Die Welthandelskonferenz in Bali hat sich auf ein historisches Abkommen zum Abbau von Handelsschranken geeinigt. Als letztes Land gab Kuba am Samstag seinen Widerstand während der Beratungen auf der indonesischen Insel auf. Zuvor hatte bereits Indien seine Blockadehaltung beendet. Die Schweiz begrüsst die Einigung auf den Bali-Pakt zum Abbau von Handelsschranken.
Damit wurde der Weg frei für eine Einigung auf Erleichterungen im globalen Handel - etwa einen Subventionsabbau im Agrarhandel sowie Verbesserungen für Entwicklungsländer. Die Einigung ist die erste umfassende Handelsreform seit Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) 1995.
Kuba auf letztem Drücker
«Zum ersten Mal in unserer Geschichte hat die WTO wirklich geliefert», sagte WTO-Chef Roberto Azevedo mit Tränen in den Augen. «Dieses Mal kam die gesamte Mitgliedschaft zusammen. Wir haben die 'Welt' wieder in die Welthandelsorganisation gebracht.»
In letzter Minute hatte die kubanische Delegation zusammen mit Venezuela, Bolivien und Nicaragua Bedenken gegen den Vertragsentwurf angemeldet. Das kommunistisch regierte Land verlangte, dass in dem Text Position für ein Ende des von den USA gegen Kuba verhängten Wirtschaftsembargos bezogen werden müsse. Dies sorgte für eine Unterbrechung der Beratungen in der Nacht. Dann einigten sich die Kubaner mit den USA doch noch auf eine Sprachregelung.
Agrar-Beihilfen teilweise ausgenommen
Indien hatte sich mit Unterstützung von Entwicklungsländern lange geweigert, der Forderung nach einer Befristung seiner Agrar-Subventionen nachzukommen. Der Durchbruch war am Freitag erreicht worden, indem Indien Ausnahmeregeln für die Subventionierung der Nahrungsmittelversorgung von 820 Millionen armen Menschen zugestanden wurden. Das Volumen des indischen Ernährungsprogramms überschreitet wahrscheinlich WTO-Grenzen für erlaubte Agrarsubventionen. Neu Delhi hatte gedroht, das Bali-Paket zu blockieren, sollten dadurch Probleme für die Nahrungsmittelsicherheit seiner Bevölkerung entstehen.
Entwicklungsländer sollen nun unter bestimmten Bedingungen von Begrenzungen für Agrar-Beihilfen ausgenommen werden, wenn es um die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung für grosse Teile ihrer Bevölkerung geht. Nach den Regeln der WTO müssen neue Verträge einstimmig oder zumindest ohne Gegenstimmen angenommen werden.
Pakt mit zehn Einzelvereinbarungen
Mit dem Paket von insgesamt zehn Einzelvereinbarungen wird unter anderem die weltweite Vereinfachung von Zollabwicklungen im grenzüberschreitenden Warenverkehr angestrebt. Die ärmsten Entwicklungsländer sollen bessere Zugänge zu den Märkten der Industrie- und Schwellenländer erhalten. Die Entwicklungshilfe im Bereich des Handels soll verstärkt werden. Zudem ist der Abbau von Agrarsubventionen vorgesehen.
Experten gehen davon aus, dass die Umsetzung des Bali-Paktes einen weltweiten Wachstumsschub im Umfang von bis einer Billion Dollar ermöglichen kann. Damit ist nach Schätzungen der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris die Schaffung von 21 Millionen Arbeitsplätzen möglich - davon 18 Millionen in Entwicklungsländern.
Kritik und Lob
Mehrere Nichtregierungsorganisationen kritisierten die Bali-Vereinbarung als Beeinträchtigung der Interessen von Entwicklungsländern. So sei «schwer nachvollziehbar, warum in Zukunft kein weiteres Land umfassende staatliche Massnahmen zur Stützung von Kleinbauern und zur Bekämpfung von Hunger ergreifen darf», erklärte die kirchliche Hilfsorganisation Brot für die Welt. «Der Beschluss von Bali zeigt, dass die WTO der falsche Rahmen ist, um globale Regelungen zur Ernährungssicherheit zu vereinbaren.»
Auf Seiten der Regierungen wurde das Verhandlungsergebnis hingegen gelobt. «Heute feiern wir eine neue WTO - nicht nur, weil wir ein Abkommen erreicht haben, sondern auch für die Art und Weise, wie wir es erreicht haben», erklärte der US-Handelsbeauftragte Michael Froman. «Während des gesamten Verhandlungsprozesses hat sich gezeigt, dass wir inzwischen eine wirklich multilaterale Organisation sind.» Die USA hätten bereitwillig mit den am wenigsten entwickelten Länder Welt (LDC) kooperiert, sagte Froman.
Nun kommt die Umsetzung
Azevêdo hatte das Amt an der WTO-Spitze erst im September übernommen. Dabei versprach er, alles in seinen Kräften stehende für einen Neustart der 1995 gegründeten Organisation zu tun.
Vor den WTO-Mitgliedstaaten stehe nun die Aufgabe, die Vorhaben des Bali-Paktes umzusetzen und dabei zugleich ein konkretes Arbeitsprogramm zur Fortsetzung der Doha-Agenda in den nächsten Jahren zu erarbeiten, sagte Azevêdo unter dem Beifall der Delegierten aus aller Welt.
Schweiz begrüsst
Die erste umfassende Handelsreform seit der Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) 1995 sei aus Schweizer Sicht eine sehr gute Lösung. «Das ist eine wichtige und interessante Entwicklung für die Schweiz», sagte der Delegierte des Bundesrates, Didier Chambovey, am Samstag in Nusa Dua vor Journalisten. Das Abkommen werde voraussichtlich dazu beitragen, die Transaktionskosten im Handel zu senken. Bundesrat Johann Schneider-Ammann wertete den Abschluss des Abkommens als «ein wichtiges Etappenziel in den WTO-Verhandlungen, die das multilaterale Handelssystem stärkt», wie das Eidg. Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) am Samstag mitteilte. Die exportorientierte Wirtschaft werde von den einfacheren und günstigeren Zollverfahren profitieren. Auch der Marktzugang von Schweizer Agrarprodukten werde sich verbessern.
«Ende gut, alles gut», resümierte Chambovey die Spannung der letzten Stunden vor dem Ende der Konferenz in Bali. Der Erfolg sei zu grossen Teilen dem Engagement von WTO-Chef Roberto Azevedo zu verdanken. Widerstand von Indien und Kuba hatte den Abschluss des Abkommens zunächst verzögert. Bundesrat Johann Schneider-Ammann, der die Verhandlungen für die Schweiz führte, verschob seine Heimreise in der Hoffnung auf eine Einigung. In der Nacht trat der Wirtschaftsminister den Heimweg schliesslich an. sda


