Während die Wolfsjagd in den Kantonen Wallis und Graubünden auf Hochtouren läuft, blieb eine solche im Bern Jura bisher aus. Denn es gibt im Jura keine Wolfsrudel. Doch ein solches Rudel braucht es auch, nicht um grosse Schäden anzurichten. So werden einem einzelnen Wolf im Berner Jura von Ende Juli bis Mitte Oktober 36 Nutztierrisse zugeschrieben.
Unterschied zwischen Bern und Jura
Fehlte – trotz dieser zahlreichen Risse – anfangs die rechtliche Grundlage für einen Abschuss, hat der Kanton Bern diese am 25. Oktober erteilt. Erst eine spezielle Umzonung durch das Bundesamtes für Umwelt (BAFU) hat eine solche Abschussbewilligung auf Ersuchen des Kantons hin ermöglicht, heisst es in einem Bericht vom «Bund». Diese Abschussbewilligung ist am 24. Dezember ausgelaufen. Der Wolf ist vermutlich bereits Mitte Oktober weitergezogen.
Der Bericht deckt weiter auf, dass es einen grossen Unterschied zwischen dem Berner Jura, also dem Kanton Bern, und dem Kanton Jura gibt, zumindest wenn man die Abschüsse vergleicht. Während dort 36 Risse verzeichnet wurden, waren es hier nur deren 2. Der Vorwurf liegt in der Luft, dass Bauern gelegentlich die Wirkung der Präventionsarbeit unterschätzen und erst dann aktiv würden, wenn es bereits zu spät ist. Diesbezüglich scheint der Kanton Jura eine Vorbildfunktion einzunehmen.
Berner Bauernverband machte Druck
Am 28. Juli 2023 hat die Serie angefangen, ist der Seite des kantonalen Jagdinspektorats zu entnehmen. Sieben Schafe hat der Wolf damals in Courtelary gerissen. Nach weiteren, vereinzelten Rissen fanden die nächsten gravierende Ereignisse am 23. September in Orvin statt, wo er 6 Ziegen gerissen hat und am 4. Oktober in Saicourt, als ihm 6 Schafe zum Opfer fielen. Die Gemeinsamkeit dieser gravierenden Fälle: die Nutztiere waren nicht (ausreichend) geschützt. Dem Kanton Bern waren aber die Hände gebunden.
Bis Anfang Oktober habe der Kanton auf die ungenügende rechtliche Grundlage für eine Abschussbewilligung verwiesen, heisst es im Bericht weiter. Der Berner Bauerverband hat zu diesem Zeitpunkt, am 4. Oktober, eine Pressemitteilung verfasst ( die Sie hier nachlesen können ) und damit den Druck auf die Kantonsregierung erhöht.
Nicht ausreichend geschützt
Der zuständige Regierungsrat Christoph Ammann (SP) habe zwei Tage später darauf verwiesen, dass eine rechtliche Grundlage fehlen würde, um einen solchen Abschuss zu genehmigen. Dies, weil gemäss dem Konzept Wolf Schweiz in Gebieten mit früherer Wolfspräsenz nur ausreichend geschützte Tiere zum Abschusskontingent für einen Einzelwolf zählen würden. Und dies war nicht der Fall. Denn mehr als 9 von 10 gerissenen Nutztieren im Berner Jura seien nicht ausreichend geschützt gewesen, ist einer Medienmitteilung des Kantons Bern zu entnehmen.
In Saicourt BE wurden am 4. Oktober bei zwei Angriffen insgesamt 8 ungeschützte Schafe gerissen.
Damit eine rechtliche Grundlage für eine Abschussfreigabe hätte vorliegen können, hätte der Wolf in dieser Zone innert vier Monaten mindestens 25 Nutztiere reissen müssen, die ausreichend geschützt gewesen wären. Es seien aber nur drei der erwähnten 36 gerissenen Tiere geschützt gewesen. Also durfte keine Abschussbewilligung erteilt werden.
