In der Öffentlichkeit wird der Eindruck erweckt, die Schweizer Bauern bekämen viel mehr für ihr Getreide. Fritz Glauser, Präsident des Schweizerischen Getreideproduzentenverbandes, nimmt Stellung zur Debatte um den Brotpreis.
«Schweizer Bauer»: Die «Sonntagszeitung» schrieb Anfang Januar, Gipfeli und Co würden laut Bäcker-/Confiseur-Meister-Verband um 5 bis 15% teurer werden. Der Verband wird zitiert, man müsse handeln, weil die Getreidepreise erheblich angestiegen seien. SRF titelte: «Den Müllern fehlt das Getreide – jetzt schlägt der Brotpreis auf». Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie das lesen?
Fritz Glauser: Der erste Gedanke: Preiserhöhungen beim Brot sind gut. Denn das gibt endlich Luft, um auch die Getreidepreise anzuheben. Der zweite Gedanke: Wie kommt man darauf, eine solche Preiserhöhung mit dem Getreidepreis zu begründen? Sicher hatten wir eine schwierige Getreideernte, sicher sind die Getreidepreise auf dem Weltmarkt um mehr als 40% gestiegen. Aber damit lässt sich allein kein so grosser Preisaufschlag rechtfertigen.
Zumal doch beim Getreide die Zölle gesenkt werden, wenn die Preise des importierten Getreides ansteigen. Ja. Der importierte Weizen wird den Preis von 56 Fr./dt nicht überschreiten. Der Bund hat auf den 1. Oktober 2021 die Zollgebühren um Fr. 4.40 gesenkt und auf den 1. Januar 2022 zusätzlich um 7 Fr./dt. In einer Wertschöpfungskette muss jeder Teilnehmer seine Kosten decken können. Es wäre angebracht gewesen, bei der Preiserhöhung für Brot die verschiedenen Faktoren transparent aufzuschlüsseln: x%, weil der Importanteil beim Getreide teurer geworden ist.
Können Sie es uns aufschlüsseln?
Importgetreide ist aktuell etwa 10 Fr./dt teurer als vor Jahresfrist, beim Schweizer Weizen fordern wir 3 bis 5 Fr./dt mehr, wenn dadurch die Weizenpreise im Schnitt um 5 Fr./dt steigen, dann steigt der Preis beim Weizen um 10%, aber der Weizenanteil macht nur etwa 10% der Gesamtkosten beim Brot aus. Dann macht das 1% aus bei der Preissteigerung. Beim Gipfeli macht das Getreide gerade mal 3% der Kosten aus, also würde das 0,3% Preissteigerung ausmachen. Dann kämen die anderen 13 bis 14% des Aufschlags, wenn sie von einer Erhöhung von 15% reden: x% wegen der Energiekosten, x% wegen Transportkosten und und und.
SBV
Sie kritisieren die Kommunikation des Bäcker-/Confiseur-Meister-Verbandes?
Uns stört die fehlende Transparenz in der öffentlichen Kommunikation. Die Müller ihrerseits haben ein Communiqué publiziert, in dem sie erklären, warum das Mehl teurer geworden ist. Sie reden nicht nur vom Getreidepreis. Sondern sie nennen eine geringere Ausbeute beim Mahlen (aufgrund des niedrigeren Hektolitergewichts des Weizens der Ernte 2021), Mehlzusätze, um qualitative Schwächen der Ernte auszugleichen, sowie einen allgemeinen Anstieg der Produktionskosten (Energie, Verpackung). Wir vom Getreideproduzentenverband stellen da fest, dass es bislang geheissen hat, die Ausbeute sei nicht so wichtig. Jetzt, wo sie einmal nicht so gut ist, ist sie wichtig. Das wollen wir ausdiskutieren.
Die Richtpreise für Schweizer Brotgetreide blieben in den letzten Jahren konstant. Erhielt bzw. erhält der Getreideproduzent für die knappe Ernte 2021 mehr als 2020?
Wir fordern eine gerechte Verteilung der Preiserhöhungen beim Brot und beim Mehl. In der Konsequenz ihrer Argumentation finden die Produzenten, dass eine Preiserhöhung für Getreide von geschätzten 3 bis 5 Fr./dt gegenüber dem letzten Jahr begründet und angemessen wäre. Eine solche Preiserhöhung müsste auf der Schlussabrechnung sichtbar sein. Einige kleinere Abnehmer bezahlen sofort den Richtpreis. Diese sollten über eine Nachzahlung nachdenken. Die allermeisten Marktpartner haben sich dem System des grössten Partners angeschlossen, der im Herbst eine Anzahlung macht und erst im April die Schlusszahlung. Diese war heuer gleich hoch wie letztes Jahr.
Sie hätten sich ein Zeichen gewünscht?
Eine Erhöhung der Anzahlung um 2 bis 3 Fr./dt wäre ein Zeichen dafür gewesen, dass das Getreide heuer leicht teurer verkauft wird als letztes Jahr und dass vor allem keine Kosten für strategische Lager zu Lasten der Produzenten anfallen. Das ist leider nicht geschehen. Wenn wir 3 bis 5 Franken mehr erhalten würden, wäre auf unserer Seite der Mengenausfall natürlich bei Weitem noch nicht kompensiert. Wir vom Getreideproduzentenverband wollen aber nicht eine direkte, systematische Kopplung der Produzentenpreise beim Getreide an die Erntemenge oder an das Importpreisniveau. Mit dem Richtpreis der letzten Jahre haben wir uns davon gelöst. Wir wollen Stabilität beim Preis, und jetzt, da in der Öffentlichkeit die Mehlpreise als Hauptargument für Preissteigerungen beim Brot dienen, wollen wir teilhaben.
Haben Sie schon Signale, dass die Preise für die Getreideernte 2021 tatsächlich höher liegen werden als 2020?
Wir vom Getreideproduzentenverband führen laufend Gespräche mit allen Marktpartnern und bringen uns entsprechend ein. Wichtig ist, dass der Brotpreis keinesfalls wieder gesenkt wird. So gibt es Raum, um die Getreideproduzenten in einem angemessenen Umfang an der Gesamtwertschöpfung zu beteiligen. So könnte die aktuelle Diskussion aus Produzentensicht etwas Gutes gehabt haben.
Kein Wunder, dass sich der Zwischenhändler dabei eine goldene Nase verdient.
Wären unsere Politiker nicht längst sanierte Egoisten, hätte es längst ein Gesetz gegen dieses strassenräuberartige Vorgehn gegeben.