Nach jahrelangem Stillstand sollen bei der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf Handelsregeln nun nicht mehr nur zwischen einzelnen Staaten, sondern wieder weltweit vereinbart werden. Im Agrarsektor dürfte es hingegen nicht zu Liberalisierungen kommen.
Anlass zur Hoffnung gibt auch die Entspannung zwischen der EU und den USA. Nachdem die beiden wichtigen Industrieblöcke bei den Subventionen der Flugzeugindustrie kooperieren, könnten sie auch gemeinsam die WTO reformieren.
Dabei stellt eine Ansammlung von ungelösten Problemen aktuell die WTO dar, und die Doha-Runde ist jetzt 20 Jahre alt. Doch das hoffnungsvoll angetretene Projekt einer weltweiten Liberalisierung des Handels, von der vor allem die Entwicklungsländer profitieren sollen, nahm nie so richtig Fahrt auf und steckt seit 2005 fest.
2015 Ende der Exportsubventionen beschlossen
2015 wurde zwar auf der WTO-Ministerkonferenz in Nairobi ein Ende der Exportsubventionen beschlossen, doch die Abspaltung eines einzelnen Aspekts trug schon damals mehr zum Ende der Doha-Runde bei als zu ihrer Wiederbelebung.
Die wichtige Schiedsgerichtsbarkeit der WTO kam vor gut einem Jahr zum Erliegen, nachdem die USA die Besetzung von Richtern in der Berufungsinstanz verweigerten. Themen der Fischerei liegen schon lange brach bei der Organisation in Genf, andere fehlen ganz auf der Agenda, etwa die Regeln für den digitalen Handel oder der Klimaschutz.
Corona könnte Zusammenhalt stärken
In die Grossbaustelle soll nun die frisch gewählte Generaldirektorin Ngozi Okonjo-Iweala aus Nigeria zumindest etwas Ordnung bringen. Für neuen Zusammenhalt der 165 WTO-Mitgliedstaaten könnte auch die Corona-Krise beitragen.
Die Pandemie lässt sich schliesslich nur weltweit eindämmen, und dazu müssen aber Pharmaunternehmen ihre Patente für Impfstoffe den Entwicklungsländern zur Verfügung stellen. Das geschieht vereinzelt bereits freiwillig. Um flächendeckend zu wirken, müssten aber weltweit Vereinbarungen auf der Ebene der WTO beschlossen werden.
Protektionismus in der Landwirtschaft wächst
Ob die Verhandlungen auch den Agrarsektor beleben, bleibt dagegen zweifelhaft. Im Gegenteil: Besonders bei der Öffnung der Märkte für Agrarimporte hat sich das Umfeld verschlechtert. Von den Chlorhühnern in den TTIP-Verhandlungen zwischen der EU und den USA bis zu den Rindfleischimporten aus Brasilien auf Kosten des Regenwaldes in der Mercosur-Debatte - die Stimmung in der EU wendet sich gegen den Liberalismus.
Stattdessen wächst ein diesmal vor allem mit der Umwelt begründeter Protektionismus in der Landwirtschaft. In den Agrargesprächen der WTO stehen sich die Fronten unversöhnlich wie seit Jahren gegenüber. In den routinemässig abgehaltenen Sitzungen in Genf wiederholen die Vertreter der 165 WTO-Mitgliedstaaten ihre Positionen - ohne substanzielle Verhandlungsbereitschaft.
China hat weniger Verpflichtungen
China gebärdet sich als bester Vertreter der Entwicklungsländer, obwohl es mit seinem wirtschaftlichen Erfolg schon längst einige Industrieländer hinter sich lässt. Schliesslich ist China bei der WTO als Entwicklungsland weniger Verpflichtungen ausgesetzt, eine Einstufung, die die USA und die EU scharf zurückweisen.
Indien kauft Agrarprodukte zu erhöhten Preisen auf, um staatliche Vorratslager aufzubauen und um seine Bauern zu unterstützen. Doch die anderen WTO-Mitgliedstaaten sind nicht bereit, die Interventionen von Agrarprodukten in Indien unter WTO-Gesichtspunkten zu legitimieren.
USA und EU haben es nicht eilig
Die EU rückt in ihrer jüngst vorgelegten Handelsstrategie von der Öffnung ihrer Agrarmärkte ab, obwohl diese immer zu den zentralen Anliegen der Doha-Runde gehörte. "Eine Wiederbelebung der Verhandlungen über den landwirtschaftlichen Marktzugang scheint zurzeit wenig wahrscheinlich zu sein", heisst es in der EU-Handelsstrategie. Die EU will sich deshalb in der kommenden 12. WTO-Ministerkonferenz auf Exportbeschränkungen und Transparenz im internationalen Agrarhandel konzentrieren.
Eilig haben es die USA auch nicht. Zwar hat der neue Präsident Joe Biden Strafzölle für einige EU-Agrarprodukte ausgesetzt. Doch bis die USA die Schiedsgerichtsbarkeit der WTO wieder ins Laufen bringen oder gar die Agenda der Handelsorganisation aktualisieren, wird trotz der aufgekeimten Hoffnung noch einige Zeit ins Land gehen.