«Schweizer Bauer»: Was genau ist geplant?
Urs Haslebacher: An fünf Standorten im Kanton Bern sollen die Bauern zu einer ruhigen Mahnwache zusammenkommen können – und zwar mit ihren Traktoren. Wir nutzen die Traktoren als Wiedererkennungsmerkmal und knüpfen so an die Proteste im Ausland an.
Die Situation der Schweizer Landwirte ist aber nicht 1:1 vergleichbar mit der Situation der Bauern imm Ausland. Wieso gibt es trotzdem Aktionen und Bewegungen?
Es stimmt, wir sind in der Politik besser vertreten und haben durch unsere direkte Demokratie mehr Einfluss als in anderen Ländern, aber wir haben trotzdem nicht die Mehrheit. Und auch wenn viele politische Forderungen durchkommen, entsteht der Frust dann oft bei der Umsetzung. So wird uns seit Jahren eine Reduktion der Bürokratie versprochen, stattdessen gibt es eine Überregulierung und immer mehr administrative Arbeiten für den Einzelbetrieb. Wir wollen Lebensmittel produzieren und wenn wir dabei ökologische Leistungen erbringen sollen, auch dafür entschädigt werden.
Wer steckt hinter der Aktion?
Wir von der Basis. Bauernfamilien aus dem Kanton Bern, die sich in der Gruppierung «Bauern Bern» organisieren. Es sind alles Leute, die aktuell nicht in einem Verband tätig sind.
Wir nutzen die Traktoren als Wiedererkennungsmerkmal.
Machen die Verbände zu wenig, dass jetzt die Basis aus dem grössten Agrarkanton der Schweiz mobilisiert?
Wir sind weit entfernt davon, die Verbände zu kritisieren. Ich war selbst 15 Jahre in einem Verband tätig und weiss, was für ein Knochenjob es ist und dass man bei den Grossverteilern manchmal zu wenig ernst genommen wird. Die verschiedenen Aktionen aus der Basis helfen unseren Verbänden eine bessere Verhandlungsbasis zu haben. Weil sie aufzeigen können, dass der Druck von der Basis steigt. Die Petition des Schweizer Bauernverbands spricht alle wichtigen Punkte an, und wir haben sie auch alle unterschrieben. Es war gut, dass der SBV zuerst mit einer Petition Unterschriften gesammelt hat, aber es reicht nicht.
Wie meinen Sie das?
Trotz der Petitionsübergabe letzte Woche und diversen Aktionen seitens von Bauerngruppierungen wurde bisher in den Medien relativ wenig darüber berichtet. Unser Ziel ist es, die Medienpräsenz zu erhöhen und sichtbar zu werden. Und der breiten Bevölkerung zu zeigen, dass es vielen Bauernfamilien wirklich nicht so gut geht. Der Bevölkerung ist zu wenig bewusst, wie lange Betriebe bereits von der der Substanz leben. Wir wollen ein Zeichen gegen aussen und gegen innen setzen.
Es ist wichtig, dass wir unsere gemeinsamen Probleme gemeinsam zum Ausdruck bringen können und gemeinsam aufzeigen, wo der Schuh drückt.
Inwiefern gegen innen?
In der Landwirtschaft hat jeder Betrieb seinen eigenen Arbeitsalltag mit den eigenen Probleme und Herausforderungen. Jeder arbeitet im Arbeitsalltag für sich. Es ist wichtig, dass wir unsere gemeinsamen Probleme – die alle Betriebe betreffen – gemeinsam zum Ausdruck bringen können und gemeinsam aufzeigen, wo der Schuh drückt. Das schweisst zusammen, fördert den Zusammenhalt und tut gut.
Wie ist die Mahnwache organisiert? Muss man sich anmelden?
Pro Standort ist eine Ansprechperson angegeben. Bei Fragen kann man sich direkt mit dieser Ansprechperson in Verbindung setzen.
Weckruf Bauern Bern
Die Bauernfamilien und der Landwirtschaft nahe Personen, welche hinter dem «Weckruf Bauern Bern» stehen, treffen sich nach Möglichkeit mit Traktoren/ landwirtschaftlichen Fahrzeugen(ohne Anhänger) am 23.02.2024 um 20.00 - 21.30 Uhr an verschiedenen Standorten auf organisierten Plätzen . Die Behörden, Polizei und betroffenen Stellen werden orientiert. Ziel ist es, die Wichtigkeit unserer Anliegen zu zeigen, ohne den Verkehr zu blockieren oder unsere Konsumentinnen und Konsumenten zu verärgern.
