Das 2010 eingeführte EU-Biosiegel ist nach Einschätzung von Agrarmarketingexperten weder selbsterklärend noch prägnant und im Vergleich zum sechseckigen deutschen Biosiegel „unprofiliert“.
Zu diesem Schluss kommen Prof. Achim Spiller und seine Mitarbeiterin Marie von Meyer-Höfer vom Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung der Universität Göttingen in einer aktuellen Studie. Nur das deutsche Biosiegel sowie das Fairtrade-Label seien beim Verbraucher wirklich bekannt und genössen Vertrauen, erklärten die Wissenschafter vergangene Woche in einer Presseinformation.
Nur 5 % erkannten Bio-Siegel
Immerhin 72% der 300 Befragten kennten das deutsche Biozeichen und 54% vertrauten ihm. Hingegen hätten lediglich 5% der Interviewten das verpflichtende EU-Biosiegel wiedererkannt. „Wenn jetzt immer mehr Biohersteller, weil sie nicht zwei Label parallel verwenden wollen, nur noch das EU-Siegel verwenden, dann bewirkt dies eine massive Verunsicherung der Verbraucher“, so Spiller.
Im Rahmen der Studie hätten sogar mehr Konsumenten angegeben, ein fingiertes, selbst erfundenes Umweltlabel zu kennen als das offizielle EU-Zeichen. Unterdessen informierte EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos in Brüssel über den Abschluss einer Konsultation im Vorfeld einer erneuten Überarbeitung der EU-Ökoverordnung. Innerhalb von zwölf Wochen sei der Online-Fragebogen mehr als 45'000 Mal beantwortet worden, während annähernd 1'600 Beiträge von Bürger und Vereinigungen mit Ideen, Vorschlägen und Meinungen eingegangen seien. Bislang habe man nur eine erste Sichtung vornehmen können. Eine volle Analyse werde folgen, so Ciolos. Teil der Konsultation war auch die Wahrnehmung des EU-Biosiegels.
Zeichendschungel erhellen
Die Göttinger Agrarexperten betonten, es gehe um Prägnanz und Klarheit der Botschaft. Es sei eine Entwertung spezifischer Marketinginvestitionen, wenn derzeit das deutsche Biosiegel durch das unprofilierte EU-Bio-Siegel ersetzt werde. Nicht nur, dass hier eine eingeführte Marke entwertet werde: Das neue EU-Bio-Siegel sei weder selbsterklärend noch prägnant. Allgemein fordern die Autoren, dass der Staat „Licht in den Dschungel der vielen Zeichen“ bringen soll.
„Der Verbraucher ist mit der derzeitigen Situation ganz offensichtlich überfordert“, so von Meyer-Höfer, die Hauptautorin der Studie. Die Wissenschaftler fordern ein staatliches Dachlabel, unter dem die verschiedenen Zeichen für umweltfreundliche, klimafreundliche, tierfreundliche oder fair gehandelte Lebensmittel angesiedelt sein sollten.
Klare Botschaften
Das EU-Biosiegel - ein stilisiertes Blatt aus zwölf Sternen vor grünem beziehungsweise grauem Hintergrund - löste 2010 ein freiwilliges Vorgängermodell ab, das im Zuge der Reform der EU-Ökoverordnung von 2006/07 obsolet geworden war. Der Kölner Designer Dušan Milenkovic ging mit dem Entwurf des „Euroblatts“ siegreich aus einer EU-weiten Ausschreibung hervor. Die damalige EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel bescheinigte dem Siegel, „ansprechend und elegant“ zu sein. Es vermittle zwei klare Botschaften, nämlich die Natur und Europa.
Mit dem Logo könne sich jeder identifizieren. Es war eine Vorgabe der Kommission, dass das Siegel keine Schriftelemente enthalten durfte - unter anderem vor dem Hintergrund, dass Verknüpfungen mit den Begriffen „bio“ oder „öko“ nicht in allen EU-Sprachen verstanden werden. In Grossbritannien beispielsweise heissen Produkte des ökologischen Landbaus „organic“.
Ferner hatte ein früherer Entwurf der Kommission den Lebensmitteldiscounter Aldi auf den Plan gerufen. Aldi befürchtete eine Verwechslungsgefahr mit seinem eigenen Biologo, weshalb die Behörde zurücksteckte. Bereits bei der Einführung des Euroblatts wurden ausreichende Mittel für Informationskampagnen gefordert. Die rheinland-pfälzische Landwirtschaftsministerin Ulrike Höfken , damals Bundestagsabgeordnete, betonte 2010, wirklich nutzbar werde das neue Biolabel nur, wenn es flächendeckend bekanntgemacht werde.