Die Zucht beim Original Braunvieh ist eine Herausforderung. Milch und Fleisch in einem Zuchtziel zu integrieren, steht bei der Zweinutzungsrasse im Fokus. Jürg und sein Vater Beat Liver wissen, wie man mit OB züchtet.
Flerden ist ein 250-Seelen-Dorf in der Region Viamala im Kanton Graubünden. Etwas ausserhalb des Dorfes liegt der Hof Soldadis von Jürg Liver, der in der Region durch die feinen Hofprodukte an den Märkten Bekanntheit erlangt hat.
Aber nicht nur wegen qualitativ hochstehender Produkte aus Milch des Original Braunvieh (OB) kennt man den Hof. Die Original-Braunvieh-Zucht ist seit vielen Jahren auf einem hohen Niveau. Livers Genetik beeinflusst regelmässig die Population des Original Braunviehs.
«Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft»
«Die Zunahme an Herdebuchtieren beim Original Braunvieh ist kein Zufall», ist OB-Kenner Beat Liver überzeugt. Der ehemalige Vizepräsident des OB-Verbands und Redaktor der Zeitschrift «OB-Züchter» verfolgte die Entwicklung über viele Jahre. Insbesondere bei den Eutern habe man grosse Fortschritte erzielt. «Die Richtung der Zucht stimmt. Aber es geht weiter, und das Potenzial der Originalen ist noch lange nicht ausgeschöpft.»
Die Schwierigkeit liege insbesondere darin, dass es in der Zuchtrichtung betriebsspezifisch grosse Differenzierungen gebe. Die Steigerung müsse aber über die gesamte Population gesehen parallel verlaufen. Die Milchleistung und die Bemuskelung müssen also im Gleichschritt zunehmend sein. Da das Original Braunvieh auch in der Mutterkuhhaltung eine nicht unwichtige Rolle einnimmt, dürfen auch diesbezüglich wichtige Merkmale wie positive Abkalbeeigenschaften nicht ausser Acht gelassen werden.
Kappa- und Beta-Kasein
Ein Grossteil der Milch wird in der hofeigenen Käserei verarbeitet. Um die Käseausbeute zu steigern, wurde schon früh auf Kappa-Kasein BB gezüchtet. Und dies mit merklichem Unterschied in der Veredelung der Milch. Bei den zur Zucht eingesetzten Stieren muss also mindestens ein B beim Genomtest vorhanden sein. Der bis Mitte 2021 im Natursprung eingesetzte Stier Matti hatte gar den genetischen Marker BB und vererbt die positiven Eigenschaften bezüglich Kappa-Kasein somit homozygot weiter.
Ein weiterer Vorteil der genomischen Selektion aller Stiere ist die Kenntnis über allfällige Erbfehler. Seit einiger Zeit ist auch der Test des Beta-Kaseins in der genomischen Selektion automatisch vorhanden. Diesbezüglich achten Livers auf die beste Kombination A2A2. Denn Jürg ist überzeugt, dass dies eines Tages eine Marktlücke sein wird. «Vielleicht können wir auf unserem Hof auch bald schon A2-Milchprodukte verkaufen.»
Bruna
Am Samstag, 2. April, ist es so weit: Die Bruna 2022 wird mit dem «OB-Jungzüchtertag» mit Rinder-, Stier- und Mutterkuh-Wettbewerben eröffnet. Am Sonntag folgt der zweite Höhepunkt mit dem Rangieren sowie den Spezialpreisen und mit Miss-Wahlen bei den älteren OB-Tieren als Grande Finale. Das Original Braunvieh wird mit einer hochklassigen Gruppe nach Zug kommen. Unter den Anmeldungen befinden sich beispielsweise Tiger Timea, Wendel Prima, William Poldi, Vabo Uleika, Wendel Elma, Nantes Natalia, Voran Viona und Orlando Odessa.
Richter
Beat Betschart (Richter Rinder, Stiere, Erstmelken)
David Amrein (Richter Mutterkühe)
Stefan Hodel (Richter Kühe 2.ff Laktation)
Programm
Freitag, 1. April
20:00 Bar geöffnet
Samstag, 2. April
9:00 Öffnung der Ausstellung/ Festwirtschaft
9:30 Rangierung Rinder, Stiere, Mutter- und Erstmelkkühe, inkl. Spezialwettbewerbe und Miss-Wahlen
20:00 Züchterabend in der Markthalle mit Barbetrieb
Sonntag, 3. April
9:00 Öffnung der Ausstellung/ Festwirtschaft
9:30 Rangierung Original Braunvieh-Kühe 2.ff Laktation, inkl. Spezialwettbewerbe und Miss-Wahlen
16:00 Rücktransport der Tier

Zuchtentscheide
Den grössten Nutzen der Genomik sieht Jürg Liver in der Erkennung von Erbfehlern, bei den Kasein-Eigenschaften und bei der Abstammungskontrolle. Ansonsten sind bei der Zucht die Merkmale aus tiefen Kuhfamilien das entscheidende Kriterium. Am liebsten werden Stiere aus der eigenen Zucht nachgenommen und so die eigenen Linien gestärkt.
«Auch wenn die mütterliche Linie nicht fehlerfrei ist, kann der Stier gezielt eingesetzt werden. Die Schwächen sind dann wenigstens bekannt, was bei einem KB-Jungstier mit hohem genomischem Resultat, aber aus unbekannter Zucht nicht der Fall ist», sagt Jürg Liver. So ganz nach dem Motto: «Der Teufel, den man kennt, ist besser als der Teufel, den man nicht kennt!»
Zukauf alle paar Jahre
Da wenige Stiere eine hohe Milchleistung und eine hohe Fleischleistung vererben, wird der Schwerpunkt nach Möglichkeit jedes Jahr etwas verlagert. Bis Juli 2021 stand mit Matti ein sehr muskulöser Minor-Sohn im Stall, der eine hohe Fleischleistung vererbt und trotzdem eine positive Milchleistung hatte. Alle paar Jahre wird auch wieder ein Stier zugekauft, um neues Blut in den Bestand zu bringen. Eine Kuh, die das Idealbild für eine Zweinutzungsrasse darstellt, ist Liver’s OB Robin Regina.
Sie ist die älteste Kuh im Stall und verfügt über einen Milchwert von 129 und über einen Fleischwert von 118. Ihr Sohn Orkan wurde von Swissgenetics abgesamt. Regina steht aktuell in der achten Laktation mit über 75000kg Lebensleistung. Sie erreichte eine durchschnittliche Milchleistung von über 8700kg Milch pro Laktation. Von ihrem Sohn Ursin stehen mehrere vielversprechende Kühe im Stall. Ein weiterer Stier bei Swissgenetics ist der William-Sohn Willi, der insbesondere sehr gute Euter verspricht.
Eigene Hofkäserei
Beat Liver ist für die Veredelung der Milchprodukte auf dem Betrieb verantwortlich. In der eigenen Hofkäserei verarbeitet er die Milch zu Käse, Joghurt, Quark, Butter und Ziger. Die Produkte werden ab Hof verkauft. Zwei Drittel des gesamten Absatzes gehen aber vom Churer Wochenmarkt aus, wo Beat und seine Frau Evi jeweils teilnehmen.
Leider gabs es aufgrund von Corona diverse Einschränkungen, weshalb Umsatzeinbussen in Kauf genommen werden mussten. Nichtsdestotrotz werden Livers weiterhin diesen Absatzkanal setzen oder gar ausbauen und der wertvollen OB-Milch die entsprechende Wertschätzung zugestehen


