Es war auch von einer unheiligen Allianz und von einer «Geld-und-Gülle-Allianz» die Rede, als der Schweizer Bauernverband (SBV) im Oktober 2022 die Zusammenarbeit mit Wirtschaftsverbänden angekündigt hat. Anlass war die Volksabstimmung vom 25. September 2022, unter anderem über die Massentierhaltungs-Initiative.
Der SBV hat sich für diese Allianz mit dem Wirtschaftsverband Economiesuisse, dem Gewerbeverband und dem Arbeitgeberverband zusammengeschlossen. Diese Zusammenarbeit manifestierte beispielsweise auch im Wahlkampf des SBV, der auch mit folgendem Slogan warb: «Wählen Sie wirtschafts- und landwirtschaftsfreundlich».
Allianz beginnt zu bröckeln
Diese Allianz scheint nun erste Risse zu bekommen, wie die «Handelszeitung» berichtet. Und zwar, weil der Bauernverband in wichtigen Themen gegen die Interessen der Wirtschaft agieren würde. So habe SBV-Verbandspräsident Markus Ritter sein Versprechen nicht einhalten können, das bäuerliche Milieu von einem Nein zur 13. AHV-Rente zu überzeugen, heisst es weiter. Denn die Bauernfamilien hätten mehrheitlich für die Initiative und damit gegen die Interessen der Wirtschaftsverbände gestimmt. Das passt nicht allen Wirtschaftsvertretern.
Die «Handelszeitung» hat erfahren, dass deshalb Economiesuisse-Direktorin Monika Rühl dem Vorstand eine entsprechende Analyse vorlegen muss. Die Frage, die der Vorstand von Economiesuisse dann wohl beantworten wird, lautet vermutlich: Sollen die Wirtschaftsverbände die Allianz mit dem SBV aufrechterhalten?
«Schweizer Bauer»-Leserinnen und Leser sind zwiegespalten
Die Umfrage des «Schweizer Bauer» vom vergangenen Juli zu dieser Allianz lässt vermuten, dass zumindest unsere Leserinnen und Leser doch eher zwiegespalten sind. Rund 52 Prozent befürworten zwar eine Zusammenarbeit des SBV mit den Wirtschaftsverbänden. 41 Prozent lehnen diese aber ab. 7 Prozent sind unentschlossenen.
Einerseits hofft der SBV durch die Allianz auf eine breitere Unterstützung für seine Anliegen. Andererseits profitiert die Wirtschaft von der Mobilisierungskraft des SBV. Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder sagte dazu im Beitrag von SRF (siehe unten): «Der Bauernverband hat eine grosse Solidarität in den eigenen Reihen und wir als Wirtschaftsverbände wollen davon profitieren». Landwirt und Grünen-Nationalrat Kilian Baumann hingegen erwidert: «Mit dieser Allianz werden wir Bäuerinnen und Bauern an die Grosskonzerne verkauft, um deren Interessen zu vertreten». Markus Ritter hingegen betont die gemeinsamen Anliegen und Themen, die es in den Vordergrund zu rücken gelte.
Freihandelsabkommen als Prüfstein
Ein Wirtschaftsvertreter, der offen Kritik an der Allianz äussert ist Simon Michel. Er ist FDP-Nationalrat für den Kanton Solothurn und Leiter des Schweizer Konzerns Ypsomed. Bäuerinnen und Bauern hätten ein «extremes Eigeninteresse», das grundsätzlich den Wirtschaftsinteressen entgegenstehe, sagt er der «Handelszeitung». Diesbezüglich erwähnt er unter anderem die Verhandlungen mit der EU und das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten.
Mit diesen Themen gerät der SBV durch die Allianz auch in Konfrontation mit der als bauernfreundlich geltenden SVP. Die Partei lehnt die diese Woche beginnenden Verhandlungen mit der EU ab. Der Bundesrat akzeptiere «die automatische Übernahme von EU-Recht, die Unterwerfung unter den EU-Gerichtshof und Milliardenzahlungen an die EU», lautet die Kritik. Der SBV hingegen habe sich für Verhandlungen mit der EU ausgesprochen, schreibt die «Handelszeitung».
SBV mit «innerem» Konflikt
Andererseits spricht sich der Bauernverband wegen der billigen Konkurrenz ausländischer Landwirtschaftsprodukte tendenziell für eine Abschottung des Schweizer Marktes aus. Dies steht aber wiederum in Gegensatz zum Interesse der Exportindustrie, die für einen Freihandel plädiert. So unterstützt die Wirtschaft – also die Allianzpartner des SBV – das Freihandelsabkommen mit den USA und jenes mit Südamerika (Mercosur). «Dieses Abkommen wäre wichtig für die Exportwirtschaft. Eine ablehnende Haltung gegenüber Mercosur wäre sicher nicht im Interesse der Wirtschaft», macht Michel deutlich.
Bei der Landwirtschaft ist Skepsis gegenüber einem Abkommen mit den südamerikanischen Staaten vorhanden. Wie übrigens auch bei einigen Staaten der EU. Man sei aber nicht kategorisch gegen Freihandelsabkommen, wehrt sich SBV-Direktor Martin Rufer gegenüber der «Handelszeitung».
Wie der SBV – gebunden durch die Allianz – sowohl die Interessen der Wirtschaft wie auch jene der Bäuerinnen und Bauern vertreten will, bleibt abzuwarten. Denn einerseits schliesst auch Ritter Zugeständnisse bei Freihandelsabkommen nicht aus , andererseits sieht er im Grenzschutz eine der wichtigsten und wirkungsvollsten agrarpolitischen Massnahmen, ohne den eine Schweizer Landwirtschaft zu betriebswirtschaftlichen Bedingungen nicht möglich sei.

2022 hat die Schweiz gemäss Bund Waren im Wert von rund 138 Milliarden Franken in die EU exportiert, was gemessen an den Gesamtexporten einem Anteil von 49,60% entsprach.
KI erstellt
Wirtschaft will offene Schweiz
Die Allianz lässt vermutlich auch erkennen, dass die Landwirtschaft in der Politik stark vertreten ist. Denn die wirtschaftliche Macht der Bäuerinnen und Bauern ist eher marginal. Die Landwirtschaft trägt nur 0,6 Prozent zur Wirtschaftsleistung bei und beschäftigt 2,8 Prozent der arbeitenden Bevölkerung. Die Exportwirtschaft hingegen trägt rund 66% zur Wirtschaftsleistung des Landes bei. Die Landwirtschaft sorgt für die unerlässlichen Nahrungsmittel. Der Wohlstand der Schweiz hängt vor allem auch von den wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Ausland ab.
Die Wirtschaft hat Interesse an einer offenen, nicht an einer abgeschotteten Schweiz. Durch die Allianz verpflichtet sich der SBV diese offene Schweiz auch gegenüber seinen Mitgliedern zu vertreten. SBV-Direktor Martin Rufer erkenne in vielen Dossiers die gleichen Interessen. Und ein Economiesuisse-Sprecher verrät, dass die Zusammenarbeit – trotz der vom Vorstand angeforderten Analyse – aufgrund gemeinsamer Interessen fortgesetzt werde, schliesst die «Handelszeitung» ihren Bericht.


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