Die Rolle von Bundesrat Rösti
Dass Regierungsrat Amman am 25. Oktober dann doch die Abschussbewilligung erteilte, ist vermutlich auch dem weiter hohen Druck des Berner Bauernverbandes zu verdanken, vor allem aber einer juristischen Neuauslegung der Zonen im Berner Jura. Eine entscheidende Rolle spielte dabei Bundesrat Albert Rösti (SVP), heisst es im «Bund».
Denn eine Woche zuvor hat sich Amman in einem Brief an den UVEK-Vorsteher gewandt. Er führte darin den zunehmenden Druck aus, dem er ausgesetzt sei, seitens der Bäuerinnen und Bauern, aber auch seitens der Bevölkerung und der Politik. Amman hätte Bundesrat Rösti in diesem Brief um die Prüfung gebeten, ob allenfalls eine Ausnahmesituation vorliegen würde, ist dem Bericht von «Bund» weiter zu entnehmen. Amman bat Rösti also um eine Neubeurteilung der Lage. Und diese hat der Berner Regierungsrat dann auch bekommen.
Abschussgenehmigung dank Umzonung
Innerhalb einer Woche hat der Bund die rechtliche Lage dann so geändert, dass eine Abschussgenehmigung ausgesprochen werden konnte. Dies hat Regierungsrat Amman am 25. Oktober dann auch getan.
Möglich machte dies das BAFU, das Bundesrat Rösti unterstellt ist. So habe das Bundesamt die Gemeinden, in denen der Wolf im Berner Jura Tiere gerissen hat, einfach umgezont. Und zwar von einem «Gebiet mit früherer Wolfspräsenz» zu einer Zone «ohne bisherige Wolfspräsenz». Begründet wurde diese Umzonung gemäss «Bund» wie folgt: «In diesen Gemeinden gab es seit der Rückkehr des Wolfes in die Schweiz im Jahre 1995 bis zur aktuellen Rissserie keine Schäden durch Wölfe.»
Durch diese Umzonung konnten dann auch die unzureichend geschützten Tiere angerechnet werden. Damit erhöhte sich die Zahl der vom Wolf «illegal» gerissenen Nutztiere im Berner Jura schlagartig von drei auf 36. Pro Natura habe dieses Vorgehen kritisiert und es als «Trickserei» bezeichnet, ist dem «Bund» zu entnehmen.
Wolf weitergezogen
Damit war die rechtliche Grundlage für einen Abschuss geschaffen. Die entsprechende kantonale Direktion hat nicht mehr gezögert und den Wolf am 25. Oktober zum Abschuss freigegeben. Mit einer Auflage: die Genehmigung galt nur bis am 24. Dezember.
Auf Anfrage des «Schweizer Bauer» sagt das Jagdinspektorat des Kantons Bern, dass der Wolf bis Heiligabend nicht erlegt werden konnte. «Die Bewilligung ist jetzt abgelaufen und es besteht zurzeit keine rechtliche Grundlage mehr, die Abschussgenehmigung zu verlängern», führt das Inspektorat weiter aus. Vermutlich ist der Wolf weitergezogen. Denn das offizielle Datum des letzten Risses lautet auf den 14. Oktober.
Ein Herdenschutz werde oft erst dann aufgebaut, wenn es schon zu spät ist.
hauptner
Zwei Bauern – zwei Meinungen
Der «Bund» geht in seinem Bericht auch der Frage nach, ob sich die beiden Kantone, also der Kanton Bern und der Kanton Jura, hinsichtlich des Herdenschutzes unterscheiden und wieso im Berner Jura so viel mehr Abschüsse verzeichnet wurden als im Kanton Jura. Zwei bernjurassische Bauern wurden zu Wort gebeten.
«Auf einem Terrain, das nicht topfeben ist, ist der vollständige Schutz fast unmöglich», lautet die Aussage eines Bauern aus dem Berner Jura. Er bezweifle, dass die vom Bund empfohlenen Schutzmassnahmen ausreichen würden. Trotzdem investiert er (erst) jetzt – nachdem der Wolf sieben seiner Schafe gerissen hat – bis zu 3’000 Franken in neue Zäune und Netze.
