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Zwischen Saatgut und Pestiziden

Der Verkauf von Pflanzenschutzmitteln in Tansania verläuft anders als in der Schweiz. Die Mittel werden mitten in der Hafenstadt Dar Es Salaam verkauft. Ein Streifzug durch Kariakoo, den grössten, bekanntesten und wichtigsten Markt in Tansania.

 

 

Der Verkauf von Pflanzenschutzmitteln in Tansania verläuft anders als in der Schweiz. Die Mittel werden mitten in der Hafenstadt Dar Es Salaam verkauft. Ein Streifzug durch Kariakoo, den grössten, bekanntesten und wichtigsten Markt in Tansania.

Ordentlich

eingereiht stehen die bunt etikettierten Plastikdosen aufgestapelt an der

Rückseite des kleinen Ladens im Innern des dreistöckigen Marktgebäudes. Wie

Soldaten stehen die Büchsen mit den Aufschriften Weed-Oh, Superround, Rondo,

Duduwill, Twigathalonil und Kung-Fu in Reih und Glied. Daneben stapeln sich

auch vom Boden bis an die Decke bunte Metalldosen. Darin sind Tomaten-,

Zucchetti-, Zwiebel-, Karotten- und Gurkensamen.


Die heisse, feuchte von Abgasen

geschwängerte Luft wabert durch die schmalen Gänge zwischen den verschiedenen

Shops. Es ist staubig, und der grosse Andrang ist vorbei. Einige Verkäuferinnen

plaudern und lachen. Einige können noch etwas verkaufen, während wieder andere

an ihrem Smartphone kleben, essen, ihren Shop organisieren und die Löcher in

den Büchsenreihen wieder stopfen.

Verkaufsschlager: Dünger und Herbizide

Flora, eine 25-jährige

Verkäuferin, und ihre etwas ältere Kollegin Khadija sitzen in ihrem Geschäft

und blicken etwas gelangweilt durch das von Feldspritzen, Gummistiefeln und

anderem Kleingerät umrahmte Fenster ihres Ladens. Wir sind in Kariakoo, dem

grössten und wichtigsten Markt von Dar Es Salaam. Vor Flora und Khadija liegen

ein paar Beutel Mais und Bohnen. Das wird ausgesät, sobald es die Kunden kaufen

und mitnehmen.

"Im Moment verkaufen wir vor

allem Herbizide und Dünger", sagt Flora. Es handelt sich dabei nicht um

irgendein Herbizid, sondern um Glyphosat. Ein bekanntes wie umstrittenes

Totalherbizid, das alle Pflanzen dahinrafft, ausser jene, die genetisch

modifiziert sind und dem Glyphosat standhalten können - wie das berühmte

Round-up-Ready-Soja - aber das ist eine etwas andere Geschichte.

"Die

Kunden kaufen viel Glyphosat, um ihre Felder für die nächste Saat

vorzubereiten", erklärt Flora. Glyphosat ist für die Bauern der einfachste

Weg, das Feld vom Unkraut zu befreien. Nur kostet es etwas: 23'000 bis 25'000

Tansanische Schilling pro Kilo (10-12 CHF). Neben Herbiziden verkaufen Flora

und Khadija auch Insektizide, Pilzgifte und Dünger.

Ohne Pestizide wird die Ernte geschmälert

"Wir haben so viele Produkte

im Sortiment, um unseren Bauern bestmöglichen Service zu bieten" erklärt

Flora. Gerade in Tansania ist das wichtig. Fehlen nämlich Pestizide, gibt es

Probleme auf dem Feld: "Im vergangenen Jahr hat ein Mangel an Insektiziden

ein Problem mit Weissfliegen verursacht", sagt etwa ein älterer Mann

später an der Theke eines grösseren Zwischenhändlers. Was dann passiert, ist

offensichtlich: Die Ernte wird geschmälert, die Kleinbauern laufen Gefahr,

nicht genug zum Essen zu haben, die Preise auf den lokalen Märkten beginnen zu

steigen und der Hunger kommt vielleicht für etwas länger zu Besuch, als einem

das als Kleinbauernfamilie lieb sein könnte.

