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Wirte erleiden Schiffbruch

Status quo bei der Besteuerung des Gastgewerbes: Die Stimmbevölkerung hat die Initiative «Schluss mit der MwSt-Diskriminierung des Gastgewerbes!» des Branchenverbands GastroSuisse am Sonntag mit 71,5 Prozent Nein-Stimmen bachab geschickt. Nun kommt die Idee eines Einheitssatzes wieder auf.

 

 

Status quo bei der Besteuerung des Gastgewerbes: Die Stimmbevölkerung hat die Initiative «Schluss mit der MwSt-Diskriminierung des Gastgewerbes!» des Branchenverbands GastroSuisse am Sonntag mit 71,5 Prozent Nein-Stimmen bachab geschickt. Nun kommt die Idee eines Einheitssatzes wieder auf.

Restaurants zahlen weiterhin mehr Steuern als Take-away-Betriebe. Dies entschied am Sonntag die Mehrheit des Stimmvolks und der Stände - und zwar deutlich. Rund 685'000 Stimmberechtigte nahmen die Initiative an, 1'710'000 legten ein Nein in die Urne. Kein einziger Kanton sagte Ja. Die Stimmbeteiligung lag bei 47 Prozent.

Am deutlichsten wurde das Volksbegehren in Zürich verworfen, wo fast 76 Prozent der Stimmberechtigten Nein sagten. In Zug waren 75,8 Prozent dagegen, in zehn weiteren Kantonen lag der Anteil Nein-Stimmen über 70 Prozent. Am besten kam das Anliegen der Wirte noch in den Kantonen Uri, Jura und Tessin an, aber auch dort waren jeweils knapp 65 Prozent dagegen.

Neue alte Idee

So klar das Resultat ist, so unklar sind dessen Folgen. Das Problem des komplizierten Steuersystems bleibt bestehen. FDP, BDP, GLP-Vertreter und wirtschaftsnahe Verbände haben kurz nach dem Nein den Einheitssatz wieder aufs Tapet gebracht - nur knapp drei Jahre nachdem der Nationalrat diese Idee versenkt hatte.

«Ein Einheitssatz über alle Branchen hinweg wäre die gerechte Lösung», sagte etwa der Zürcher FDP-Nationalrat Ruedi Noser zur sda. Auch die die Regierung ist laut Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf nach wie vor überzeugt, dass ein Einheitssatz mit ganz wenigen Ausnahmen die beste Lösung wäre.

Von den grossen Parteien lehnt heute nur die SVP einen Einheitssatz kategorisch ab. Die CVP ist skeptisch. Bereits der frühere Finanzminister Hans-Rudolf Merz wollte das komplizierte Mehrwertsteuersystem durch einen Einheitssatz von 6,5 Prozent ablösen, der ab 2018 nach Auslaufen der befristeten Erhöhung zugunsten der IV auf 6,2 Prozent gesunken wäre. Vergeblich.

«Reines Partikularinteresse der Wirte»

Dass nun die GastroSuisse-Initiative vom Volk abgelehnt wurde, überrascht vor diesem Hintergrund nicht, jedoch die Deutlichkeit des Verdikts. Bei der letzten SRG-Trendumfrage lagen die Gegner zwar mit 46 Prozent im Vorsprung, doch 41 Prozent der Befragten wollten in der ersten Septemberhälfte noch ein Ja in die Urne legen.

Die Befürworter konnten damit weder die Unentschlossenen überzeugen noch einen Meinungsumschwung bei manchen Stimmberechtigten verhindern. Die Initiative sei ein «reines Partikularinteresse der Wirte» gewesen, erklärte FDP-Mann Noser.

Im Parlament hatte sich die SVP sowie eine Mehrheit von CVP und BDP auf die Seite der Wirte geschlagen. Im Abstimmungskampf beschloss dann aber lediglich die SVP die Ja-Parole, die CVP entschied sich für Stimmfreigabe. Die übrigen Parteien empfahlen ein Nein, wobei es sowohl bei der FDP als auch bei der CVP zahlreiche abweichende Kantonalparteien gab.