Allgemeine Auskunft: Haslebacher Urs, Landwirt aus Lohnstorf, 079 651 47 15 [email protected]
Standorte und Ansprechpersonen:
- Tavel-Denkmal, Rüeggisberg: Schären Peter, Landwirt aus Gelterfingen, 079 450 46 11
- Flugplatz Langenthal, Bleienbach: Schwab Beat, Landwirt aus Niederbipp, 076 529 28 76Markthalle
- Hübelischachen, Schüpbach: Neuenschwander Felix, Landwirt aus Signau, 079 581 32 84
- Parkplatz Papiliorama, Kerzers; Balmer Yanick, Landwirt aus Fräschels, 079 748 98 22
- Oberland: Abklärungen laufen, Informationen werden folgen.
Was war für Sie der Auslöser, dass sie bei der Organisation mithelfen?
Als ich merkte, dass es trotz der Petition des Schweizer Bauernverbands weiter brodelt und sich verschiedene Gruppierungen bilden, habe ich mich eingeschaltet. Die Gruppierung «Bauern Bern» hat mittlerweile drei WhatsApp-Chats mit je 1000 Telefonnummern. Ich habe gehört, dass es immer mehr Bauern gibt, die etwas machen wollen. Man muss nicht immer nur reden und kritisieren, man muss die Bauern ernst nehmen, die jetzt etwas machen und aktiv werden wollen.
An wen richtet sich die Aktion?
An die Bevölkerung, an die Politik, an das Amt für Landwirtschaft, an die Grossverteiler.
Was wollen Sie damit bewirken?
Wir fordern jetzt von der Verwaltung, der Politik und den Marktakteuren, sich mit mehr Planungssicherheit und Vernunft für das langfristige Fortbestehen des Bauerntums in der Schweiz einsetzen und endlich handeln.
Die Protestaktionen und Gruppierungen sorgen teilweise innerhalb der eigenen Reihen für Kritik. Was sagen Sie dazu?
Es gibt immer verschiedene Meinungen, die akzeptiere ich auch. Jeder sollte die Möglichkeit haben, sich auszudrücken. Und es ist ja genau das, was wir durch die Aktion probieren, den Landwirten eine gute Möglichkeit zu bieten, sich auszudrücken, sichtbar zu werden und auf die Problematik aufmerksam zu machen. Sonst ist die Gefahr gross, dass es schlecht herauskommt.
Wie meinen Sie das?
Wenn nichts Gutes geplant wird, ist es nicht ausgeschlossen, dass es Einzelaktionen von frustrierten Bauern geben könnte. Die Weckruf-Aktion ist der Anfang. Die Mahnwache bietet ein geordnetes und gutes Ventil. Wird nichts unternommen, dann steigt der Frust der Bauern immer mehr, und es kommt zu Bewegungen und Aktionen, die schwierig zu kontrollieren und negativ sind. Wir wollen den Goodwill der Bevölkerung wirklich nichts aufs Spiel setzen. Wir wollen eine gute Aktion, unser oberstes Gebot: die Bevölkerung nicht verärgern und eine saubere Medienmitteilung –damit den Medien auch klar ist, was die Botschaft ist.
Wenn nichts Gutes geplant wird, ist es nicht ausgeschlossen, dass es Einzelaktionen von frustrierten Bauern geben könnte.
Was braucht die Landwirtschaft in Zukunft?
Planungssicherheit, dass ist das Wichtigste. Wir können nicht einfach auf jede Trendbewegung aufspringen. Wir müssen langfristig wissen, was die Gesellschaft will, und was gewünscht ist, sonst ist es für schwierig.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Ein Paradebeispiel ist die Sache mit dem Tierwohl. Die Gesellschaft wollte tierfreundlichere Ställe für Schweine. Das Bundesamt für Landwirtschaft hat daraufhin die Tierwohlprogramme BTS (Besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme) und Raus (regelmässiger Auslauf ins Freie) lanciert. Wir Bauern haben investiert, und zwar Millionen. Wir haben gebaut, wir haben Freude daran, unsere Tiere in diesen Ställen zu sehen und arbeiten gerne in den Tierwohlställen. Kaum haben wir gebaut und investiert, fällt uns die Politik in den Rücken, indem einfach Kürzungen bei den Tierwohlbeiträgen vorgenommen werden. Das ist ein Affront. Das verstösst doch gegen Treu und Glauben. Für uns ist das extrem schlimm, weil so einfach keine Planungssicherheit besteht. Bei den Marktpartnern sieht es nicht besser aus.
