«Schweizer Bauer»: Was hat 2024 so besonders gemacht, dass keine akuten Bienenvergiftungen festgestellt wurden?
Marianne Tschuy: Ein wichtiger Aspekt war das Wetter, das eher kühl und regnerisch war, besonders im Frühjahr. Das führte dazu, dass die Bienen weniger ausflogen als die Grosskulturen geblüht haben und somit weniger mit Pestiziden in Kontakt kamen. Es könnte auch sein, dass aufgrund der Witterung vermehrt Fungizide statt Insektizidezum Einsatz gekommen sind. Ein weiterer Faktor ist, dass heutzutage die Auflagen zum Ausbringen von Pestiziden beachtet werden und gut darauf geschaut wird, nicht bei Bienenflug zu spritzen.
Keine Bienenvergiftungen nachgewiesen
Erstmals seit Jahren wurde in der Schweiz keine akute Bienenvergiftung durch Pflanzenschutzmittel nachgewiesen.
Wie erklären Sie den deutlichen Rückgang an gemeldeten Vergiftungsverdachten im Vergleich zu früheren Jahren?
Der deutliche Rückgang an gemeldeten Vergiftungsverdachten im Vergleich zu früheren Jahren lässt sich vor allem durch die Rücknahme vieler Wirkstoffe erklären, die in der Vergangenheit häufig zu Vergiftungen geführt haben. Ein prägnantes Beispiel dafür ist das Jahr 2017, als es zu einer Explosion von 15 Vergiftungsfällen kam, insbesondere im Obstbau, wo ebenfalls mehrere Vergiftungen gemeldet wurden. Viele der Produkte, die früher Vergiftungen verursachten, dürfen heute nicht mehr angewendet werden. Ich bin überzeugt, dass die grosse Mehrheit der Landwirte sich an die Anwendungsvorschriften hält, was ebenfalls zu diesem Rückgang beiträgt.
«Die Probe muss von einem Inspektor genommen werden.»
Wie haben sich die Verdachtsfälle und die bestätigten Fälle in den letzten Jahren entwickelt?
Schwankend mit einer Tendenz zur Abnahme. Das absolute Maximum wurde 2017 verzeichnet. Damals wurden 27 Meldungen gemacht, davon 17 bestätigte Fälle. Wenn man das Extremjahr 2017 aussenvor lässt, so wurden in den letzten zehn Jahren im Schnitt 17 Meldungen pro Jahr gemacht. Davon wurden im Schnitt 5 als tatsächliche Vergiftungen bestätigt.
Welche Rolle spielt das Wetter bei der Nachweisbarkeit von Bienenvergiftungen?
Das Wetter spielt eine entscheidende Rolle bei der Nachweisbarkeit von Bienenvergiftungen. Die Entnahme der Proben sollte bei einer Aussentemperatur von mindestens 15 Grad erfolgen, damit der Bienenstock nicht zu stark auskühlt und die Brut gefährdet wird. Bei schlechtem Wetter, wie Regen, sollte darauf geachtet werden, dass die Völker nicht unnötig gestört werden. Es ist besonders wichtig, schnell eine Bienenprobe zu entnehmen, um festzustellen, ob eine Vergiftung vorliegt. Die Probe muss von einem Inspektor genommen werden. Er führt auch eine Gesundheitskontrolle der Völker durch, um sicherzustellen, dass keine Krankheiten für das Bienensterben verantwortlich sind. Wobei sich Bienensterben durch Krankheit oft über mehrere Wochen zieht, während das Bienensterben durch Vergiftung akut eintrifft und meist innert ein bis zwei Tagen vorüber ist.
«Landwirte ist die Wichtigkeit des Bienenschutzes bewusst.»
Wie zuverlässig sind die heutigen Labormethoden bei der Analyse von Bienenproben?
Das Kantonale Labor Zürich hat sich auf unsere Anfrage hin 2018 bereit erklärt, die Analysen zu übernehmen, und hat sich als äusserst zuverlässig erwiesen. Die Analyse von Bienenproben ist sehr anspruchsvoll, da es schwierig sein kann, genaue Rückstände zu identifizieren. Das Labor in Zürich führt die Untersuchungen sehr sorgfältig durch und, falls Rückstände gefunden werden, wird die gesamte Analyse erneut durchgeführt, um sicherzustellen, dass das Ergebnis korrekt ist. Die Genauigkeit und die Glaubwürdigkeit dieser Analysen ist für uns von grosser Bedeutung. Man kann sich darauf verlassen, dass die Ergebnisse stimmen.
