Scharfe Kritik am Ergebnis der jüngst von der Kommission veröffentlichten Studie zum EU-Zuckermarkt haben der Verband Süddeutscher Zuckerrübenanbauer (VSZ) und die Wirtschaftliche Vereinigung Zucker (WVZ) geübt.
Die süddeutschen Rübenanbauer zeigten sich vergangene Woche «entsetzt», dass die Studie «so deutlich» an der Realität vorbeigehe und ausgerechnet zwei Stabilisierungsfaktoren preise, die in völligem Widerspruch zu einem fairen Wettbewerb zwischen allen EU-Zuckererzeugern stünden.
In der von der EU-Kommission veröffentlichten Untersuchung werden dem Sektor eine erfolgreiche Anpassung nach der Abschaffung der Zuckerquote 2017 und eine ausreichende Widerstandsfähigkeit
attestiert.
Krise sei nicht überstanden
Der VSZ wies demgegenüber darauf hin, dass es in elf Mitgliedstaaten gekoppelte Zahlungen für den Zuckerrübenanbau gebe. Außerdem erneuerte der Verband seine Kritik an den ungleichen Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln. Dies verzerre den Wettbewerb und widerspreche deshalb auch dem Grundgedanken der Gemeinsamen Marktordnung (GMO). Weil die in der GMO eigentlich vorgesehenen Instrumente zur Stabilisierung des Sektors nicht wirksam seien oder mangels Unterstützung der Kommission nicht angewendet werden könnten, hätten die wettbewerbsschwächsten Mitgliedstaaten zu Notfallrettungsmassnahmen gegriffen. Das verlagere die Anpassungsnotwendigkeiten auf
die wettbewerbsstärkeren, aber ungestützten Erzeugerländer und habe dort bereits zu Fabrikschliessungen geführt.
Dieser «Widersinn» muss dem VSZ zufolge als sicheres Zeichen dafür interpretiert werden, dass die Krise im EU-Zuckersektor nicht überstanden ist, sondern vielmehr ein fortgesetztes Siechtum mit schweren ökonomischen Schäden für die Rübenanbauer und die Zuckerunternehmen zu erwarten ist, wenn nicht endlich faire Wettbewerbsbedingungen hergestellt werden.
Zuckerwirtschaft «verbrennt» Finanzreserven
Die Wirtschaftliche Vereinigung Zucker in Berlin schloss sich am vergangenen Freitag der Einschätzung des VSZ an. WVZ-Hauptgeschäftsführer Günter Tissen betonte, dass die Studie erhebliche Schwächen aufweise und der tatsächlichen Situation des Sektors nicht gerecht werde. Allein die gewählten Bewertungsmassstäbe seien nicht nachvollziehbar.
Die Widerstandsfähigkeit der Zuckerwirtschaft rückblickend und statisch anhand der Aufrechterhaltung des Zuckerangebotes in der EU zu bewerten, sei nicht sinnvoll. Zudem gingen die Verfasser fälschlicherweise davon aus, der Zuckersektor hätte die Marktneuregelung bereits ohne Krise überstanden.
Die vermeintliche Widerstandsfähigkeit der deutschen Zuckerwirtschaft beruhe indes vor allem auf dem «Verbrennen» finanzieller Reserven sowohl bei den Zuckerunternehmen als auch bei den Rübenanbauern, stellte Tissen klar.
Effizienteste Standorte auch nachhaltiger
Der WVZ-Hauptgeschäftsführer betonte, ein «unverfälschter» Wettbewerb in der EU würde zu einer effizienteren Ressourcenverwendung, grösserer Wettbewerbsfähigkeit und verbesserter Nachhaltigkeit führen. «Das Ziel der Zuckermarktreform war es, die effizientesten Standorte für Anbau und Zuckergewinnung zu stärken. Stattdessen werden nicht-wettbewerbsfähige Standorte durch Beihilfen am Leben gehalten», beklagte Tissen.
Seit Jahren habe die Branche in Berlin und Brüssel auf die Wettbewerbsnachteile für die deutsche Zuckerwirtschaft hingewiesen. «In der Einschätzung der bedrohlichen Situation war man sich schnell
einig. Seit Jahren passiert aber nichts, um das Problemzu lösen», monierte der WVZ-Hauptgeschäftsführer.
Nun blicke die Branche mit Hoffnung auf das Treffen von EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski mit Vertretern von Wirtschaftsverbänden und der Mitgliedstaaten in dieser Woche.
Niedrige Raffinationsmargen
Die Beratungsunternehmen Areté in Bologna und Agra CEAS Consulting in Brüssel hatten imAuftrag der EU-Kommission die Studie angefertigt. Ihrer Einschätzung nach ist die rückläufige Wirtschaftlichkeit von Zuckerfabriken in der Gemeinschaft nach Abschaffung der Zuckerquote in der Saison 2017/18 hauptsächlich
auf die geringere Verfügbarkeit von Rohrohrzucker für die Raffination und auf niedrigere Raffinationsmargen zurückzuführen.
Dafür ausschlaggebend sei der Anstieg der internationalen Rohzuckerpreise gewesen, während die Weisszuckerpreise in der EU nachgegeben hätten. Die EU-Handelspolitik hatte den Studienautoren zufolge keine nennenswerten Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Zucker auf dem Binnenmarkt.