Während die meisten

Pestizid-Verkäufer in der Schweiz über ziemlich solide Aus- und Weiterbildungen

verfügen, ist das in Tansania anders. Zwar braucht es Sachkenntnisse, um die

Bauern richtig beraten zu können. Aber diese werden nicht in der Schule,

sondern direkt hinter der Ladentheke vermittelt. "Ich arbeitete als

Buchhalter, bevor ich hier anfing.", sagt der ältere Mann hinter der

hölzernen Theke. Eingestellt wurde er, weil er die Buchhaltung in Ordnung

bringen sollte. "Aber irgendwie bin ich immer wieder auch hinter der Theke

gestanden. Nach und nach lernte ich, auf was man beim Verkauf der Mittel achten

muss. Heute weiss ich, welche Pestizide und Dünger ein Landwirt einsetzen

muss", meint er.

Flora

verbrachte die ersten zwei Jahre in einem Unternehmen in Mbeya. Mbeya liegt im

Südwesten Tansanias. Bevor Flora nach Dar Es Salaam zog und in Kariakoo

arbeitete, lernte sie dort den Umgang mit und den Verkauf von Pestiziden von

Grund auf.

Doch selbst als sie in Kariakoo

ankam, war sie noch lange nicht selbstständig. "Die ersten acht Jahre habe

ich hier bei einem anderen Geschäftsmann gearbeitet", erklärt sie. Sie

musste lernen, wie man sich auf Kariakoo durchschlagen kann, welche Partner

vorhanden sind und wie man das Geschäft mit den Pestiziden und Samen auch

erfolgreich betreibt.

Vom Schulabbruch zur Selbständigkeit

Seit zwei Jahren nun ist Flora

ihre eigene Chefin. Dass sie Landwirtschaft mag, macht ihr die Arbeit etwas

leichter. Und durch die Ausbildung wisse sie nun, wann welches Produkt

eingesetzt werden sollte. Flora meint dabei nicht die formelle Ausbildung mit

Lehre oder Studium, wie das in der Schweiz üblich ist. Die junge Frau hat die

Schule nach der siebten Klasse abgebrochen. Während ihren Lehr- und Wanderjahren

hat sie verschiedene Weiterbildungen besucht. Schritt für Schritt hat sie

gelernt, was wann zu tun ist. Und sie hat gelernt, wie sie echte von

gefälschten Pestiziden unterscheiden kann. Manchmal komme es vor, das ein

nicht-zugelassenes oder ein gefälschtes Pestizid auf den Markt kommt, sagt

Flora.

Auch die Beamten beim TPRI wissen das. TPRI steht für Tropical

Pesticides Research Institute. Das öffentlich-rechtliche Institut betreibt

nicht nur Pestizid-Forschung, sondern ist auch für die Zulassung neuer

Pflanzenschutzmittel verantwortlich. Und das TPRI ist die wichtigste

Ausbildungsstätte für Verkäuferinnen wie Flora. Dort werden sie geschult, um

Fake-Pestizide zu erkennen. Ihnen wird gezeigt, dass für den Pestizid-Einsatz

Schutzkleider zu empfehlen sind. Sie werden darauf hingewiesen, welche Produkte

wo, wann und wie am besten wirken.

Ob der Pestizideinsatz sinnvoll

ist oder nicht - über diese Grundsatzfrage verliert Flora kaum ein Wort. Die

Bauern müssten ihre Ernte sichern, sagt sie. Der Einsatz von

Pflanzenschutzmitteln erscheint da zu einem guten Teil als alternativlos. Das

Geschäft machen dabei vor allem Syngenta, Monsanto und andere Firmen. Zwar sind

diese Firmen auch in den Shops von Kariakoo präsent. Doch von einem Monopol zu

sprechen, wäre falsch. Es gibt auch tansanische Firmen, die Saatgut und

Pflanzenschutzmittel herstellen. Und es sind viele Bauern, die ihr Saatgut

selbst vermehren.

