Der Bundesrat hat am 2. November 2022 das landwirtschaftliche Verordnungspaket 2022 verabschiedet. Unter anderem wird neu der Anbau von Kichererbsen und Linsen zur menschlichen Ernährung unterstützt, die Bestimmungen zur Alpwirtschaft werden geändert und die Gebühren für die Tierverkehrsdatenbank erhöht.
Im Januar 2022 eröffnete das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) die Vernehmlassung zum landwirtschaftlichen Verordnungspaket 2022. Die Vernehmlassung dauerte bis zum 2. Mai.
An der Sitzung vom 2. November 2022 hat der Bundesrat das landwirtschaftliche Verordnungspaket 2022 nun verabschiedet. Insgesamt werden 19 Verordnungen geändert. Die neuen Bestimmungen treten mehrheitlich am 1. Januar 2023 in Kraft.
Volle Beiträge bei vorzeitiger Abalpung
Gebiete, in denen Schafe gesömmert werden, sollen nachhaltig landwirtschaftlich bewirtschaftet werden können, auch wenn sich dort vermehrt Grossraubtiere und vor allem Wölfe aufhalten. Deshalb werden die Bestimmungen zur Sömmerung rückwirkend auf den 1. Januar 2022 angepasst. Die Sömmerungsbeiträge für Schafe, die in bestimmten Weidesystemen gehalten werden, werden erhöht.
Ausserdem ist es neu möglich, die Sömmerungsbeiträge auch dann vollständig auszuzahlen, wenn wegen der Wolfspräsenz die Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter gezwungen sind, mit den Herden vorzeitig von der Alp zu kommen. «Damit soll die langfristige Bewirtschaftung der Alpen gesichert werden», schreibt der Bundesrat.
Versorgungssicherheit: 700 Fr./ha
Ebenfalls in der Direktzahlungsverordnung werden einige Bestimmungen angepasst, die im Verordnungspaket vom April 2022 zur parlamentarischen Initiative 19.475 geändert wurden. Erstens wird der Basisbeitrag der Versorgungssicherheit für das Jahr 2023 weniger stark gesenkt und auf 700 Fr./ha festgelegt. Er ist 100 Franken höher, als vom Bundesrat im April veranschlagt.
Zweitens wird die vierjährige Verpflichtungsdauer der zwei Direktzahlungsprogramme zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit aufgehoben, und die Verpflichtung zur Anmeldung beider Programme wird ein Jahr später in Kraft gesetzt. Dadurch wird die Umsetzung der parlamentarischen Initiative erleichtert.
Mehr Eiweisspflanzen aus der Schweiz
Mit Einzelkulturbeiträgen will der Bund den Anbau von Bohnen, Erbsen, Kichererbsen, Lupinen und Linsen zum Essen fördern. Deshalb wird ab 2023 wird ein jährlicher Beitrag von 1000 Franken pro Hektare ausgerichtet. Ziel ist, den Ausbau des Angebots an Lebensmitteln mit hohem Anteil an pflanzlichen Proteinen aus Schweizer Produktion zu fördern, wie der Bundesrat am Mittwoch mitteilte.
Der Bundesrat will mit dem Beitrag auch der steigenden Nachfrage von pflanzlichen Proteinen und dem Trend nach einer ausgewogeneren, pflanzenbasierten Ernährung Rechnung tragen. Bisher wurden Eisweisspflanzen vor allem für die Produktion von Tierfutter angebaut.
TVD: Höhere Gebühren
In der Verordnung über die Identitas AG und die Tierverkehrsdatenbank (TVD) werden die Gebühren für die TVD gegenüber 2022 um rund 50 Prozent erhöht. Sie waren in den Jahren 2018 und 2019 vorübergehend gesenkt worden, um die Reserven der Identitas AG zu reduzieren. Dieses Ziel ist erreicht worden.
Mit dieser Verordnungsänderung werden die Gebühren auf ein mittel- bis langfristig kostendeckendes Niveau angehoben, damit die Identitas AG ihre Aufgaben, insbesondere die Bekämpfung von Tierseuchen, wahrnehmen kann.
