Dies würde es erlauben, die Jagd auf Wölfe zu genehmigen, wenn dadurch nicht der Erhalt von Populationen gefährdet wird.
20’000 Wölfe in 23 Ländern
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte zu dem Vorstoss, die Rückkehr des Wolfs sei eine gute Nachricht für die Artenvielfalt in Europa. Die Dichte der Wolfsrudel in einigen europäischen Regionen sei inzwischen jedoch zu einer echten Gefahr geworden, insbesondere für die Nutztierhaltung.
Von der Leyen berief sich dabei auf eine gleichzeitig veröffentlichte Analyse, die zeigt, dass die Wolfspopulationen in den letzten zwei Jahrzehnten erheblich zugenommen haben und immer grössere Gebiete besiedeln. Demnach gibt es mittlerweile mehr als 20’000 Wölfe mit meist wachsenden Populationen und expandierenden Streifgebieten sowie Rudel mit Welpen in 23 Mitgliedstaaten.
Dies ist gemäss EU ein Erhaltungserfolg, der durch gesetzlichen Schutz, eine sensibilisierte Öffentlichkeit und die Verbesserung des Lebensraums ermöglicht wurde. Diese Zunahme bringe den Wolf jedoch zunehmend in Konflikt mit menschlichen Aktivitäten, insbesondere durch Nutzviehschäden. «Bestimmte Gebiete und Regionen sind stark betroffen», schreibt die EU in einer Mitteilung.
«Grössere Flexibilität für aktives Management»
Mit dem Vorschlag für ein Herabsetzen des Schutzstatus für Wölfe kommt die EU-Kommission insbesondere den Forderungen von Nutztierhaltern und Landwirten nach. Diese verweisen seit langem auf zunehmende Probleme. «Die lokalen Behörden fordern grössere Flexibilität für das aktive Management kritischer Wolfspopulationen. Dies sollte auf europäischer Ebene erleichtert werden. Ich bin fest überzeugt, dass wir gezielte Lösungen finden können und werden, um nicht nur die biologische Vielfalt, sondern auch die Lebensgrundlage unserer Landbevölkerung zu schützen», sagte der Von der Leyen.
Die Politikerin hat in der Vergangenheit selbst eine traurige Erfahrung mit einem Tier gemacht. Im September 2022 riss ein Wolf in ihrer Heimat in Niedersachsen ihr 30 Jahre altes Pony Dolly.
Auch EU-Landwirtschaftskommissar Janusz Wojciechowski steht klar hinter dem Vorschlag der Kommission: „Aus Gesprächen mit Landwirten und ländlichen Gemeinschaften weiss ich, welche erheblichen Herausforderungen die Rückkehr des Wolfs in zahlreichen Gebieten insbesondere für die Weidewirtschaft in einem bereits komplizierten sozioökonomischen Kontext bedeutet.» Er fordert die EU-Mitgliedsstaaten zudem auf, die verfügbaren EU-Finanzmittel in vollem Umfang zu nutzen, um Investitionen in Herdenschutzmassnahmen zu fördern. «Diese sind notwendig, um die Gefahren für die Viehbestände zu verringern», sagte Wojciechowski weiter.
Vorschlag braucht breite Unterstützung
Um den Vorschlag der EU-Kommission umzusetzen, müssten ihm in einem ersten Schritt mindestens 15 der 27 EU-Staaten zustimmen. Gleichzeitig müssen diese allerdings auch zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU repräsentieren. Im nächsten Schritt müsste der Vorschlag dann auch noch den anderen Vertragsparteien des sogenannten Berner Übereinkommens vorgelegt werden.
Das Berner Übereinkommen ist ein 1979 geschlossener zwischenstaatlicher Vertrag des Europarats zur Erhaltung der wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume in Europa, insbesondere jener, deren Erhaltung die Zusammenarbeit mehrerer Staaten erfordert. Im April 2024 wird es 50 Vertragsparteien umfassen, darunter alle EU-Mitgliedstaaten. Mit der Habitat-Richtlinie der EU wurden die Anforderungen des Berner Übereinkommens umgesetzt. In ihr ist ein strenger Schutz der meisten Wolfspopulationen in Europa vorgesehen, wobei Ausnahmeregelungen möglich sind.