Produzenten von Hochstamm-Mostobst ärgern sich über ihre Kollegen, die Tafelobst in Anlagen produzieren. Denn diese ernten jedes Jahr mehr Früchte, als sie im Detailhandel absetzen können. An die Verwertung der Überschüsse müssen aber beide zahlen.
Für Produzenten von Hochstamm-Mostobst könnte die Welt in Ordnung sein: Hochstämmer sind Sympathieträger, der Feuerbrand trat in diesem Jahr kaum auf und die Bestände haben sich – nach Jahren des Niedergangs – stabilisiert. Zudem sind Äpfel von Hochstämmern gefragt. Denn auf ihnen gedeihen die idealen Mostfrüchte: meist ältere Sorten mit viel Saft und einem günstigen Säure-/Zuckerverhältnis.
Die Freude hält sich dennoch in Grenzen: Denn die Produzenten von Hochstamm-Mostobst müssen mithelfen, den Abbau von Überschüssen zu finanzieren, die auf das Konto von Tafelkernobst-Produzenten gehen (siehe Kasten). Diese produzieren in ihren Niederstamm-Anlagen seit Jahren mehr Früchte, als der Detailhandel verkaufen kann. In den letzten Jahren mussten deshalb jeweils rund 30 Prozent der Ernte, circa 45‘000 Tonnen Tafeläpfel, als Mostobst verarbeitet werden.
Opfer des eigenen Erfolgs
Die Apfelbranche leidet an strukturellen Überkapazitäten: So produzieren Obstbauern in ihren Niederstammanlagen Jahr für Jahr zu viele Tafeläpfel. Dabei haben sie nicht etwa die Anbaufläche ausgebaut. Im Gegenteil: Diese wurde in den letzten Jahren gar reduziert, von 5‘100 Hektaren in der Mitte der 1990er Jahre auf 4‘138 Hektaren im 2012. Grund für die Überproduktion ist die zunehmende Professionalisierung der Obstbranche: Heute schützen Netze die Früchte vor Hagel, effizientere Pflanzenschutzmittel wehren Schädlinge ab und dank Fortschritten in der Zucht tragen die Bäume mehr Äpfel. Um Angebot und Nachfrage in Einklang zu bringen, müsste laut dem Schweizer Obstverband die Anbaufläche um 10 Prozent (400 Hektaren) reduziert werden. mw
Damit fallen beim Mostobst Überschüsse an. Diese werden zu Konzentrat verarbeitet und ins Ausland exportiert. 7‘288 Tonnen Apfelsaftkonzentrat (entspricht 54‘500 Tonnen Äpfel) wurden so im letzten Jahr exportiert. Dank diesen Ausfuhren brachen die Preise im Inland nicht zusammen.
Weil aber der Bund seit 2010 nichts mehr an solche Aktionen zahlt, müssen die Produzenten selber dafür aufkommen und einen Abzug – den sogenannten Rückbehalt – in Kauf nehmen. In den gemeinsamen Topf zur Finanzierung der Konzentrat-Exporte zahlen Hochstammobst-Produzenten wie auch Tafelkernobst-Produzenten ein, Letztere etwas mehr.
Produzenten von Hochstamm-Mostobst sind enttäuscht
Dass sie für die Verwertung der Überschüsse aus Niederstammkulturen zahlen müssen, stösst den Produzenten mit Hochstämmern zunehmend sauer auf. Laut Simon Gisler, Geschäftsführer der Hochstamm Seetal AG, seien Mostäpfel von Hochstammbäumen gefragt. Gisler stellt das Rückbehaltssystem zwar nicht grundsätzlich in Frage. Doch die Solidarität habe Grenzen.
Gisler: "Tafelobst-Produzenten sollen in erster Linie selbst die Verwertung ihrer überschüssigen Früchte berappen.” Gisler hat deshalb, unterstützt von Hochstamm Suisse, beim Produktzentrum Mostobst des Schweizer Obstverbandes (SOV) einen Antrag gestellt, Tafelkernobst-Produzenten stärker an der Finanzierung ihrer Überschüsse zu beteiligen. Ohne Erfolg.
