Die Landwirtschaft wurde immer wieder von Tierseuchen heimgesucht. So brach vor 55 Jahren die Maul- und Klauenseuche zum letzten Mal im grossen Stil aus. Mit Covid-19 kann MKS jedoch nicht verglichen werden. -> Mit Video
Wegen angeblicher Virengefahr forderte die Tierschutzorganisation Peta vergangene Woche einzelne Gemeinden auf, die Schlachtviehmärkte zu schliessen. Begründung: Der Covid-19-Erreger könnte sich auf den Viehmärkten besonders gut von Mensch zu Tier oder gar von Tier zu Tier weiterverbreiten.
Seit 1980 kein Fall mehr
Dabei wurde in der Presse teilweise auch Bezug auf die Maul- und Klauenseuche (MKS) genommen. In Tat und Wahrheit ist dieser Vergleich aber nicht statthaft. Die beiden Krankheiten unterscheiden sich in wesentlichen Punkten stark. In der Schweiz trat die Seuche in den Jahren 1871/72, 1899–1900, 1911–14, 1920/21, 1939/40 und 1965 verheerend auf.
Nach den letzten kleineren Ausbrüchen von 1968 und 1980 gilt die Schweiz amtlich als MKS-frei. Dies ganz im Gegensatz zu anderen Weltgegenden, wo es immer wieder zu Ausbrüchen kommt. Gerade in Corona-Zeiten lohnt sich deshalb ein Blick auf zurückliegende Ausbrüche von MKS. Denn im Herbst 1965, also ziemlich genau vor 55 Jahren, brach zum letzten Mal die MKS im grossen Stil in der Schweiz aus.
Von West nach Osten
Am 21. Oktober 1965 wurde erstmals seit 1940 wieder ein Fall von Maul- und Klauenseuche in Brent VD und drei Tage später ein solcher in Schönenbuch BL festgestellt. Den beiden Fällen gemeinsam ist die Tatsache, dass die Schweine zuerst erkrankten und dass Hotelküchenabfälle verfüttert worden waren. Obschon diese erhitzt worden sein sollen, muss vermutet werden, dass der Infektionsstoff auf diesem Wege eingeschleppt wurde.
Durch Personenkontakte und Tierverkehr kam es von diesen Primärfällen aus zu recht massiven Ausbrüchen in den erstverseuchten Ortschaften selbst wie auch in einer weiteren Umgebung. Während der Seuchenherd im Kanton Baselland und die mit ihm in Zusammenhang stehenden Fälle im Kanton Solothurn verhältnismässig rasch getilgt werden konnten, breitete sich die Krankheit im untern Rhonetal und nördlich des Genfersees sprunghaft aus.
1965 wurden 11357 Rinder geschlachtet
Im Verlaufe des Seuchenzuges mussten 1965/1966 insgesamt 11'357 Stück Rindvieh, 25'640 Schweine und 297 Schafe und Ziegen aus verseuchten Beständen geschlachtet werden. Da sich die Schlachtungen nach eingetretenem Impfschutz auf die ungeimpften Tiere (zumeist Schweine und Kälber) beschränkten, ist die Anzahl geschlachteter Tiere bedeutend geringer als die Gesamtzahl der Tiere, die in den verseuchten Beständen standen. Die Schatzungssumme der ausgemerzten Tiere betrug 28,3 Millionen Franken.
Nach Abzug des Schlachterlöses sowie des Selbstbehaltes von 10 Prozent, welchen die Eigentümer selber zu bezahlen hatten, verblieb ein Nettoschaden von 13,3 Millionen Franken. Dazu kamen die Auslagen für die Bekämpfung wie namentlich Impfung, Desinfektion, Durchführung der Sperrmassnahmen von 8 Millionen Franken, woran der Bund 3,3 Millionen ausrichtete. Die Gesamtkosten des Seuchenzuges betrugen somit für Bund und Kantone 21,3 Millionen. sam
Kontaminierte Magermilch
Von Anfang November an traten zudem vereinzelt Seuchenfälle in zum Teil weit entfernt gelegenen Gebieten auf, vielfach ohne dass ein Zusammenhang mit den Primärherden hätte nachgewiesen werden können. Die einzelnen Ausbrüche blieben zumeist lokalisiert. Zu einem massiven, das weitere Seuchengeschehen massgeblich beeinflussenden Ausbruch kam es in den ersten Dezembertagen im Gebiet Lotzwil-Langenthal, wo durch die Verfütterung unerhitzter, kontaminierter Magermilch an Schweine und Kälber schlagartig zahlreiche Bestände erkrankten.
