Rund 3’000 Bäuerinnen und Bauern aus dem Tirol, Südtirol, dem Trentino, Salzburg und Bayern wie auch zahlreiche Unterstützer nahmen am Samstag an einer Kundgebung des Tiroler Bauernbundes und einem «Mahnmarsch» zur Rettung der Alpwirtschaft durch die Innenstadt von Innsbruck teil.
«Mit dieser gewaltigen Beteiligung haben wir ein unüberseh- und unüberhörbares Zeichen gesetzt, dass der Wolf unsere traditionelle Alm- und Weidewirtschaft und darüber hinaus den ganzen ländlichen Raum bedroht», betonte Josef Geisler, LH-Stellvertreter und Obmann des Tiroler Bauernbundes.
Der Tiroler Bauernbund-Direktor und Bundesratspräsident Peter Raggl erklärte zu Beginn der Kundgebung am Landhausplatz: «Die Bäuerinnen und Bauern gehen nicht oft auf die Strasse, aber heute ist es notwendig.» Zuletzt war das in Innsbruck im Jahr 1986 der Fall - damals ging es um den Milchpreis.
«Mit dieser Kundgebung wollen wir der städtischen und nicht bäuerlichen Bevölkerung klarmachen, dass das Thema Wolf nicht nur die Bauern, sondern die gesamte Bevölkerung angeht», so Raggl.
Alpen nicht wegen Wolf aufgeben
«Wir wollen die Alpen und die gepflegte Kulturlandschaft nicht aufgrund der Gefährdung durch den Wolf aufgeben, sondern für die Zukunft erhalten», unterstrich Geisler. Tirol werde nun als erstes Bundesland schärfere Massnahmen setzen und in einem ersten Schritt in der nächsten Landtagssitzung das Tiroler Almwirtschaftsgesetz und das Jagdgesetz ändern.
Damit soll eine leichtere und raschere Entnahme von Problemwölfen möglich werden. «Das ist kein Kulturkampf Stadt gegen Land, vielmehr ist die Almwirtschaft für das ganze Land wichtig und im öffentlichen Interesse», so Geisler.
«Es steht viel auf dem Spiel - dass nämlich die bäuerlichen Familien die Freude an der Arbeit verlieren und ihre Höfe aufgeben. Das würde Tirol massiv verändern», verdeutlichte Landesbäuerin Helga Brunschmid.
Rund 20 gerissene Schafe auf der Rotwandalm
Noch während der Kundgebung erreichte Landwirte aus Westendorf, dass Touristen tote Schafe auf der Rotwandalm im hinteren Windautal aufgefunden haben. Die traurige Bilanz sind 16 gerissene Schafe, davon fünf, die notgeschlachtet werden mussten, sowie weitere drei schwer verletzte Tiere, die mittels Hubschrauber ins Tal geflogen wurden, und zwölf noch vermisste Tiere.
In der Konsequenz trieben die Westendorfer Bauern den Rest der ursprünglich 170 Schafe umfassenden Herde ins Tal ab - nur eine Woche, nachdem sie die Tiere hinaufgebracht haben.
Massaker angerichtet
«Das Massaker, das mit allergrösster Wahrscheinlichkeit ein Wolf angerichtet hat, fährt einem durch Mark und Bein. Es waren schreckliche Bilder - vor allem der Anblick der halb toten Tiere, die erlöst werden mussten. Sie müssen höllische Qualen gelitten haben», schilderte Peter Pirchl, Ortsbauernobmann aus Westendorf.
Die Bauern stehen nun vor der Frage, wie es weitergehen kann. «Unsere Alp ist extrem exponiert und steil und damit definitiv nicht für Herdenschutz geeignet. Wenn wir zurück auf die Alp sollen, muss der Wolf weg. Sonst, so fürchte ich stark, sperren die Bauern ihre Stalltüren bald ganz zu», so Pirchl.
Kundgebung mit breiter Unterstützung
Bei der Kundgebung gab es auch klare Unterstützung von Österreichs Almwirtschaftsobmann, dem ehemaligen Vorarlberger Landesrat Erich Schwärzler: «Es braucht jetzt ein starkes Miteinander, denn heute ist der Wolf eine Frage der Alpwirtschaft, morgen aber auch eine Frage all jener, die auf den Almen Ruhe und Erholung suchen.» Daniel Gasser, Obmann-Stellvertreter des Südtiroler Bauernbundes, beschwor die Solidarität aller Tiroler Bauern: «Wir müssen alpenübergreifende Lösungen suchen und ein Zeichen, auch gegenüber der Stadtbevölkerung, setzen.»
Beim Thema Wolf müsse die Bevölkerung aus Stadt und Land zusammenarbeiten, gab sich auch Ralf Huber, Präsident des Oberbayerischen Bauernverbandes, überzeugt. Die stellvertretende bayerische Landesbäuerin Christine Singer ergänzte: «Die Wolfsrisse werden auch bei uns immer mehr - da müssen wir über die Grenzen zusammenhalten und dürfen nicht locker lassen.»
Unzumutbare Situation
Mit deutlichen Worten vertrat Michael Bacher, Obmann des Tiroler Schafzuchtverbandes, die Bauern: «Die derzeitige Situation ist unzumutbar. Wie soll eine artgerechte Haltung möglich sein, wenn alles eingezäunt ist? Eine Koexistenz von Nutztieren und Wolf ist nicht möglich, vielmehr geht die Entwicklung zu einer sanften Enteignung von Grund und Boden.»
Herdenschutz sei nicht nur vielfach nicht machbar und finanzierbar, sondern habe sich als untauglich erwiesen. Die angekündigten Massnahmen, die der Landtag beschliessen soll, sind aus der Sicht Bachers zu wenig: «Wir brauchen noch bessere Lösungen, das sind wir auch unserer Jugend schuldig.»
Dass Herdenschutzprojekte nicht funktionieren, musste auch Elmar Monz, Bezirksobmann des extremen Bergbauernbezirkes Landeck, bestätigen: «Wenn hier nicht rasch etwas geschieht, wird Tirol als Tourismusland Nummer eins ein Ende haben.» Es brauche auf Landesebene die Möglichkeit, den Wolf schnell und unbürokratisch zu entnehmen, «sonst sperren viele unserer Klein- und Kleinstbetriebe zu».
Keinen Platz mehr für den Wolf
Für Landwirtschaftskammer Tirol-Präsident Josef Hechenberger ist das Thema Wolf beängstigend geworden: «Ich habe heuer mein eigenes Vieh nur mit einem schlechten Gefühl auf die Alp gebracht.»
Wie aktuelle Beispiele zeigten, mache der Wolf auch vor Rindern nicht Halt. Er wünsche sich noch mehr Unterstützung vonseiten des Tourismus sowie der Jägerschaft und betonte: «Der Wolf ist bei uns vor gut 100 Jahren ausgerottet worden - und er hat in Tirol auch heute keinen Platz.»
Über 20 Wolfs-risse auf der Rotwandalm/Westendorf in einer Nacht https://t.co/waw7tJLRos via @YouTube
— Peter Aschaber (@Alpenspektakel) July 4, 2021
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