Der Digiflux-Boykott via die Website nichtszumelden.ch findet immer mehr Unterstützer. Seit dem letzten Update im «Schweizer Bauer» haben sich wieder bekannte Firmen dazu bekannt (vgl. Kasten), darunter die GVS Landi AG aus Schaffhausen, wie ein Blick auf die Website diese Woche nach dem Erscheinen eines grossen Artikels in der «NZZ am Sonntag» zeigte (vgl. Screenshot).
Sport brachte die Idee
Alle Unternehmen mit Logo dort haben dem Verein 500 Franken bezahlt. Ebenso gibt es dort fast 200 Einzelmitgliedschaften von Privatpersonen, die 50 Franken Mitgliederbeitrag überwiesen haben. Sie sind in einem Dokument auf der Website aufgelistet. Das ist Grund genug für den «Schweizer Bauer», den Initianten und Gründungspräsidenten Kilian Zwick anzurufen und mit ihm über die Hintergründe der Protestbewegung zu sprechen.
Zwick ist Geschäftsführer der Aachtal Futter AG in Erlen TG und führt einen Landwirtschaftsbetrieb mit Ackerbau und Mostobst. Er wäre von der zusätzlichen administrativen Last, die Erfassungen von Pflanzenschutzmitteln, Futter, Dünger im geplanten Digiflux-System mit sich brächten, also doppelt betroffen. Zwick ist begeisterter Ausdauersportler. «Wenn ich laufe oder auf der Loipe bin, denke ich nach», sagt er. So sei beim Sport der Gedanke aufgekommen, dass es vielleicht auch anderen Unternehmern in der Schweiz so gehe, es aber nichts nütze, wenn jeder Einzelne etwas jammert.
Sie machen mit beim Boykott
Die Liste der Unternehmen, die seit dem letzten Update im «Schweizer Bauer» am 15. Juni diese Woche neu auf der Website nichtszumelden aufgeschaltet waren: Lohnunternehmung Wyss-Ittigen, Ittigen BE; GVS Landi AG, Schaffhausen (77 Mitarbeitende, 107 Mio. Nettoerlös p.a., 2 Landi-Läden, 2 Agrola-Tankstellen, 2 AgrarCenter mit Landor, UFA, Agroline etc.); Lohnunternehmen Thomas Estermann AG, Eschenbach SG; Wicki Mühle AG, Schüpfheim LU; Stähler Suisse SA, Zofingen AG; Leu+Gygax AG, Birmenstorf AG; Rüegsegger AG, Oetwil am See ZH; Andreas Jud judwil.ch Pflanzenbau Service, Wil SG; Müller Lohnunternehmen, Rickenbach LU; Krummenacher Lohnunternehmen, Dietwil AG; Pensionsstall Pauli, Detligen BE; Schweineproduzentenorganisation Profera AG, Rothenburg LU; Lohnunternehmen Andreas Minder, Scheuren BE.
Ausufernde Bürokratie
Vernetzen sollte man sich. So rief er Kollegen an wie Lohnunternehmer Peter Briner oder Fritz Gerber von der Mühle Leibundgut, und sie wurden sich einig, gemeinsam einen Verein und die Website nichtszumelden.ch ins Leben zu rufen. Er sei kein Politiker, in keiner Partei und strebe auch nicht politische Ämter an. «Wir wollen die Branche wachrütteln und ein Signal zu den Bürokratieerfindern senden, das schien uns mit einer Homepage voller Logos am einfachsten.» Gemäss seinen Informationen sei die rechtliche Grundlage für den Bund, von den Firmen – vom Lohnunternehmer über den Golfplatzbetreiber bis hin zu den Gemeindebetrieben – die Daten für Digiflux einzutreiben, eher dünn.
Und die Druckmittel des Bundes seien geringer, nicht wie bei den Landwirtschaftsbetrieben, die von den Behörden mit der Kürzung oder Streichung der Direktzahlungen sofort gefügig gemacht werden könnten. «So ist es durchaus auch unsere Idee, dass sich die Firmen beim Widerstand gegen Digiflux vor die Landwirtschaft stellen», sagt Zwick. Sein Argument ist die administrative Last, die für die Unternehmen und die Bauernbetriebe nicht noch weiter zunehmen soll, meist auf Kosten der Freizeit oder Erholung. Das ist der Fokus des Vereins. Über die veralteten Grundlagen für die Düngung landwirtschaftlicher Kulturen in der Schweiz (Grud) beispielsweise will er nicht reden – dem Verein gehe es nur um die ausufernde Bürokratie.