Können Sie das erklären?
Denselben Affront erleben wir Landwirte seitens der Grossverteiler. Vor zwei Jahren wurde uns Hoffnung gemacht, dass bald das gesamte Schweinefleisch als Labelfleisch verkauft wird. Wenn man mit solchen Aussagen kommt, dann sollte man doch das Möglichste versuchen, um es umsetzen zu können – durch Erklärungen für den Konsumenten, durch eine gute Platzierung in den Regalen und eine entsprechende Bewerbung. Jede Aktion von argentinischem Fleisch ist für uns ein Stich ins Herz. Was besonders ernüchternd ist, ist schlussendlich das Verhalten der Gesellschaft.
Inwiefern?
60 Prozent der Schweinebetriebe machen bei den Tierwohlprogrammen mit. Im Laden wird aber nur 40 Prozent Labelfleisch gekauft. Wir fühlen uns von der Gesellschaft so «verseckelt». Ein weiteres Beispiel: Im Ackerbau werden die bösen Pestizide verboten, gleichzeitig sagt der Abnehmer uns, wie das perfekte Gemüse dann trotzdem auszusehen hat, und der Konsument greift lieber zum makellosen Produkt als zu den krummen Rüebli oder Äpfeln mit Flecken. Es gibt zahlreiche solcher Beispiele.
Können Sie mehr darauf eingehen?
Wir sehen uns immer wieder mit extremen Widersprüchen und Zielkonflikten konfrontiert. Ein weiteres Beispiel ist der Schrei nach mehr Tierwohl durch Auslaufflächen, gleichzeitig werden wir aufgrund von Ammoniakemissionen an den Pranger gestellt. Der Landwirt wird von Tier- und Klimaschützern gleichermassen angegriffen und beschuldigt, obwohl er als Einzelperson nichts machen kann. Es kann nicht die Aufgabe der Einzelbetriebe sein, dafür eine Lösung bereit zu haben. Hier wäre es die Aufgabe des Bundesamtes für Landwirtschaft, mit den verschiedenen Ämtern an den Tisch zu sitzen und die Zielkonflikte zu lösen.
Wir Bauern können die Zielkonflikte der Gesellschaft nicht lösen.
Und was können die Landwirte tun?
Wir produzieren schon das, was die Gesellschaft will. Aber sie muss ganz klar sagen, was und wie und nicht immer ihre Meinung ändern. Wir reagieren auf die Forderungen, wir Landwirte machen unsere Hausaufgaben. Als vor zehn Jahren die Forderung laut wurde, den Antibiotikaverbrauch zu senken haben wir es geschafft diesen innerhalb von zehn Jahren um 50 Prozent zu senken. Wie sieht es in der Humanmedizin aus? Für viele gesellschaftliche Probleme wird der Landwirt zum Sündenbock gemacht. Wir Bauern können die Zielkonflikte der Gesellschaft nicht lösen. Wenn die Gesellschaft sagt, sie wolle keine inländische Produktion mehr, dann ist das so. Aber ich habe damit ein ethisches Problem. Importiert die reiche Schweiz ihre Lebensmittel einfach aus dem Ausland, dann werden nicht nur Umweltprobleme einfach ausgelagert, sondern irgendwo anders hungern 8 Millionen Menschen. Die Gesellschaft muss das verstehen.
Beenden Sie die Sätze…
Die Aktion ist… ein Weckruf für die Bevölkerung, eine Möglichkeit für die Bauern ihrem Frust Ausdruck zu verleihen.
Landwirtschaft ist… wichtig für die Ernährung der Schweizer Bevölkerung und eng verknüpft mit der Landesverteidigung, denn was nützt uns ein Schirm über dem Land, wenn es darunter nichts zu Essen hat?
Zur Person
Urs Haslebacher (48) aus Lohnstorf BE war 15 Jahre im Vorstand von Suisseporcs tätig und ist seit einem Jahr Gemeindepräsident von Thurnen BE. Der vierfache Familienvater führt einen Betrieb mit Schweinezucht und -mast. Zudem wird durch Ackerbau (Körnermais, Getreide) ein Teil des Futters selbst produziert.
Aha! Ist sicher so.
Die Realität sieht ein klein wenig anders aus.
Aber Die Gelegenheit ist günstig, nun auch bei den Landwirten zu punkten.
Clever! Hut ab.