Die Zahl der verseuchten Bestände häufte sich derart, dass trotz Einsatz aller zur Verfügung stehenden Mittel der sofortige Abtransport zur Schlachtung nicht mehr möglich war. Sie mussten zum Teil mehrere Tage stehen bleiben, was zur Bildung eines grösseren Seuchenherdes und zu einer weiteren Verschleppung mit zahlreichen Seuchenausbrüchen in den Kantonen Luzern und Aargau führte.
Impfung stoppte Seuche
Erst durch die breitflächig durchgeführten Schutzimpfungen in den verseuchten und gefährdeten Gebieten konnte diese verhängnisvolle Entwicklung, die in der Weihnachtswoche mit 170 Neuausbrüchen ihren Höhepunkt erreichte, unterbrochen werden. Inzwischen war die Seuche jedoch weiter gegen die Zentral- und Ostschweiz vorgedrungen, wo sich im Kanton Appenzell Ausserrhoden ein grösserer Seuchenherd bildete. Am 15. Dezember 1965 konnte mit den Impfungen begonnen werden.
Inzwischen hatte die Seuche die geplanten Pufferzonen bereits übersprungen. Es blieb deshalb nur die systematische Durchimpfung des gesamten schweizerischen Rindviehbestandes von etwa 1,7 Millionen Stück. Bis Mitte Januar war der Grossteil des schweizerischen Viehbestandes durchgeimpft. Die weitere Entwicklung rechtfertigte diesen Entschluss. Im Februar trat die MKS noch in 40 Beständen auf, wobei es sich zumeist um ungeimpfte oder erst kurz zuvor geimpfte Schweinebestände handelte, im Monat März noch in 9 Beständen, im April und Mai in je 6, im Juni in einem Bestand; von da an blieb die Schweiz bis Anfang Dezember frei von Maul- und Klauenseuche.
Kein Vergleich zwischen MKS und COVID
Der Vergleich zwischen Covid-19 und Maul- und Klauenseuche (MKS) hinkt in vielerlei Hinsicht. Gemeinsam ist beiden, dass sie durch Viren hervorgerufen werden. Damit hören die Gemeinsamkeiten aber auch schon auf. Alle Paarhufer sind für MKS empfänglich. Ja, sie ist noch heute ausserhalb von Europa die wirtschaftlich bedeutendste Tierseuche der Welt. Für den Menschen ist die Krankheit nicht gefährlich. Ganz anders Covid-19.
Nach allem, was heute bekannt ist, wird dieses Virus aus der Gruppe der Corona-Viren hauptsächlich von Mensch zu Mensch übertragen. Bisher gibt es gemäss Bundesamt für Gesundheit keine Hinweise darauf, dass bei uns Tiere ein Infektionsrisiko für den Menschen darstellen oder das Virus verbreiten – weder Haustiere wie Hunde, Katzen oder Hamster noch Insekten wie Mücken, Zecken, Fliegen, Wanzen, Flöhe usw. Dies, obschon der Ursprung von Covid-19 auf einem Tiermarkt in China vermutet wird. sam
Auch Schweine betroffen
Eine besondere Entwicklung nahm sie nur im Kanton Luzern und in einigen Gebieten des Kantons Bern. Durch die zahlreichen Schweinepassagen im Zusammenhang mit der gefährlichen Magermilchinfektion stieg die Infektiosität des Virus für Schweine, die anfänglich recht gering gewesen war, enorm an. Im Interesse einer möglichst raschen Durchimpfung der Viehbestände waren in den Gebieten der Kantone Bern und Luzern mit den vielen und grossen Schweinebeständen die Schweine nicht geimpft worden.
In der Folge entwickelte sich namentlich im Kanton Luzern ein eigentlicher Schweine-Maul- und Klauenseuchezug, der Tierbesitzer und tierseuchenpolizeiliche Organe noch bis Ende Februar nicht wenig beunruhigte. Zu seiner Bekämpfung wurde unter anderem auch ein vom Istituto Zooprofilattico Sperimentale in Brescia (I) hergestellter Schweine-Spezialimpfstoff eingesetzt.
Quelle: Die Maul- und Klauenseuche 1965– 1966 in der Schweiz, Schweizer Archiv für Tierheilkunde (SAT), 1966. Mehr Infos gibt es zudem unter www.blv.admin.ch.