Mehr noch: Das Produktzentrum, bei dem Verarbeiter und Produzenten paritätisch Einsitz haben, hat anfangs Juli das Verhältnis gar zu Ungunsten der Hochstamm-Produzenten festgelegt: Zahlt ein Hochstamm-Produzent einen Franken in das Export-Kässeli, muss ein Tafeläpfel-Produzent zwei Franken zahlen. Im letzten Jahr betrug das Verhältnis eins zu drei. Gisler ist enttäuscht: "Mit diesem Rückbehaltsentscheid werden falsche Anreize aufrechterhalten."
Mostapfel ist nicht gleich Mostapfel
Unterschieden wird zwischen gewöhnlichen Mostäpfeln und Spezial-Mostäpfeln. Bei Ersteren handelt es sich vorwiegend um in Anlagen produzierte Tafeläpfel, die etwa den Qualitätsnormen für Tafelobst nicht entsprechen oder überschüssig sind und deshalb zu Saft verarbeitet werden. Spezialmostäpfel hingegen stammen meistens von Hochstammbäumen. Spezialmostäpfel enthalten viel Saft und weisen ein anderes Säure-Zucker-Verhältnis auf als Tafeläpfel. Apfelsaft aus Spezialmostäpfeln ist kräftig, derjenige auf Tafeläpfeln süsslich-mild. Für die Apfelsaftproduktion brauche es beide Apfeltypen, erklären die Mostereien. Die Mischung sei entscheidend. Für Spezialmostäpfel zahlen die Verarbeiter höhere Preise als für das gewöhnliche Mostobst. mw
Alle sitzen im gleichen Boot
Der Entscheid sei ein Kompromiss der Branche, erklärt Georg Bregy, Direktor des Schweizer Obstverbandes. Man könne es nicht allen recht machen. Wichtig sei es, dass man die Gesamt-Perspektive im Auge behalte. Das System mit dem Export-Fonds sei wichtig, um den Markt stabil zu halten. Nur wenn der Gesamtmarkt funktioniere, kämen letztlich auch die einzelnen Akteure auf ihre Kosten.
Man könne nicht generell von einem Zuviel bei den Tafeläpfeln und einem Zuwenig beim Hochstamm-Mostobst reden. "2011 gab es massiv zu viele Äpfel von Hochstämmern”, erklärt ein weiterer Branchenkenner, der nicht genannt werden will. Damals hätten einige Tafelobstproduzenten gedroht, nichts an die Verwertung des überschüssigen Hochstammobsts zu zahlen.
Wichtig sei die Solidarität innerhalb der ganzen Branche. So hätten die Mostereien etwa aus Goodwill stets die gesamte Mostobst-Ernte übernommen – auch in Grosserntejahren. Im Ausland funktioniere es anders: Mostereien würden jeweils nur so viel Obst ankaufen, wie sie benötigen. Instabilität und jährlich stark schwankende Preise seien die Folge.
Entscheidend wird Ernte sein
Vielleicht glätten sich die Wogen von alleine. Denn wenn die Mostobst-Ernte heuer so ausfallen wird wie bei den Kirschen, dann werden die Produzenten im Herbst qualitativ hochstehende, quantitativ aber eher bescheidene Erträge einfahren. Das hätte einen Vorteil: Die Obstbauern müssten dann nur wenig Geld in den Export-Fonds einzahlen.
Längerfristig werden aber Tafelobst-Produzenten nicht umhin kommen, ihre Anbaufläche zu reduzieren – schon aus Eigeninteresse. Georg Bregy: "Beim Tafelkernobst haben schon kleine Übermengen grosse Preisrückgänge zur Folge.” Die Preise seien in den letzten Jahren für die Mehrheit der Obstbetriebe nicht kostendeckend gewesen.