Überarbeitung der Strukturverbesserungsverordnung
Die revidierte Strukturverbesserungsverordnung, deren Aufbau und Lesbarkeit verbessert wurden, lehnt sich stark an die bereits geltenden Bestimmungen an. Sie enthält zudem einige materielle Änderungen. So enthält sie zusätzliche Massnahmen, die die Landwirtschaft beim Erreichen der Ziele der Absenkpfade unterstützen. Dazu gehört zum Beispiel die Gewährung von Finanzhilfen für die Pflanzung von robusten Reb-, Stein- und Kernobstsorten.
Freiberger: Prämie bleibt
Für Schweizer Rassen mit Gefährdungsstatus «kritisch» oder «gefährdet» wird eine Erhaltungsprämie eingeführt. Die Freibergerrasse, die bisher bereits unterstützt wurde, wird neu analog zu den anderen Schweizer Rassen via diese Prämie gefördert. Die Höhe der Prämie pro Freibergerstute mit Fohlen wird jedoch beibehalten.
Zulagen für Milch: Auftrag ans WBF
Zulagen für verkäste Milch sowie für die Fütterung des Milchviehs ohne Silage sollen direkt an die Bauern ausbezahlt werden können. Zurzeit ist die Auszahlung nur an Milchverarbeiter-Betriebe möglich. Im Vorschlag zum Verordnungspakt 2022 wurde eine Änderung der Praxis auf 2024 angestrebt.
Der Bundesrat hat nun das WBF beauftragt, ihm bis Ende 2023 einen neuen Entwurf zur Änderung der Milchpreisstützungsverordnung vorzulegen. «Der Vorschlag, der in Zusammenarbeit mit der Branche ausgearbeitet werden wird, wird die notwendigen Verwaltungsbestimmungen enthalten, um die Zulage für verkäste Milch und die Zulage für Fütterung ohne Silage direkt an die Milchproduzentinnen und -produzenten auszahlen zu können», schreibt der Bundesrat.
Wichtigste Änderungen
Direktzahlungsverordnung
- Verordnungspaket zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative 19.475 vom 13. April 2022: Einige Bestimmungen zu den Produktionssystembeiträgen werden präzisiert oder ergänzt, damit die Umsetzung reibungslos funktioniert. Die 4-jährige Verpflichtungsdauer der zwei Direktzahlungsprogramme zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit wird aufgehoben und die Verpflichtung zur Anmeldung beider Programme wird ein Jahr später in Kraft gesetzt. Ausserdem wird der Basisbeitrag für die Versorgungssicherheit vorerst auf 700 Fr./ha festgelegt. Er ist damit 100 Fr./ha höher, als gemäss Bundesratsentscheid vom 13. April 2022. Gleichzeitig werden die Produktionserschwernisbeiträge der Versorgungssicherheit je Zone um 100 Fr./ha weniger stark erhöht.
- Anpassung Sömmerungsbestimmungen: Neben einer Erhöhung des Sömmerungsbeitrags um 100 Fr. pro Normalstoss für Schafe, welche in den Weidesystemen «ständige Behirtung» oder «Umtriebsweide mit Herdenschutzmassnahmen» gehalten werden, wird auch eine Regelung für die Auszahlung der vollen Beiträge bei einer vorzeitigen Abalpung infolge Grossraubtierpräsenz verankert. Diese Änderungen werden rückwirkend per 1. Januar 2022 in Kraft gesetzt. Im Rahmen des nächsten Verordnungspakets soll zudem einem von vielen Organisationen und Kantonen eingebrachtes Anliegen aus der Vernehmlassung Rechnung getragen werden, indem ein System mit Zusatzbeiträgen entwickelt wird, das nicht nur für Schafe, sondern für alle Tierkategorien mit einem erhöhten betrieblichen Aufwand infolge Grossraubtierpräsenz zugänglich sein soll.
