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Zwei Fliegen auf einen Streich

Ohne Maden – so sollen Kirschen sein. Spritzmittel bieten zwar Schutz, können aber zu Rückständen führen. Eine neue Methode: Man schützt die Früchte mit einem Netz vor Kirschenfliege und Kirschessigfliege. Testresultate sind vielversprechend.

Michael Wahl, lid |

 

 

Ohne Maden – so sollen Kirschen sein. Spritzmittel bieten zwar Schutz, können aber zu Rückständen führen. Eine neue Methode: Man schützt die Früchte mit einem Netz vor Kirschenfliege und Kirschessigfliege. Testresultate sind vielversprechend.

Im Herbst 1998 sorgte das US-amerikanische Künstlerehepaar Christo und Jeanne-Claude für grosses Aufsehen. Und zwar mit 178 Bäumen, welche sie nahe der Fondation Beyeler in Riehen BS in 55'000 Quadratmeter Polyestergewebe eingepackt hatten. Verhüllte Bäume nannte sich die Aktion.

Madenfreie Kirschen produzieren

Verhüllte Bäume stehen derzeit auch auf dem Breitenhof in Wintersingen BL, nicht als Kunstobjekte, sondern im Dienste der Wissenschaft. Obstbauexperten der Forschungsanstalt Agroscope suchen nach einer Antwort auf die Frage, wie sich mit einem möglichst geringen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln madenfreie Kirschen produzieren lassen. Im Fokus steht einer der ärgsten Schädlinge im Kirschenanbau – die Kirschenfliege.

Das 2 bis 5 mm kleine Insekt legt seine Eier mit Hilfe eines Stachels direkt unter die Haut der halbreifen Kirschen. Daraus schlüpfen Maden, die sich einen Gang bis zum Stein durchfressen und dafür sorgen, dass sich das Fruchtfleisch in eine breiige, unappetitliche Masse verwandelt. Beim Konsumenten kommen solche Früchte nicht an. Der Handel toleriert deshalb maximal zwei Prozent befallene Kirschen.

Fliegen aussperren

Um madenfreie Früchte zu garantieren, werden im konventionellen Anbau standardmässig Insektizide eingesetzt. Damit bleiben Kirschen zwar frei von Maden, allerdings besteht die Gefahr von Rückständen (siehe Kasten). Und diese sind ebenso unerwünscht wie Maden. Hier kommen die verhüllten Bäume ins Spiel. Das Prinzip ist einfach: Mittels eines Netzes werden die Kirschenfliegen ausgesperrt. Dazu muss eine Obstanlage rundum eingepackt werden, Fachleute reden von einer "Totaleinnetzung".

Weil moderne Kirschenanlagen in der Regel ohnehin überdacht sind, ist die Infrastruktur für das Anbringen von Insektenschutznetzen bereits vorhanden, der Mehraufwand hält sich in Grenzen. Die Forschungsanstalt Agroscope testet diese Methode seit nunmehr drei Jahren auf ihrem Versuchsbetrieb.

Gänzlicher Verzicht auf Pflanzenschutzmittel nicht möglich

Die bisherigen Resultate sind positiv: So haben sich Netze mit einer Maschenweite von 1,3 mm bei korrekter Anwendung als gleich wirksam gegen die Kirschenfliege erwiesen wie ein chemischer Pflanzenschutz, erklärt Stefan Kuske von der Forschungsanstalt Agroscope. Ein gänzlicher Verzicht auf Pflanzenschutzmittel sei aber nicht möglich, deren Einsatz könne aber reduziert werden. Entscheidend sei, dass das Netz vor Flugbeginn angebracht werde und die Anlagen frei von Kirschenfliegen seien.

Agroscope testet zudem, ob Netze auch gegen Kirschessigfliegen wirken, einem neuen Schädling. Im Sommer 2011 erstmals im Tessin nachgewiesen, sind sie heute in der ganzen Schweiz verbreitet. Kirschen blieben bislang aber weitgehend verschont. "2014 ist das erste Jahr, in dem die Kirschessigfliege wirtschaftliche Schäden angerichtet hat", erklärt Kuske. Die Befallssituation sei von Region zu Region und von Betrieb zu Betrieb sehr unterschiedlich. Seit dieser Saison laufe die Kirschessigfliege der Kirschenfliege den Rang als ärgster Schädling ab, so Kuske.

Kirschessigfliege richtet teils grosse Schäden an

Eine etablierte und erprobte Bekämpfungsstrategie gegen die Kirschessigfliege existiert bislang noch nicht. Obstbauern können zwar einzelne herkömmliche Spritzmittel einsetzen, ob diese auch gegen den neuen Schädling wirksam sind, weiss man derzeit wegen mangelnder Erfahrung aber noch nicht genau. Was die Bekämpfung der Kirschessigfliege besonders schwierig macht: Sie legt ihre Eier – anders als die Kirschenfliege – nicht in halbreife, sondern bevorzugt in fast reife Früchte wenige Tage vor der Ernte. Spritzmittel dürfen dann wegen der Gefahr von Rückständen oft nicht mehr eingesetzt werden.