Gibt es Hinweise darauf, dass sich Landwirte heute bewusster an die Bienenschutzauflagen halten?
Ja, ich glaube schon, dass sich Landwirte heute bewusster an die Bienenschutzauflagen halten. Jedes Jahr wird eine Pressemitteilung veröffentlich. In dieser Mitteilung werden die relevanten Wirkstoffe und Themen erwähnt. Ich denke, dass diese Massnahmen Wirkung zeigen und dass die Landwirte zunehmend auf die Wichtigkeit des Bienenschutzes achten. Kein Landwirt oder keine Landwirtin würde absichtlich eine Bienenvergiftung verursachen. Fehler können überall passieren, wo Menschen arbeiten, besonders in einem so komplexen Bereich wie der Landwirtschaft. Jede Bienenvergiftung hat ihre eigene Geschichte, und es sind immer Menschen beteiligt, die mit den besten Absichten arbeiten. Es geht uns darum, aufmerksam zu machen und sicherzustellen, dass alle Beteiligten die richtigen Massnahmen ergreifen, um die Bienen zu schützen.
Was müssen Imker konkret beachten, wenn sie einen Verdacht auf Vergiftung haben?
Wenn Imker einen Verdacht auf eine Vergiftung haben, müssen sie möglichst schnell handeln. Der erste Schritt ist, mit uns Kontakt aufzunehmen, um den Verdacht auszutauschen und den zuständigen Inspektor zu informieren. Dieser wird dann die notwendigen Proben entnehmen und eine Gesundheitskontrolle der Völker durchführen. Es ist entscheidend, dass die Probe so schnell wie möglich entnommen wird, da der Abbau von Wirkstoffen im Körper der Bienen schnell voranschreitet, wenn die Bienen bereits gestorben sind. Eine schnelle Reaktion ist auch wichtig, um genaue und aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten.
Es braucht 100 Gramm tote Bienen
Bei einem aussergewöhnlichen Bienensterben ist es wichtig, dass die Bienenhaltenden umgehend mit dem Bienengesundheitsdienst (Hotline 0800 274 274 oder E-Mail an [email protected]) und dem für die Region zuständigen Bieneninspektor Kontakt aufnehmen.
Für eine Untersuchung im Labor braucht der BGD eine Bienenprobe von guter Qualität. Das heisst, dass etwa 1'000 (100 g) sterbende oder frisch gestorbene Bienen vom Flugbrett oder aus der Beute entnommen werden und dem BGD gekühlt geschickt werden.
Je nach Kanton muss die Bienenprobe zwingend vom Bieneninspektor entnommen werden, ansonsten kann sie der BGD nicht untersuchen lassen. Die Abklärungen sind für alle Schweizer und Liechtensteiner Imker kostenlos.
Für eine Untersuchung im Labor braucht der BGD eine Bienenprobe von guter Qualität.
apiservice
Wie lässt sich der Schutz der Bestäuber noch weiter verbessern – gerade während der Spritzsaison?
Der Schutz der Bestäuber, insbesondere während der Spritzsaison, lässt sich vor allem durch die konsequente Einhaltung der Anwendungsvorschriften verbessern. Es ist wichtig, dass Landwirte genau auf die empfohlenen Anwendungszeiten und -methoden achten, um die Gefahr für Bienen und andere Bestäuber zu minimieren.
«Pufferzonen zwischen behandelten Feldern und Blühstreifen verringert Risiko.
Könnten freiwillige Blühstreifen neben Feldern auch eine Gefahr darstellen, wenn sie mit Pestiziden belastet sind?
Ja, freiwillige Blühstreifen neben Feldern könnten eine Gefahr für Bienen darstellen, wenn sie mit Pestiziden belastet sind. Um dies zu vermeiden, gibt es Schutzmassnahmen wie die von Agridea empfohlenen Abstände zwischen den behandelten Flächen und den Blühstreifen. Es ist entscheidend, welche Pestizide verwendet werden und in welchen Mengen sie ausgebracht werden. Eine Pufferzone, die einen sicheren Abstand zwischen den behandelten Feldern und den Blühstreifen gewährleistet, hilft, das Risiko für Bienen zu verringern. Diese Pufferzonen verhindern, dass Bienen mit den giftigen Substanzen in Kontakt kommen, während gleichzeitig der Nutzen der Blühstreifen als Nahrungsquelle für Bestäuber erhalten bleibt.
