältnis zur Landwirtschaft.
Anlässlich der Medienkonferenz von vergangener Woche erwähnten Sie Korrekturen bei den Schlachtzahlen, die Bell im zweiten Halbjahr vornehmen musste. Können Sie das genauer erläutern?
Lorenz Wyss: Korrekturen nahmen wir bei den Kuh- und Rinderschlachtungen sowie bei den Schweinen vor. Dies, weil im Detailhandel die Umsätze rückläufig waren. Wir haben im ersten Halbjahr die gleiche Anzahl Tiere geschlachtet wie in der Vergangenheit und gehofft, dass der Markt wieder Schwung aufnehmen würde. Doch dies blieb aus.
Was bedeutete das für Bell?
Das Fleisch blieb in der Folge bei uns in den Tiefkühllagern. Wir mussten die Ware abwerten. Und das schlug sich auf unsere Zahlen aus.
Der Sommer 2018 war geprägt durch die grosse Hitze und durch Futtermangel. Die Bauern führten mehr Tiere in die Schlachthöfe. Mitte August kam es an einem Wochenende zu einem Preissturz von fast 15 Prozent beim Kuhfleisch. Bell senkte den Preis um Fr. 1.20 pro Kilo Schlachtgewicht. Die Bauern waren sauer. Verstehen Sie deren Ärger? 
Natürlich. Ich verstehe die Bauern, wenn sie sich ärgern, wenn der Schlachtpreis sinkt. Niemand ist erfreut, wenn er weniger verdient.
Würden Sie heute in einer solchen Situation anders reagieren?
Wenn künftig wieder eine solche Situation eintreten sollte, werden wir nur die Tiere annehmen, die wir wirklich benötigen. Alle haben uns vorgeworfen, wir hätten billig Tiere einkaufen können. Bell hat bei diesen Schlachtungen im August 2 Millionen Franken verloren. Wenn Sie die Mehrarbeit einrechnen, das heisst einlagern und auslagern, Lagerkosten, die Abwertung des Fleischs und die eingesetzten personellen Ressourcen, war das für uns überhaupt kein Geschäft. Im Gegenteil, wir haben verloren. Wir würden das nie mehr so machen.
Weshalb?
Weil wir keine Unterstützung erhalten haben. Wir haben die Risiken selbst getragen. Wir meinten es gut, und am Schluss wird noch mit dem Finger auf uns gezeigt. Wir sind ein echter Partner der Landwirtschaft. Während sieben Tagen in der Woche haben wir geschlachtet. Und am Schluss wird uns noch vorgeworfen, wir hätten uns an den Bauern bereichert. Verstehen Sie mich richtig: Ich kann die Lage der Bauern eindeutig nachvollziehen. Aber in Zukunft müssen möglicherweise andere Organisationen einspringen und helfen. In einem solchem Ausnahmefall müssen alle zusammen eine Lösung erarbeiten, beispielsweise bei den Futtermitteln, und nicht einfach die Bell Schweiz AG als Schuldige hinstellen.
Zu Diskussionen führen immer wieder die Kuhfleisch-Importe. Produzenten werfen den Verarbeitern vor, sie würden so ihre Marge verbessern. Der Schweizer Bauernverband sagt, dass nun die Verarbeiter in der Verantwortung stünden, damit sich die Kuhpreise positiv entwickeln. Was sagen Sie dazu?
Unsere Marge ist immer in etwa dieselbe. Wenn die Rohstoffpreise steigen, hoffen wir, dass wir diesen Anstieg weitergeben können. Über die Produktivität versuchen wir, die Kosten zu senken. Sie müssen verstehen: Wir haben auch viel in den Markt investiert. Zusammen mit Coop haben wir im Detailhandel Preisabschläge vorgenommen. Aber wir müssen auch aufpassen …
Auf was?
Wir haben andere grosse Kunden. Und die sind angewiesen auf «vernünftige» Rindfleischpreise. Sonst fehlen ihnen die Gäste in den Restaurants oder Kunden in den Läden. Diesen Abnehmern müssen wir Sorge tragen. 
Wie werden sich die Kuhpreise in diesem Jahr Ihrer Meinung nach entwickeln?
Ich gehe davon aus, dass der Preis bis in den Sommer hinein ansteigen wird, denn das Angebot ist knapp und die Nachfrage gut. Danach wird es wahrscheinlich zu einer Stagnation und schliesslich zu einer Korrektur kommen – also die übliche saisonale Entwicklung. Doch das Preisniveau ist nicht so schlecht.
Können Sie uns das erklären?
Im Vergleich zum Ausland sind unsere Preise deutlich höher. Ich gönne unseren Bauern diese Preise. Aber wenn es zu einer leichten Korrektur kommt, müssen sie auch Verständnis für uns haben. 
Für rege Diskussionen sorgten auch die Rückzugspläne von ihrem Mutterhaus Coop beim Label Naturafarm. Welche Bedeutung messen Sie den Labels zu?
Nachhaltigkeit bleibt ein wichtiges Thema für den Detailhandel, auch wenn Coop bei Naturafarm die Mengen reduzieren wird. Coop verkauft künftig nicht weniger  Schweinefleisch, sondern es  wird weniger Labelfleisch über den konventionellen Kanal abgewertet. 
Was erwarten Sie für 2019?
Die Signale sind positiv. Schweine werden voraussichtlich teurer. Bei den Muni haben wir einen Angebotsüberhang. Vielleicht sollten wir hier die Produktion ein wenig drosseln.
Jahresergebnis
Der Umsatz der Bell Food Group stieg 2018 um 15,4% auf 4,1 Mrd. Fr. Das Absatzvolumen erhöhte die Coop-Tochter um 19,6% auf 542,9 Mio. kg. Der Jahresgewinn sank um 16,1% auf 89,3 Mio. Fr. «Das Resultat ärgert mich», sagte Bell-Chef Wyss am Mittwoch. In der Schweiz blieb das Absatzvolumen stabil. Der heisse Sommer und ein schwaches Weihnachtsgeschäft haben das Wachstum im Food Service zunichte gemacht. blu


