Bauern stellen Protestaktionen vorerst ein

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Nach wochenlangen, zum Teil gewalttätigen Protesten gegen Umweltauflagen in den Niederlanden hat die Bauern-Organisation Farmers Defence Force ein vorläufiges Ende der harten Aktionen angekündigt. Weitere Gespräche bezüglich des Stickstoffplan sollen Ende August stattfinden.

Als «Zeichen des guten Willens» solle vorerst nur noch friedlich demonstriert werden, etwa mit Fahnen und Protestschildern, erklärte der Anführer der Farmers Defence Force (FDF), Mark van den Oever, am Donnerstag in einer Videobotschaft.

Neue Technologien statt schrumpfen

Die Gruppierung hoffe, dass die Regierung nach dieser Geste ihre Pläne zurückziehe. «Ich hoffe, Herr Rutte (Premier der Niederlande), dass Sie diese helfende Hand ergreifen und mit der Arbeit an Plänen beginnen werden», sagte er.

Er habe in den vergangenen Tagen einige gute Nachrichten erhalten. So hätten Forscher gezeigt, dass eine Reduzierung des Stickstoffs auch mit den Einsatz neuer Technologie möglich sei, so van den Oever in der Videobotschaft. Eine Verringerung des Tierbestandes sei so nicht nötig. Das Ziel von FDF sei immer gewesen, nicht zu schrumpfen, sondern die Technologie zu nutzen, um eine Reduzierung zu erreichen.

Ganz auf Proteste will FDF nicht verzichten. So wollen die Bauern kommenden Woche während der Vuelta, die spanische Radrundfahrt, die in Holland startet, auf ihre Situation aufmerksam machen.

https://youtu.be/W65hO-fcu7Q

Regierung macht keine Zugeständnisse

Die Regierung hatte bei einer ersten Gesprächsrunde vergangene Woche keine Zugeständnisse gemacht. Die Bauern reagierten sehr verärgert über den Ausgang. Sie drohen mit neuen Protesten, wie NOS berichtete. Mark van den Oever sagte, die Niederlande könnte sich auf die «härtesten Aktionen» vorbereiten, die seine Organisation je durchgeführt hat. «Bei Van der Wal vermisse ich jegliches Einfühlungsvermögen für die Landwirte», sagte Agractie-Vorsitzender Bart Kemp über den Stickstoffminister. Farmers Defence Force und Agractie sind die treibende Kraft hinter den Protesten.

https://twitter.com/rebew_lexa/status/1556182375075299330

Der Bauernverband LTO rief die Organisationen indes dazu auf, sich an die Gesetze zu halten. «Wenn das nicht der Fall ist, distanzieren wir uns von ihr. Wir sagen: Passt auf mit den Aktionen, denn wir brauchen die Unterstützung der Gesellschaft», warnte der LTO-Vorsitzende Sjaak van der Tak. Er werde an der Gesprächsrunde von Ende August teilnehmen. Die Regierung müsse aber den Bauern entgegenkommen, und es müssten «mehr als nur Gesten» geben, machte er deutlich.

Bauern hatten als Protest Autobahnen und Grenzübergänge nach Deutschland blockiert, Brände gelegt und Mist, Abfall, aber auch Asbest auf Strassen gekippt. Die Lager von Supermärkten waren blockiert und Politiker bedroht worden. 

50 Prozent Reduktion

Der Protest der Bauern richtet sich gegen geplante Umweltauflagen. Denn im Juni stellte die Regierung in Den Haag den «Stickstoff-Plan» vor. Er sieht im Kern vor, dass die Landwirtschaft ihren Ausstoss an Stickstoffverbindungen bis 2030 um 50 Prozent reduziert. Verärgert hat die Bauern die detaillierte «Stickstoff-Karte» mit einzelnen Regionen, in denen die Gesamtemissionen um 12 Prozent bis hin zu etwa 70 Prozent in der Nähe von Naturgebieten sinken sollen.

In der Nähe von Naturschutzgebieten soll der Ausstoss gar um bis zu 95 Prozent sinken. Die Verantwortung, das durchzusetzen, wird auf die Provinzen abgewälzt. Die drastische Reduktion führt nach Einschätzung der Regierung dazu, dass etwa 30 Prozent der Viehhalter ihren Betrieb aufgeben müssen. 

11’200 Betriebe müssten aufgeben

Um das Ziel zu erreichen, müssten landwirtschaftliche Betriebe schliessen. Geplant ist auch, Landwirtschaftsbetriebe aufzukaufen. Als äusserstes Mittel will die Regierung gar Enteignungen prüfen. 

Das Finanzministeriums hat Mitte Juli berechnet, wie viele Betriebe aufgeben müssten. Das Resultat ist drastisch. Die aktuelle Stickstoffstrategie der Regierung würde dazu führen, dass 11’200 landwirtschaftliche Betriebe ihre Tore für immer schliessen müssten. Weitere 17’600 Landwirte müssten ihren Viehbestand deutlich reduzieren, um ein Drittel auf fast die Hälfte. In Holland gibt es derzeit noch rund 54’000 Betriebe.

Bauern fühlen sich getäuscht

Landwirte klagen, in den besonders betroffenen Regionen nahe Naturgebieten werde Viehhaltung kaum mehr möglich sein. Sie büssten unverhältnismässig für die Krise. Der Bauernverband LTO sprach von einem Kahlschlag. Landwirte erhielten viele Jahre lang Anreize, Höfe zu vergrössern – weswegen sie sich jetzt durch Pläne der Regierung getäuscht fühlen, den Viehbestand zu senken.

Die Niederlande sind gemäss der Statistikbehörde CBS der zweitgrösste Exporteur von Agrarprodukten hinter den Vereinigten Staaten. Der Wert der Exporte erreichte 2021 knapp 105 Milliarden Euro (105 Mrd. Fr.). Nach CBS-Daten hat sich einerseits die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe seit dem Jahr 2000 auf 54’000 in etwa halbiert. Der durchschnittliche Viehhalter hält in seinen Ställen über 162 Rinder und damit knapp doppelt so viele wie damals. Bei Schweinen hat sich der Durchschnitt auf 3365 Tiere mehr als verdreifacht. Die Bauern halten rund vier Millionen Rinder, zwölf Millionen Schweine und 100 Millionen Hühner.

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