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Bauern und Klimaschützer demonstrieren

 

In zwei grossen Protestaktionen haben mehrere Tausend Menschen in Den Haag gegen die Umwelt- und Klimapolitik der niederländischen Regierung demonstriert.

 

 Bei einer Blockade von Klimaschützern nahm die Polizei am Samstagabend rund 700 Demonstranten vorläufig fest, auch ein Wasserwerfer wurde eingesetzt.

 

Bei einer Grossdemonstration von Bauern in einem nahe gelegenen Park blieben dagegen die befürchteten gewalttätigen Ausschreitungen aus.

 

«Stolz auf die Bauern»

 

Mehrere Tausend Bauern waren am Samstag nach Den Haag gezogen, um gegen die geplanten Umweltauflagen für die Landwirtschaft zu protestieren. Die Regierung will drastisch in die intensive Viehzucht eingreifen, um Schadstoffemissionen zu senken.

 

«Keine Bauern, kein Essen» oder «Stolz auf die Bauern» stand auf Spruchbändern. Die radikale Bauernorganisation «Farmers Defence Force» hatte zur «grössten Demo aller Zeiten» aufgerufen, rechte Organisationen und populistische Politiker hatten ebenfalls ihre Anhänger mobilisiert.

 

Niemand verletzt

 

Nur wenige Kilometer Luftlinie von der Bauern-Kundgebung entfernt demonstrierten dagegen rund 3000 Klimaschützer der Aktionsgruppe «Extinction Rebellion» für deutlich strengere Massnahmen beim Klima- und Umweltschutz.

 

Sie hatten einen Autobahnzubringer besetzt und sich festgekettet oder am Asphalt festgeklebt. Am Abend räumte die Polizei die Strasse. Verletzt wurde niemand.

 

Wichtig für Wahlkampf

 

Die Proteste fanden nur wenige Tage vor den Provinzial-Wahlen statt und sind Ausdruck des zunehmenden Unmuts im Land. Vor allem die Auflagen für die Landwirtschaft bestimmen den Wahlkampf.

 

Am kommenden Mittwoch wird nicht nur über die Parlamente der Provinzen entschieden, sondern indirekt auch über die Zusammensetzung der Ersten Kammer des nationalen Parlaments (vergleichbar mit dem Bundesrat in Deutschland).

 

Umfragen zufolge steht ein starker Rechtsruck bevor. Der Regierungskoalition werden hohe Verluste vorhergesagt, und es ist zweifelhaft, ob sie dann noch eine Mehrheit für ihre Vorhaben bekommt.

 

Traktoren verboten

 

An der Bauern-Kundgebung beteiligten sich auch rechte Parteien und Bewegungen. Der Rechtspopulist Geert Wilders rief zum Widerstand gegen die Koalition auf und dazu, diese abzuwählen.

 

Aus Sorge vor Ausschreitungen hatte die Stadt Trecker verboten sowie Zufahrtsstrassen und wichtige Kreuzungen mit Militärlastwagen versperrt. Am Demonstrationsgelände aber brach dann doch ein Bagger durch die Blockade. Zwei Personen wurden festgenommen.

 

Im vergangenen Jahr hatten Bauern wochenlang im ganzen Land auch mit Gewalt protestiert. Sie bezweifeln die Notwendigkeit der Umwelt-Massnahmen.

 

Viehbetriebe stark betroffen

 

Die Mitte-Rechts-Koalition von Premier Mark Rutte hatte entschieden, bis 2030 den Stickstoff-Eintrag bei Naturgebieten um bis zu 50 Prozent zu reduzieren.

 

50 Prozent Reduktion

 

Der Protest der Bauern richtet sich gegen geplante Umweltauflagen. Denn im Juni 2022 stellte die Regierung in Den Haag den «Stickstoff-Plan» vor. Er sieht im Kern vor, dass die Landwirtschaft ihren Ausstoss an Stickstoffverbindungen bis 2030 um 50 Prozent reduziert. Verärgert hat die Bauern die detaillierte «Stickstoff-Karte» mit einzelnen Regionen, in denen die Gesamtemissionen um 12 Prozent bis hin zu etwa 70 Prozent in der Nähe von Naturgebieten sinken sollen.

 

In der Nähe von Naturschutzgebieten soll der Ausstoss gar um bis zu 95 Prozent sinken. Die Verantwortung, das durchzusetzen, wird auf die Provinzen abgewälzt. Die drastische Reduktion führt nach Einschätzung der Regierung dazu, dass etwa 30 Prozent der Viehhalter ihren Betrieb aufgeben müssen. 

 

Das Finanzministeriums hat Mitte Juli berechnet, wie viele Betriebe aufgeben müssten. Das Resultat ist drastisch. Die aktuelle Stickstoffstrategie der Regierung würde dazu führen, dass 11’200 landwirtschaftliche Betriebe ihre Tore für immer schliessen müssten. Weitere 17’600 Landwirte müssten ihren Viehbestand deutlich reduzieren, um ein Drittel auf fast die Hälfte. In Holland gibt es derzeit noch rund 54’000 Betriebe.

 

Das trifft vor allem Viehbetriebe, die Ammoniak produzieren. Auslöser für diese Entscheidung war ein Urteil des höchsten Gerichts im Jahr 2019. Die Massnahmen könnten das Ende für etwa 30 Prozent der Betriebe bedeuten, schätzt die Regierung.

 

Enteignungen nicht ausgeschlossen

 

Die Eigentümer der rund 3’000 Höfe, die in der Nähe von bedrohten Naturgebieten am meisten Stickstoff ausstossen, sollen zum Verkauf bewegt werden oder zumindest zur drastischen Reduzierung des Viehbestandes. Aber auch Enteignungen werden nicht ausgeschlossen. «

 

Wir haben keine Wahl», sagte die zuständige Ministerin für Natur und Stickstoff, Christianne van der Wal. «Die Natur kann nicht warten.»

 

Riesiger Agrar-Sektor

 

Seit Jahren wird bei den europäisch geschützten Natura 2000-Gebieten in den Niederlanden viel zu viel reaktiver Stickstoff in die Luft ausgestossen. Hauptverursacher ist die intensive Viehzucht, in der viel Ammoniak entsteht. Dies hat dramatische Folgen für die Biodiversität.

 

Der niederländische Agrar-Sektor ist riesig und einer der grössten Exporteure der Welt. Im vergangenen Jahr exportierten die rund 52’000 landwirtschaftlichen Betriebe für 122 Milliarden Euro Waren ins Ausland, fast ein Viertel davon ging nach Deutschland.

 

Das Urteil von 2019 hatte nicht nur für die Bauern grosse Folgen: Projekte in der Nähe von Naturgebieten, bei denen Stickstoff freikommt, dürfen nicht genehmigt werden. Das heisst, der Bau von Wohnungen und Strassen stockt, die Industrie kann nicht expandieren, und sogar die Energiewende kommt in Gefahr.

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