Bauernkonflikte: Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt

Nein, ein Bauernkrieg wie vor 500 Jahren ist es nicht. Doch in der deutschschweizerischen Grenzregion gibt es wegen der Bewirtschaftung von deutschem Ackerland durch Schweizer durchaus einen kleinen Bauernkrieg.  Die Podiumsdiskussion «Wo drückt der Schuh?» zeigte einige Konfliktfelder auf.

Thomas Güntert |

Anlässlich des 500. Jahrestages des Bauernkrieges (1524–1526) bietet die Evangelische Erwachsenenbildung Bodensee in diesem Jahr verschiedene Veranstaltungen an, die vom EU-Förderprogramm Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein mitfinanziert werden. Die Veranstaltung «Wo drückt der Schuh?» in Hilzingen (D) fand vor dem Hintergrund des Bauernkrieges vor 500 Jahren statt, von dem auch der Hegau betroffen war.

Steigenden Kosten und Bürokratie

Zur Einführung erzählte Wilderich Graf von Bodmann, dass die Gräfin Apollonia von Lupfen im Jahr 1524 von ihren leibeigenen Bauern während der Erntezeit auf ihrer Herrschaft im Hegau verlangte, dass sie neben den schweren Arbeiten auch noch Schneckenhäuser sammeln sollten, die die Gräfin zum Garnaufwickeln benutzte. «Das war für die Bauern der absolute Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte», sagte Graf von Bodmann und zog einen Vergleich zum letzten Jahr, als die Bauern nach der Streichung der Agrardieselrückvergütung in Deutschland und Frankreich zum Protestieren auf die Strasse gingen.

Bei der anschliessenden Podiumsdiskussion wurden unterschiedliche Perspektiven und Herausforderungen der deutschen und der Schweizer Landwirtschaft beleuchtet. Die Landwirtschaft steht auf beiden Seiten der Landesgrenze mit steigenden Kosten, mehr Regulierung und Bürokratie, Umweltauflagen und dem gesellschaftlichen Druck vor ähnlichen Herausforderungen. «Wir müssen den Holzprügel selber in die Hand nehmen», forderte der Bauer, Gartenbauunternehmer und Schweizer Nationalrat Manuel Strupler bei der Podiumsdiskussion, an der auch der Hilzinger Bürgermeister Holger Mayer und Kerstin Mock, Vizepräsidentin der Landfrauen Südbaden, teilnahmen.

Westschweizer radikaler

Strupler sagte, dass es im letzten Jahr auch in der Schweiz einige Bauernproteste gegeben habe, die sich in der Ostschweiz allerdings in Grenzen hielten. «Die Westschweizer sind da radikaler und wären auch gerne mit dem Güllefass vor das Bundeshaus gefahren», sagte Strupler und merkte an, dass es in Deutschland mehr Proteste brauche, damit die Politik die Nöte der Bauern verstehe.

Die Schweiz habe den Vorteil, dass die Landwirtschaft mit zahlreichen Politikern mit landwirtschaftlichem Hintergrund im Parlament viel näher an der Basis sei. Zudem habe die Schweizer Bevölkerung bei «Abstimmungen über bauernfeindliche Initiativen» bewiesen, dass sie hinter der Landwirtschaft und «nicht hinter den verblendeten Ecken steht». «Die deutschen Bauern sind in der Politik nicht vorhanden», sagte der Nationalrat. Mayer hielt dagegen und erwähnte, dass in Hilzingen 7 der 24 Gemeinderäte Landwirte sind, was es in keinem anderen Gemeinderat gibt.

Schweizer Landnahme

Kerstin Mock vom bekannten Holsteinzuchtbetrieb, der am Bodensee regelmässig die «Mox»-Auktionen durchführte, sitzt in Markdorf ebenfalls im Gemeinderat und erzählte, dass sie ihre Ratskollegen auf den Boden der Tatsachen zurückholen musste, als es um die Agriphotovoltaik auf Gemeindegebiet ging und es zum Kollaps gekommen wäre, wenn dadurch zusätzliche Flächen für die Landwirtschaft weggefallen wären. «Es gibt Leute, die eine Grundahnung von der Landwirtschaft haben, aber auch ganz viele, die keine Ahnung mehr davon haben», sagte Mock.

Deutsche Landwirte beklagen sich insbesondere darüber, dass die Schweizer Bauern in Deutschland viel höhere Pacht- und Kaufpreise bezahlen und günstiger als in der Schweiz Nahrungsmittel produzieren, die sie dann in ihrem Heimatland teuer verkaufen können. In Baden-Württemberg werden entlang der Landesgrenze mittlerweile über 5’700 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche von Schweizer Bauern bewirtschaftet. Das deutsch-schweizerische Abkommen von 1958 macht es möglich, dass die Landwirte beider Länder in einem 10 Kilometer breiten Grenzstreifen landwirtschaftliche Produkte zollfrei ein- und ausführen dürfen.

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«Es ist ein Geben und Nehmen»

In Hilzingen gibt es 22 landwirtschaftliche Betriebe, von denen vier in der Schweiz ansässig sind. Einer davon ist derjenige Christian Müller aus Thayngen SH, der am Vorabend zum neuen Schaffhauser Bauernverbandspräsidenten gewählt wurde. Er berichtete, dass sein Grossvater schon vor dem Ersten Weltkrieg in der deutschen Nachbargemeinde Flächen bewirtschaftete und es eine Zeit gab, in der der deutsche Landwirt gegenüber dem Schweizer Bauern geschützt war.

«Es war aber nicht die Schweiz, die diese Möglichkeit abgeschafft hat, es waren eure eigenen Politiker», betonte Müller und sagte, dass es im Gewerbe gerade umgekehrt sei. Damit sprach er den Schweizer Einkaufstourismus an, der im deutschen Grenzgebiet boomt. «Früher hatten wir drei Gärtnereien im Ort, heute keine mehr», sagte Müller. Das Schlusswort kam vom Hilzinger Bürgermeister: «Es ist ein Geben und Nehmen.»

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