Initiative zu wenig präzis

Die Initiative verlangte, dass gastgewerbliche Leistungen mit Ausnahme von alkoholischen Getränken und Tabakprodukten dem gleichen Steuersatz unterliegen wie die Lieferung von Nahrungsmitteln. Nach der Lesart des Bundesrats hätte dies Nahrungsmittel generell betroffen.

GastroSuisse hatte aber nur Take-aways im Visier: Für deren Angebot gilt heute der aus sozialpolitischen Gründen reduzierte MwSt-Satz von 2,5 Prozent. Grund für diese Einreihung ist, dass sich Take-away-Produkte nicht vernünftig von Nahrungsmitteln aus Läden abgrenzen lassen. In Restaurants hingegen werden die normalen 8 Prozent fällig.

 

Presse geht hart ins Gericht

«Nicht überzeugend», «unklar», «hausgemachte Probleme»: Mit diesen Prädikaten versehen die Kommentatoren der Schweizer Tageszeitungen die abgelehnte Initiative «Schluss mit der MwSt-Diskriminierung des Gastgewerbes!». Die Zukunft des Anliegens berge Chancen und Gefahren.

Dass die GastroSuisse-Initiative in keinem einzigen Kanton angenommen wurde, liege daran, dass ihr Inhalt nicht überzeugt habe, heisst es im Kommentar von «Tages-Anzeiger» und «Der Bund». «So musste der Konsument fürchten, dass die Wirte eine Reduktion der Mehrwertsteuer in die eigene Tasche stecken würden.»

Die Stimmbürger hätten «verstanden, dass es mit der Vorlage vor allem darum ging, ein neues Privileg für eine Branche zu schaffen, die viele hausgemachte Probleme hat», schreibt die Zeitung «Nordwestschweiz». Zuviel sei unklar gewesen, kommentiert auch die «Berner Zeitung» die Initiative. «Klar war einzig, dass nach einem Ja zu diesem Volksbegehren das inhaltliche Gezerre über die Änderung des Mehrwertsteuersystems erst richtig losgegangen wäre.»

Immerhin «etwas Wahrheit» attestiert der Kommentator der «Neuen Zürcher Zeitung» dem Anliegen der Wirte: «Unterschiedliche Mehrwertsteuersätze bergen Diskriminierungen und Abgrenzungsprobleme.» Abhilfe würde ein Einheitssatz mit allfälligen Entlastungen für Grundnahrungsmittel schaffen. Das klare Verdikt könne für die Wirte auch eine Chance sein, heisst es in der Kommentarspalte des «St. Galler Tagblattes»: «Jetzt müssen sie sich überlegen, wie sie künftig ihre Gäste überzeugen wollen, dass es sich lohnt, bei ihnen einzukehren.»

Eine Zerreissprobe prophezeit der Kommentator der «Neuen Luzerner Zeitung» der Gastro-Branche, sollte sie sich bei der Beratung über den Mehrwertsteuer-Sondersatz für Hotels mit ihrem Anliegen einklinken. Denn viele Wirte würden auch Zimmer vermieten. «Sie laufen Gefahr, den ohnehin umstrittenen Mehrwertsteuer-Sonderstatus für die Hotelübernachtungen zu verlieren.» sda

 

Selbst die Initianten räumten nach dem wuchtigen Nein ein, der Initiativtext sei zu wenig präzis gewesen und habe kein klares Szenario enthalten. Dies bedeute aber nicht, dass das Volk die Interessen des ganzen Gastgewerbes ablehne.

Lösungssuche geht weiter

«Man hat offensichtlich überall gesehen, dass das nicht die Hilfe sein kann, die das Gastgewerbe in einer schwierigen Situation benötigt», sagte auch die Finanzministerin. Allerdings habe die Diskussion in den vergangenen Wochen auch gezeigt, dass die Ungleichbehandlung von vielen Menschen als ungerecht empfunden werde.

Selbst die Gewinnerin des Tages, Konsumentenschützerin Prisca Birrer-Heimo, räumte nach dem überwältigenden Sieg ein: «Die Probleme sind nicht gelöst. Die Diskussionen werden weitergehen.»

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