Die Schweizer Zucker AG, die in Aarberg und Frauenfeld Zucker herstellt, hat früher mit Erdgas gearbeitet. Jetzt braucht sie Heizöl, und zwar grosse Mengen am Tag. Die Energiekosten haben sich vervielfacht. Diese an die Zuckerabnehmer zu überwälzen, ist nicht einfach.
Weil Erdgas europaweit knapp ist und die Schweiz über keine Speicher verfügt, hat der Bund die Inhaber von Zweistoffanlagen aufgefordert, diese von Gas auf Öl umzustellen. Das betraf auch die Schweizer Zucker AG. Diese hat in Aarberg zwar vor einigen Jahren in ein grösseres Holzheizkraftwerk investiert, das einen erheblichen Teil der Prozesswärme liefert. Auch in Frauenfeld ist ein Holzheizkraftwerk in Betrieb.
Nicht nur Wärme aus Holz
Als SP-Regierungsrat Christoph Ammann bei der Lancierung des Schweizer Ethanols diesen Sommer eine Rede hielt, sprach er nur vom Holzheizkraftwerk, so, als deckte dies die gesamte benötigte Prozesswärme. Die Nachfrage des «Schweizer Bauer» ergab dann, dass die Firma für rund die Hälfte der Wärme noch auf Erdgas oder Heizöl angewiesen ist. Nun teilt Kommunikationschef Raphael Wild auf Anfrage mit: «Während der Kampagne wird über 50% der Energie vom Holzkraftwerk bezogen.»
Eigentlich wäre Erdgas weniger klimaschädlich als Öl
Für den restlichen Teil der Prozesswärme wird jetzt statt Erdgas nun also im Prinzip Heizöl eingesetzt. Das ist schlechter fürs Klima als Erdgas, weswegen noch vor wenigen Jahren und ganz besonders in Deutschland Gas als fortschrittlicher Energieträger bejubelt worden war.
Darum habe einige lebensmittelverarbeitende Firmen in der Schweiz und in Europa auch die Zweistoffanlage rausgerissen und ganz auf Erdgas gesetzt, die Schweizer Zucker AG glücklicherweise nicht. Raphael Wild teilt aber mit, dass man je nach Preislage des zur Verfügung stehenden Energieträgers umstelle und dass man zusätzlich auch eigenes Biogas verwende.
100’000 Liter Heizöl pro Tag
Vom Heizöl braucht es nun raue Mengen. Laut Auskunft einer Gewährsperson braucht die Schweizer Zucker AG derzeit täglich rund 100'000 Liter Heizöl. Das sind vier bis fünf Tanklastwagen, die täglich vorfahren müssen. Wild sagt: «Je nach Gas- oder Ölverwendung braucht es mehrere Lastwagen pro Tag, was aber immer auch unterschiedlich ist und von Tag zu Tag abweichen kann.»
Energiekosten mal vier
Die Auskunftsperson sagt auch, dass die gesamten Energiekosten pro Jahr vor wenigen Jahren noch bei rund 10 Millionen Franken gelegen hätten. Jetzt würde fürs 2023 mit rund 40 Millionen Franken gerechnet. Das würde einer Vervierfachung entsprechen.
Raphael Wild von der Schweizer Zucker AG sagt: «Die genannten Zahlen können wir so nicht bestätigen, aber ungefähr die Grössenordnung. Richtig ist, dass die Energiekosten exorbitant gestiegen sind.» Die Kosten seien ausschliesslich auf die Erhöhung der Energiepreise auf dem Weltmarkt zurückzuführen. Am stärksten fielen dabei Gas und Strom ins Gewicht, so Wild.
Fabrik muss für den Zucker mehr bekommen
Für die Zuckerfabrik heisst das, dass sie die massiv gestiegenen Kosten den Zuckerkäufern überwälzen muss, wenn sie ihre Rentabilität halten will. Es ist aber zu hören, dass die Kunden sich sehr schwertun mit höheren Zuckerpreisen, weil ohnehin alles teurer wird, auch bei ihrer eigenen Produktion. Das betrifft ja vielfach die Industrie, rund 85% des Schweizer Zuckers wird von der schweizerischen Getränkeindustrie (z. B. Red Bull, Coca Cola, Rivella, Fenaco-Tochter Elmer Citro), von der schweizerischen Biskuitindustrie (z. B. Hug, Kambly,Migros-Tochter Midor), von der schweizerischen Schokoladeindustrie (z. B. Lindt&Sprüngli, Migros-Tochter Chocolat Frey AG, Nestlé-Tochter Caillers) und andern Grosskunden gekauft. Nur 15% des Zuckers werden im Detailhandel verkauft.
