Bereits heute gehen trotz Pflanzenschutzmitteln und spezialisierten Züchtungen weltweit bis zu 40 Prozent der Nahrungsmittelpflanzen durch Schädlinge und Krankheitserreger verloren. Das hat die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO ermittelt.
Braucht Alternativen
Die Lage dürfte sich weiter verschärfen. «In den nächsten zehn Jahren wird ein Grossteil der heutigen Pflanzenschutzmittel nicht mehr nutzbar sein», sagt Cyril Zipfel, Professor und Leiter des Labors für molekulare und zelluläre Pflanzenphysiologie an der Universität Zürich.
Denn einerseits werden immer mehr Pestizide verboten oder ihr Einsatz strenger reguliert. Andererseits entwickeln sich bei den Krankheitserregern, gegen die die Mittel schützen sollten, zunehmend Resistenzen. Spitze wirkt nicht mehr. «Darum brauchen wir dringend Alternativen, und zwar am besten solche, die die Natur nicht belasten», sagt Zipfel.
Signalisierungspeptide
Bei Untersuchungen dazu, wie Pflanzen auf Stress reagieren, stiessen UZH-Forscherinnen und Forscher auf sogenannte Signalisierungspeptide. Das Immunsystem von Pflanzen produziert diese Moleküle als Reaktion auf Krankheitserreger wie Bakterien oder Pilze, oder auch auf Stress durch Hitze und Trockenheit. Mit der Forschung fanden die Forschenden heraus, dass diese Moleküle viel zahlreicher und vielfältiger sind als zuvor angenommen.
«Inzwischen wissen wir, dass die Signalisierungspeptide jeden Aspekt des Pflanzenlebens regulieren: von der Samenentwicklung über die Keimung, das Wachstum und die Fortpflanzung bis zu den Reaktionen auf die Umwelt», sagt Zipfel. Die Peptide bilden laut der UZH eine Auswahl an möglichen Schaltern, über die sich Pflanzen steuern lassen. So könnte man sie ohne Pestizide resistenter gegen Krankheiten und Schädlinge machen. «Dazu müssen wir die Signalisierungspeptide aber erst einmal besser verstehen lernen», so Zipfel weiter.
Auf Nutzpflanzen konzentrieren
Die Forschenden dokumentieren nun die Vielfalt der Signalisierungspeptide und untersuchen, wie sie in den Pflanzen wirken. Dafür haben sie das Erbgut von mehreren Hundert Pflanzen ausgewählt, die einen Querschnitt durch den Stammbaum aller Pflanzenfamilien bilden, von Moosen über Blütenpflanzen zu Getreide- und anderen Nutzpflanzen.
Das Team will nun noch mehr von typischen Labormodellpflanzen wie der Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana) wegkommen und sich auf Nutzpflanzen konzentrieren. Bereits laufen Projekte zu Kartoffel, Tomate und Gerste. Die Forscher wollen nun herausfinden, wie sich die Peptide in der landwirtschaftlichen Praxis einsetzen lassen. «Dazu braucht es eine enge Zusammenarbeit mit Chemikern und Agronomen. Besonders spannend wird es, wenn wir für verschiedene Nutzpflanzen jene Peptidfamilien inklusive deren Wirkung kennen, die an der Stressreaktion beteiligt sind», sagt Zipfel. Genau diese könnten Pflanzen gegen allerlei Gefahren widerstandsfähiger machen – ein natürlicher Ersatz für Pestizide.