- ÖLN Nährstoffbilanz: Mit einer vereinfachten Bilanzierung des Nährstoffhaushaltes («Schnelltest Suisse-Bilanz») können Kantone Betriebe von der Berechnungspflicht nach der Methode «Suisse-Bilanz» befreien.
- Anmeldung und Einreichung des Gesuchs um Direktzahlungen: Wenn ein Betrieb in einem anderen Kanton als dem Wohnsitzkanton des Bewirtschafters des Betriebs liegt, können der Wohnsitzkanton des Bewirtschafters und der Standortkanton des Betriebs vereinbaren, dass der Standortkanton des Betriebszentrums für den Vollzug zuständig ist. Bei Sömmerungs- und Gemeinschaftsweidebetrieben gilt dies ebenfalls.
- Verzicht auf den unmittelbaren Ausschluss aus der Landwirtschaftlichen Nutzfläche (LN) bei Verunkrautung: Für verunkrautete Flächen setzen die Kantone eine Sanierungsfrist, bevor diese aus der LN ausgeschlossen werden.
Kontrollen auf Landwirtschaftsbetrieben
- Mindestens 5% der Betriebe sollen jährlich aufgrund eines begründeten Verdachtes oder aufgrund der jährlich festgelegten Bereiche mit höheren Risiken für Mängel kontrolliert werden. Neu angemeldete und kontrollierte Direktzahlungsprogramme zählen nicht mehr wie bisher zu den 5%.
- Die Kantone müssen die Kulturen künftig nicht mehr explizit vor Ort kontrollieren, sondern können diese auch via Satellitenbilder oder mit anderen Methoden überprüfen.
- Die Bestimmungen der Luftreinhalteverordnung zur Lagerung und Ausbringung flüssiger Hofdünger werden in den Geltungsbereich und das Kontrollkonzept der VKKL integriert.
Einzelkulturbeitragsverordnung
- Die Förderung von Körnerleguminosen zu Futterzwecken mit Einzelkulturbeiträgen wird auf Körnerleguminosen für die menschliche Ernährung ausgeweitet. Die Stützung von 1000 Franken pro Hektare und Jahr wird für sechs botanische Gattungen von Leguminosen ausgerichtet: Phaseolus (Bohnen), Pisum (Erbsen), Lupinus (Lupinen), Vicia (Wicken), Cicer (Kichererbsen) und Lens (Linsen).
Verordnung über die Identitas AG
- Weil die Gewinnreserven der Identitas AG 2017 zu hoch waren, wurden die TVD-Gebühren 2018 und 2019 gesenkt. Nach vier bzw. fünf Jahren ist das angestrebte Ziel erreicht. Mit der vorliegenden Verordnungsänderung werden die Gebühren auf ein mittel- bis langfristig kostendeckendes Niveau angehoben, so dass die Identitas AG ihre Aufgaben langfristig wahrnehmen kann.
Landwirtschaftliche Begriffsverordnung
- Der bisher einschränkende Artikel 2 Absatz 3 wird aufgehoben. Ehe- und Konkubinatspartner oder Personen in eingetragener Partnerschaft sollen inskünftig selbstständige Betriebe bewirtschaften und zusammen eine Betriebs- oder Betriebszweiggemeinschaft gründen können.
- Die von den Kantonen bewilligten Flächen mit Schwarzbrachen zur Bekämpfung von Erdmandelgras werden nicht mehr aus der LN ausgeschlossen. Damit berechtigen sie auch ohne Kultur während der Sanierungsphase zu Direktzahlungen.
Strukturverbesserungsverordnung
- Bei einzelbetrieblichen Massnahmen sind Genossenschaften von einer Unterstützung nicht mehr ausgeschlossen.
- Für juristische Personen ist bei Beitragsfällen nur noch ein Baurecht von 20 Jahren anstelle von bisher 30 Jahren erforderlich.
- Für Umweltmassnahmen ist kein Baurecht mehr erforderlich.
- Investitionshilfen sind auch für Pächter innerhalb der Familie möglich.