Inwiefern hat sich die Zusammenarbeit zwischen Imker und Landwirte in den letzten Jahren verändert?
Mein Eindruck ist, dass das gegenseitige Verständnis deutlich zugenommen hat. Es ist sehr wichtig, dass dieser Austausch stattfindet – nicht in Form von Anschuldigungen, sondern im Rahmen eines offenen und respektvollen Gesprächs. Nur eine Laboranalyse kann letztlich bestätigen oder ausschliessen, ob es sich tatsächlich um eine Vergiftung handelt. Daher ist es entscheidend, dass beide Seiten kooperieren und gemeinsam nach Lösungen suchen, um das Risiko für Bienen zu minimieren und gleichzeitig die landwirtschaftliche Praxis zu berücksichtigen.
Was wünschen Sie sich von Politik, Landwirtschaft und Bevölkerung für den nachhaltigen Schutz der Bienen in Zukunft?
Für den nachhaltigen Schutz der Bienen wünsche ich mir vor allem, dass die Wichtigkeit der Bestäuber auf allen Ebenen – in der Politik, der Landwirtschaft und in der Bevölkerung – anerkannt wird. Es braucht das gemeinsame Bemühen, das Nahrungsangebot für Bienen langfristig zu sichern. Eine einfache oder pauschale Lösung gibt es nicht, denn die Realität ist komplex, und auch ich kenne die landwirtschaftliche Praxis nicht im Detail. Grundvoraussetzung für gesunde Bienen ist eine vielfältige und qualitativ hochwertige pflanzliche Nahrung.
Was heisst das genau?
Deshalb wäre es wünschenswert, wenn Hecken und Sträucher wieder mehr Platz in unserer Landschaft finden würden – nicht nur als zusätzliche Nahrungsquelle für Bestäuber, sondern auch als wertvoller Lebensraum für viele andere Tierarten. Von der Politik wünsche ich mir, dass sie Rahmenbedingungen schafft, unter denen sich nachhaltiges Arbeiten für die Landwirtschaft auch finanziell lohnt. Denn nur wenn das Einkommen für Bäuerinnen und Bauern stimmt, kann langfristig Rücksicht auf ökologische Aspekte genommen werden. Es ist ein Kreislauf, in dem alles miteinander zusammenhängt – und den müssen wir gemeinsam positiv gestalten.
Die Blüte des Lein lockt auch Bienen.
zvg
Beenden Sie die Sätze…
Bienenvergiftungen… sind für Imker ebenso wie für Landwirte ein sehr emotionales Thema. Deshalb ist es besonders wichtig, so sachlich und ruhig wie möglich aufzuklären und zu informieren. Von vorschnellen Schuldzuweisungen oder öffentlichen Anschuldigungen – etwa über die Presse – wird grundsätzlich abgeraten, das ist ausschliesslich kontraproduktiv. Das Schlimmste wäre, wenn die Beteiligten nicht mehr miteinander sprechen würden. Der Dialog zwischen Imker und Landwirte muss offen bleiben, damit gemeinsam Lösungen gefunden werden können. Jeder Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sollte deshalb mit höchster Sorgfalt durchgeführt werden – mit Rücksicht auf die Umwelt, die Bestäuber und das gegenseitige Vertrauen.
Bienen sind… für mich sehr interessante, spannende und vorbildhafte Wesen. Sie haben mir im Laufe der Zeit extrem viel beigebracht – über Natur, Zusammenhalt und Konsequenz. Ich finde es faszinierend, wie zuverlässig sie immer das tun, was sie sollen, ohne zu zögern oder Umwege zu gehen. Ihr Verhalten, ihre Organisation und ihr Beitrag zur Natur beeindrucken mich immer wieder aufs Neue. Bienen sind einfach bemerkenswerte Wesen.
Landwirtschaft ist.. die Grundlage unserer Ernährung – sie umfasst die Herstellung von pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln.
Ganz zum Schluss dann noch ein kleines Lob, wissen Sie Eigentlich was es heisst auf alles und jedem seine Befindnisse zu achten?
Wissen Sie was es heisst mit Wetterkapriolen zu leben?
Gehen Sie in einer Ruhigen Minute mal in sich und machen Sie Ihre Gedanken wie sie all dies lösen würden.
Danke