 

Standard-Spritzmittel ist unter Druck

Im Kirschenanbau werden über 40 Jahre lang Spritzmittel mit dem Wirkstoff Dimethoat standardmässig eingesetzt. Das Nervengift lähmt die Kirschenfliegen und führt letztlich zu deren Tod. Weil Dimethoat auch auf Menschen toxisch wirken kann, darf ein bestimmter Höchstwert in den Früchten nicht überschritten werden. 2010 hat das Bundesamt für Gesundheit diesen Wert aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse um den Faktor sieben gesenkt. Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) hat daraufhin Dimethoat-haltige Spritzmittel im Kirschenanbau verboten. Weil aber Alternativ-Spritzmittel noch nicht ausreichend erprobt sind in der Praxis, erlaubt das BLW vorübergehend den Einsatz von Dimethoat.

Allerdings wurden die Auflagen verschärft: So darf das Insektizid lediglich bis vier Wochen vor der Ernte ausgebracht werden (früher drei Wochen), zudem wurde die Maximaldosierung reduziert. Neue Standard-Spritzmittel, welche Dimethoat ablösen können, sind vorhanden und laut Agroscope sind sie auch wirksam. Allerdings müssen sie zweimal ausgebracht werden statt nur einmal wie beim Dimethoat, wodurch Arbeitsaufwand und Kosten steigen.

 

Nützt auch gegen Kirschessigfliege

Wie die Tests von Agroscope zeigen, erweisen sich Netze auch bei der Kirschessigfliege als wirksam. So wies im letzten Jahr eine Obstanlage ohne Netz massiven Befall auf, während die eingenetzten Kirschenbäume unangetastet blieben. "Die Totaleinnetzung gegen Kirschenfliegen scheint auch eine vielversprechende und wirksame Strategie zum Ausschluss der Kirschessigfliege zu sein", so Kuske. Weitere Tests seien allerdings notwendig, insbesondere wegen der Maschenweite. Denn um die Kirschessigfliege auszusperren, ist ein engmaschigeres Netz nötig als bei der grösseren Kirschenfliege.

Das Problem: Je feiner das Netz, desto grösser sind die Auswirkungen auf das Mikroklima in der Obstanlage. Nehmen Temperatur und Luftfeuchtigkeit zu, werden Pilzkrankheiten wahrscheinlicher. Zudem erhöht sich aufgrund des grösseren Luftwiederstandes auch die Anfälligkeit gegenüber starken Windböen. Dadurch treten witterungsbedingte Schäden häufiger auf.

Bio-Landbau setzt auf Netze

Während das Totaleinnetzen von Obstanlagen im konventionellen Anbau noch in der Erprobungsphase ist, hat man im Biolandbau bereits langjährige Erfahrung damit. Der Grund dafür: Bio-Bauern dürfen keine synthetischen Spritzmittel einsetzen gegen die Kirschenfliegen. Der Druck, alternative Bekämpfungsstrategien zu finden, ist deshalb im Bio-Landbau umso grösser.

Seit über zehn Jahren testet das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) die Totaleinnetzung auf seinen Versuchsanlagen in Frick AG. "Richtig angewendet, bietet diese Methode einen 100-prozentigen Schutz vor den Kirschenfliegen", sagt Franco Weibel, Fachgruppenleiter Pflanzenbau am FiBL. Richtig angewendet heisst: Die Obstanlagen müssen im Innern frei sein von Kirschenfliegen und das Netz muss vor Flugbeginn angebracht werden. Zwar werde das Mikroklima in den Obstanlagen durch die Netze beeinflusst, die Vorteile würden aber überwiegen, so Weibel. So würden beispielsweise auch Vögel ausgesperrt und könnten keine Kirschen fressen.

 

Gesucht: Schweizer Bio-Kirschen

Kirschen haben derzeit Hochsaison, in den Grossverteilern sind sie allgegenwärtig. Bio-Kirschen hingegen findet man fast keine. Grund: Während konventionell wirtschaftende Obstbauern synthetische Spritzmittel gegen die Kirschenfliege einsetzen dürfen, haben die Biobauern keine vergleichbar wirksamen Mittel zu Hand. Die Forderung des Detailhandels nach madenfreien Kirschen lässt sich damit kaum erfüllen. Deshalb haben Grossverteiler fast keine Bio-Kirschen im Angebot.

Dabei wäre die Nachfrage vorhanden. Laut Bio Suisse liessen sich 100 bis 200 Tonnen absetzen, vorhanden sind lediglich rund 10 Tonnen. Die Totaleinnetzung von Obstanlagen könnte in Zukunft für mehr Bio-Tafelkirschen sorgen. Laut dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) garantiert diese Methode madenfreie Früchte. Die Anbaufläche hat sich mit aktuell 13 Hektaren in den letzten Jahren verdoppelt. Weiterhin bestehen bleibt das Problem der Kirschenfliegen-Bekämpfung bei den Hochstammbäumen. Eine Totaleinnetzung ist hier nicht praktikabel.

 

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