Mais, Karotten- und Wassermelonensamen

Neben den Pestiziden verkauft

Flora Samen. "Die meisten von ihnen kaufe ich direkt von verschiedenen

Zwischenhändlern, die jeden Tag vorbei kommen", sagt sie. Beides - der

Verkauf von Saatgut und von Pflanzenschutzmitteln - ist ein saisonales

Geschäft. "Jetzt verkaufe ich mehr Mais", sagt Flora. Die kleine

Regenzeit sorgt dafür, dass genug Wasser vorhanden ist. Wenn die Trockenzeit

kommt, verkauft Flora mehr Karotten- und Wassermelonensamen. "Die brauchen

weniger Wasser", kommentiert sie.

Ein Zwischenhändler kommt dazu.

Er kauft drei Kartons mit je sechs Dosen Chemie. Jede der Dosen wird er im

Landesinnern einzeln verkaufen. In Dar Es Salaam selbst, sagt Flora, kämen die

meisten Kunden aus Kigamboni. Dort werden nämlich Wassermelonen, Occra,

Tomaten, Chinakohl und Mangold angebaut.

Dass

heute in Kariakoo Pestizide und Dünger verkauft werden, ist dem Zufall zu verdanken.

Denn eigentlich wurde der Markt am 8. Dezember 1975 nach der fünfjährigen

Bauphase für etwas Anderes eröffnet: nämlich für den Verkauf von Gemüse,

Früchten, Kleidern, und allen erdenklichen Produkten für den täglichen Bedarf.

Auch zehn Jahre nach der

Eröffnung schien noch alles in geordneten Bahnen zu verlaufen. Der damalige

Präsident der Marktgenossenschaft schrieb nämlich in der Jubiläumsschrift:

"Kariakoo ist das Landwirtschaftsgrundstück für die Stadtbewohner."

Man finde dort alles, was die Landwirtschaft anbieten könne: Gemüse, Obst,

Setzlinge. "Selbst zehn Jahre nach der Eröffnung steht der Markt und seine

Händler immer noch im Einklang mit der ersten Vision."

Wo Bauern und Stadtbewohner gemeinsam feilschen

Diese Vision lautete: Kariakoo

soll der bedeutendste Markt in der Stadt werden. Ein Ort, an dem Tomaten,

Zwiebeln, Occra, Kartoffeln und die verschiedenen Gewürze gehandelt werden

können. Ein Ort, an dem Stadtbewohner und Bauern gemeinsam um den richtigen

Preis feilschen und Lebensmittel gegen Geld tauschen.

Dieser Handel findet heute

ausserhalb der grossen Markthalle statt. Im Innern des Gebäudes stapeln sich

Gummistiefel, Rückenspritzen, Pestizide, Dünger, Hacken, Töpfe, Pfannen und

allerlei Gerät.

Hetson Msalale Kipsi ist heute

für Kariakoo zuständig. In seinem Büro mit dem grossen Besprechungstisch

stapeln sich auf den Regalen die Akten, auf dem Pult steht ein Laptop.

"Seit Dar Es Salaam wächst, hat sich der Wettbewerb verändert", sagt

er.

Die Menschen haben selbstständig

neue Geschäftsfelder erschlossen. Statt nur landwirtschaftliche Produkte zu

verkaufen, begannen die Geschäftsleute mit dem Handel von Kleidern, Töpfen und

- eben - den Pestiziden.

Dass Kariakoo die in der Stadt

wichtigste Drehscheibe für Pestizide und Dünger geworden ist, liegt auch an der

Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Bauern, die vor der Markthalle ihre Gemüse

und Früchte verkaufen. "Die Bauern kommen in die Stadt, verkaufen ihre

Gemüse und Früchte - entweder direkt an die Konsumenten oder an

Zwischenhändler. Mit dem Geld decken sie dann gleich noch ihren Bedarf für

Dünger, Pflanzenschutzmittel und Geräte", erklärt Msalale Kipsi. Flora und

ihre Kollegen können und wollen diese Nachfrage bedienen.

 

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