- Ab Bergzone III wird die erforderliche Betriebsgrösse mit 0,60 Standardarbeitskräften (SAK) festgelegt, um die Bewirtschaftung dieser Gebiete zu sichern.
- Bei gemeinschaftlichen Massnahmen müssen mindestens zwei der beteiligten Einheiten eine Betriebsgrösse von 0,60 SAK oder mehr aufweisen.
- Bei Investitionskrediten wird der minimale Rückzahlungsbetrag aufgehoben. Der minimale Betrag ist für alle Massnahmen einheitlich auf 20 000 Franken festgelegt.
- Periodische Wiederinstandstellungen von Bewässerungsanlagen und Wasserversorgungen werden nicht mehr unterstützt. Die Arbeiten können künftig in Sanierungsprojekte integriert werden.
- Starthilfedarlehen werden in der Regel innerhalb von 10 Jahren zurückbezahlt. Neu kann im Fall von Stundungen die Rückzahlung hinausgeschoben werden. Spätestens nach 14 Jahren muss die Starthilfe zurückbezahlt sein.
Schlachtviehverordnung
- Gestützt auf die Vollzugserfahrung müssen die Beanstandungen für alle Tiergattungen bis spätestens um 24.00 Uhr des Schlachttags bei der beauftragten Organisation eingereicht werden.
- Die beauftragte Organisation erhält die Kompetenz für ihren Aufwand bei ungerechtfertigten Beanstandungen Gebühren zu erheben. Die konkrete Ausgestaltung der kostendeckenden Gebühren liegt in der Kompetenz der beauftragten Organisation und muss vom WBF bewilligt werden.
- Die bestehende Befristung der Vertragsdauer der Leistungsvereinbarungen mit der beauftragten Organisation auf vier Jahre wird ersatzlos gestrichen
Tierzuchtverordnung
- Es werden Erhaltungsbeiträge für Schweizer Rassen mit dem Gefährdungsstatus «kritisch» und «gefährdet» eingeführt. Die Freibergerrasse wird neu analog zu den anderen Schweizer Rassen über diese Massnahme gefördert. Die zusätzlichen Beiträge zur Erhaltung der Freibergerrasse nach Artikel 24 der gültigen TZV werden aufgehoben. Weil die Freibergerrasse bisher als einzige Schweizer Rasse tierbezogene Erhaltungsbeiträge erhalten hat, wird der Status Quo bezüglich der Beitragshöhe pro Stute für den Freiberger beibehalten: Stuten mit Fohlen der Freibergerrasse erhalten wie bisher jeweils 500 Franken gemäss dem bisher geltenden Artikel 24 der TZV.
- Der jährliche Höchstbeitrag zur Unterstützung von zeitlich befristeten Projekten zur Erhaltung von Schweizer Rassen und zur Langzeitlagerung von Kryomaterial wird zugunsten der Erhaltungsprämie ab dem 1. Januar 2024 von 900’000 Franken auf 500’000 Franken reduziert.
Verordnung über die sozialen Begleitmassnahmen
- Die Bestimmungen betreffend Betriebsdarlehen zur Behebung einer unverschuldeten finanziellen Bedrängnis oder zur Umschuldung werden harmonisiert.
- Im veranlagten steuerbaren Vermögen ist das Bauland nach den kantonalen Vorschriften schon bewertet. Neu soll der Vermögenswert des Baulandes nicht mehr mit dem ortsüblichen Verkehrswert korrigiert werden.
- Bei einer Verpachtung ausserhalb der Familie oder bei einem Verkauf des Betriebes kann das Betriebshilfedarlehen an die Nachfolgerin oder den Nachfolger übertragen werden. Um die Abwicklung der Veräusserung oder der Verpachtung nicht zu verhindern, sollen neu nur die Tragbarkeit und die verlangte Sicherheit gewährleistet werden.
- Nach einer Umschuldung kann nach 3 Jahren wieder ein Gesuch um Umschuldung gestellt werden. Aktuell beträgt die Frist 10 Jahre.
So müssen die Vermarkter nicht mal den "Mehrwert" Schweiz vermarkten.
Augenwischerei?