Bei der mit dem Referendum bekämpften Reform der Berufsvorsorge war das zentrale Ziel - die Besserstellung tieferer Einkommen - stark umstritten, wie das Forschungsinstitut gfs.bern in seiner am Freitag veröffentlichten Vox-Analyse der Nachwahlbefragung schreibt.
Vorlage kompliziert
Eine Mehrheit von 67 Prozent fand den Vorschlag nicht überzeugend. Neben der Besserstellung Geringverdienender bezweckte er die Sicherung der langfristigen Finanzierung der Berufsvorsorge. Zwar waren fast alle für eine Besserstellung geringerer Einkommen, hielten aber eine Kürzung der BVG-Renten in der Inflation für nicht verkraftbar.
Auch Personen mit sehr hohem Vertrauen in den Bundesrat lehnten die Reform knapp ab. Ausserdem polarisierte die Aussage der Gegnerschaft am stärksten, dass mit der Reform für weniger Rente mehr bezahlt werden müsste. Zudem galt die Vorlage als kompliziert.
Ablehnung ausser bei der FDP
Das Nein kam ziemlich geschlossen aus dem linken Lager, aber auch fast zwei Drittel von SVP- und Mitte-Sympathisierenden stimmten gegen die Parole der eigenen Partei. Auf der Seite des befürwortenden bürgerlichen Parteienspektrums gab es nur wenige Teile, die mehrheitlich Ja stimmten.
Dazu gehörten FDP-Anhängerinnen und Anhänger, die den Pensionskassen und Wirtschaftsverbänden vertrauen. Für sie zielte die Reform in Richtung mehr Gerechtigkeit und Solidarität für Menschen mit tieferem Einkommen. Sie fanden es ebenfalls nötig, die finanziellen Grundlagen der Pensionskassen zu sichern.
Wohlstand kontra Ökologie
Für das Nein zur Initiative «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft (Biodiversitätsinitiative)» ausschlaggebend war gemäss der Vox-Analyse, dass die Initianten nicht genügend Problemdruck geltend machen konnten. Die Entscheidung war stark von der politischen sowie umwelt- und agrarpolitischen Orientierung abhängig.
Wer Wohlstand stärker gewichtet als Umweltschutz und nachhaltigen Ertrag vor Ökologie, lehnte die Initiative deutlich ab. Dabei spielte auch die Vertrauensfrage mit: Wer Umweltverbänden traut, stimmte ja; wer wiederum den Bauern vertraute, stimmte nein.
Wesentlich für die 63 Prozent Nein war die überwiegende Ablehnung rechts der Mitte. Die Mitte-Anhängerschaft lehnte das Volksbegehren mit 78 Prozent ab, und die grünliberale Basis folgte der Ja-Parole der GLP nur zur Hälfte. Die Mitte-Rechts verorteten Gegner waren überzeugt, für die Biodiversität werde genug getan - und dass der Druck auf die Landwirtschaft bei einer Annahme zu gross würde.
BVG-Reform wichtiger
Die Stimmbeteiligung am 22. September war mit 45 Prozent im langjährigen Vergleich durchschnittlich. Stimmende von den politischen Polen nahmen stärker teil als Menschen der Mitte.
Die BVG-Reform schätzen die Stimmberechtigten als leicht wichtiger ein als die Biodiversitätsinitiative. Das Forschungsinstitut befragte nach der Abstimmung 3360 zufällig ausgewählte Stimmberechtigte. Finanziert hat die Umfrage die Bundeskanzlei.