Wild erklärt dazu auf Anfrage: «Wie in anderen Wirtschaftszweigen, sind auch wir gezwungen die Kosten möglichst auf die Preise zu überwälzen. Dabei müssen wir aber immer auch die Marktrealitäten berücksichtigen.» Der letzte Satz weist darauf, dass sich die Schweizer Zucker AG in einem anspruchsvollen Marktumfeld befindet.
Will Coca-Cola für den Zucker nicht mehr bezahlen?
Zu hören ist, dass der Vertrag mit Coca-Cola Schweiz in den nächsten Monaten auslaufen wird und dass es dazu bislang keine Einigung gab, weil Coca-Cola Schweiz nicht entsprechend mehr bezahlen will. Diese Firma fällt ja gegenüber dem Detailhandel immer wieder mit sehr starker Preisdurchsetzungsanspruch auf, hat etwa vor ein paar Jahren bei gleichem Endpreis 10% weniger abgefüllt (4,5dl-Flasche statt 5dl-Flasche), worauf Coop ein eigenes Cola lanciert hat, das sich seither grosser Beliebtheit erfreut (in einer Zeitung stand einmal, jedes dritte verkaufte Cola im Coop sei nun eines der Eigenmarke).
Und Migros-Tochter Denner und Fenaco-Tochter Landi kickten wegen der Preisvorstellungen von Coca-Cola Schweiz und wohl wegen einem Schweiz-Zuschlag, den die Detailhändler für zu hoch hielten, das Coca-Cola aus der Schweiz aus dem Regal und ersetzten es durch ein Coca-Cola, das sie auf dem sogenannten Graumarkt in Osteuropa kauften und «parallel» in die Schweiz importierten. Raphael Wild von der Schweizer Zucker AG sagt dazu: «Zu Vereinbarungen mit unseren Kunden geben wir keine Auskunft.»
Probleme in der Logistik
Die Schweizer Zucker AG ist nicht zu beneiden für die Herausforderungen, denen sie sich gegenübersieht. Sie hatte in den letzten Wochen auch mit logistischen Problemen zu kämpfen, hier machten sich die schlechten Witterungsverhältnisse und auch krankheitsbedingte Ausfälle bei den Lokomotivführern im Bahntransport bemerkbar.
Im letzten Wochenbericht musste Logistikleiter Peter Imhof für einen Planungsfehler um Entschuldigung bitten. «Am Samstag musste wegen des vollen Lagersilos und den benötigten Leerwagen die Anfuhr auf der Strasse seitens der Fabrik kurzfristig unterbrochen werden. Dieser Entscheid führte bei unseren Partnern zu berechtigtem Unverständnis», hiess es.
Fachkräftemangel und Abzüge wegen tiefem Zuckergehalt
Gleichzeitig ist in der Fabrik der Fachkräftemangel ein Problem, auch das wird die Kosten fürs Personal erhöhen. Und die Zuckerbranche sucht neue Rübenpflanzer, muss jetzt aber wegen der gültigen Vereinbarungen Abzüge wegen des tiefen Zuckergehalts in der Westschweiz machen. Das demotiviert einige Pflanzer, sie fühlen sich dann beinahe um Geld betrogen. Die Branche hat jetzt im Dezember aber die Höhe der Abzüge reduziert, was ein bisschen Linderung verschafft. Die bakterielle Krankheit Syndrome Basse Richesse (SBR) breitet sich immer weiter nach Osten aus, die intensive Kultur der Zuckerrübe ist wegen des Absenkpfads für die Pflanzenschutzmittelrisiken ohnehin unter Druck.
Gleichzeitig sind der Bio-Suisse-Knospen-Zucker und der IP-Suisse-Käfer-Zucker in der Lebensmittelindustrie alles andere als Selbstläufer. Nicht alle Firmen haben eine Strategie wie Nestlé mit Caillers, wo die gut 40 Milchlieferanten für die Kondensmilch in der Marketingkommunikation hervorgestrichen werden und wo auch der Käfer von IP-Suisse auf die Verpackung kommt.
Es gibt auch Positives
Positiv ist, dass heuer die Viröse Vergilbung praktisch nicht aufgetreten ist, obwohl der letzte Winter ein warmer war. Und dass vor einem Jahr das Parlament beschlossen hat, den Einzelkulturbeitrag für die nächsten Jahre bei 2100 Fr. (statt 1800 Fr. vorher) anzusetzen. Hier besteht aber die Schwierigkeit, dass einige Pflanzer diese Zahlungen bei der inneren Rechnung der Rentabilität des Rübenanbaus nicht in vollem Umfang oder fast gar berücksichtigen. Für die Schweizer Zuckerbranche ist auch wichtig, dass weiterhin ein Mindestgrenzschutz auf importiertem Zucker besteht und dass aktuell die internationalen Zuckerpreise auch recht hoch sind.
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