Jura: Finanzielle Unterstützung
Ein anderer Bauer aus dem Berner Jura beschreibt die Situation wie folgt: «Du musst die Schafe sowieso einzäunen, damit sie nicht davonlaufen. Nun muss man halt ein bis zwei zusätzliche Drähte spannen». Dass der Wolf im Berner Jura so oft zugeschlagen hätte, können auch daran liegen, dass die Tiere zu wenig geschützt wurden, vermutet dieser Bauer. Wirken die Schutzmassnahmen also deshalb nicht, weil man sie erst ergreift, wenn es zu spät ist?
Der Kanton Jura habe sehr schnell reagiert, als der erste Wolf gesichtet wurde, ist dem Bericht weiter zu entnehmen. Es sei eine Arbeitsgruppe gegründet worden und die jurassischen Bäuerinnen und Bauern hätten vom Kanton für den Herdenschutz zusätzliche finanzielle Unterstützung erhalten. So würde einem Bauern im Kanton Jura ein Schutznetz fast nichts kosten. Der Kanton Bern hingegen würde bezüglich der Schutzmassnahmen hinterherhinken, meint dieser Bauer, der die Sachlage in beiden Kantonen kennen würde.
Ohne Riss, keine Motivation auf Herdenschutz
Wie überall sind auch die Grenzen zwischen dem Berner Jura und dem Kanton Jura fliessend. Wilde Tiere richten sich nicht nach diesen politischen Markierungen. Wenn ein Wolf jedoch diese kantonalen Grenzen überschreitet, scheint er sich einer anderen, für ihn vielleicht sogar vorteilhafteren Situation ausgesetzt, lässt der Bericht vermuten.
Der Wolf im Berner Jura habe sich auf Schafe und Geissen spezialisiert. Diese Spezialisierung sei entstanden, weil die Bauern die Tiere nicht richtig geschützt hätten, lautet ein Vorwurf eines bernjurassischen Bauern. Die finanzielle Unterstützung der Behörden sei wichtig. Doch es käme auch auf die Motivation der Bäuerinnen und Bauern an, präventive Massnahmen zu ergreifen.
An dieser Motivation zweifle auch Peter Berger, Herdenschutzbeauftragter am Bildungs- und Beratungszentrum für Landwirtschaft Inforama. Erst ein Wolfriss könne diese Motivation anregen. «Solange nicht unmittelbare Gefahr droht, wird nichts gemacht», erklärt er dem «Bund».
Der Jura ist bekannt für seine Wytweiden. Der Wolf könne Teil dieses Ökosystems sein.
Oliver Metzler
Wolf als Teil des Ökosystems Wald
Die Unterschiede zwischen dem Berner Jura und dem Kanton Jura sind gross, zumindest wenn man die Statistik der Risse zurate zieht. Denn während im Berner Jura (541 Quadratkilometer) wie erwähnt 36 Risse verzeichnet wurden, seien im Kanton Jura (839 Quadratkilometer) nur zwei Nutztiere dem Wolf zum Opfer gefallen.
Der «Bund» hat nach den möglichen Gründen gefragt. «Seit zwei Jahren setzt die grosse Mehrheit der Schaf-und Geissenhalter die verstärkten Schutzmassnahmen mit zusätzlichen oder höheren elektrischen Zäunen um», sagt Amaury Boillat vom Jagdinspektor des Kantons Jura. Der Wolf werde auch als Teil des Ökosystems Wald betrachtet, da er auch die Bestände der anderen Tiere im Wald reguliere.
Dass der Kanton Bern den Herdenschutz vernachlässige, wolle Berger vom Inforama aber nicht gelten lassen. Der Kanton Bern sei eingesprungen als im Sommer die Bundesgelder für die Herdenschutzmassnahmen aufgebraucht worden seien. Wo sich der Wolf jetzt befindet ist nicht bekannt.
Hier finden Sie eine Karte mit der Wolfspräsenz im Kanton Bern.
Dass der Herdenschutz vielerorts nicht oder ungenügend ist, ist bekannt. Ebenso dass Statistiken zumindest der bündner Organe ungeschützte gerissene Tiere in geschützte vereandelt haben.
Das borgehen Röstis, nicht nur in der Wolfsfrsge, sollte mehr als hinterfragt werden. Ein Rücktritt dieses Volks(ver)treters scheint mir mehr sls sngebracht.