Nationalrat will Bauern von Digiflux bewahren
Vom Nationalrat kommt Widerstand gegen Digiflux, mit dem berufliche Anwender künftig Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sowie Handel und Einsatz von Nährstoffen melden müssen. Die grosse Kammer im August 2024 nahm eine Motion aus der SVP an, die eine Ausnahme für Landwirte verlangt.
Eingereicht hatte den Vorstoss «Aufhebung der Pflicht zur Verwendung von Digiflux für Landwirtschaftsbetriebe» Nicolas Kolly (SVP/FR). Der Rat unterstützte ihn mit 95 zu 90 Stimmen und mit fünf Enthaltungen. Unterstützt wurde der Vorstoss von der SVP sowie einzelnen Mitgliedern von Mitte- und FDP-Fraktion. Sie geht an den Ständerat .
Kolly sagte, dass sich die Bauern auf ihre Arbeit konzentrieren müssten. «Nämlich auf die Produktion qualitativ hochwertiger Lebensmittel für unsere Bevölkerung, indem sie sich um unsere Natur und ihre Tiere kümmern», so der Freiburger. Man soll aufhören, die Bauern in Bundesbeamte zu transformieren. «Ihr Platz ist auf den Feldern, auf ihren Höfen und nicht hinter Computern», machte Kolly deutlich. Die rund 8 Millionen Franken, die für die Entwicklung von Digiflux investiert wurden, wären besser investiert gewesen, wenn sie den Bauernfamilien zugute gekommen wären, so Kolly weiter. blu
«Mitglieder mit Rückgrat»
Und was sagt Zwick denen, die sagen, auch die Unternehmen auf der Liste werden am Ende die Daten liefern. Weil sie nicht anders können: «Das wird nicht passieren. Ein sehr grosser Teil der Vereinsmitglieder ist nicht bereit, die Daten zu liefern, und wird Widerstand leisten. Sie können auch mit Unterstützung der anderen Mitglieder und des Vereins selber rechnen.» Politiker haben auch schon gewarnt, die Mitglieder könnten «das Gesicht verlieren», falls auch sie dann trotzdem irgendwann Daten liefern werden.
Das Gesetz unterscheidet zwischen zwei Erfassungsarten: Zum einen soll der Handel von Pflanzenschutzmitteln und Nährstoffen erfasst werden, zum anderen die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln.
Bund
«Da habe ich und bestimmt auch die anderen Vereinsmitglieder eine konsequente Haltung. Für uns kommt es nicht infrage, aus lauter Angst, allenfalls sogenannt das Gesicht zu verlieren, den ganzen Kopf in den Sand zu stecken und einfach alles hinzunehmen. Die Mitglieder beweisen Rückgrat.» Gab es einen Austausch mit dem Bundesamt für Landwirtschaft, das Digiflux vorantreibt, mit dem Verein? «Nein, ich wüsste auch kaum, worüber wir uns unterhalten sollten – unsere Botschaft ist ja einfach und klar. Besteht aber ein Bedürfnis, dann stehen wir zur Verfügung und empfangen jeden gerne», so Zwick.
Einführung um ein Jahr verschoben
Das Parlament hat 2021 mit der parlamentarische Initiative 19.475 eine Mitteilungspflicht für den Handel und die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln sowie den Handel von Nährstoffen beschlossen. Um dem Auftrag zu erfüllen, entwickelt das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) die Plattform Digiflux. Schweizer Landwirtschaftsbetriebe sind zukünftig verpflichtet, dem Bund sämtliche Bezüge von Kraftfutter, Mineral-, Hof- und Recyclingdüngern sowie von Pflanzenschutzmitteln zu melden. Bei den Pflanzenschutzmitteln ist auch die Anwendung meldepflichtig. Die praktische Umsetzung der Mitteilungs- und Offenlegungspflicht soll über «Digiflux» erfolgen.
Es gab harsche Kritik aus der Landwirtschaft. Das sorgte beim Bund zu einem Umdenken. «Bedenken hinsichtlich der Komplexität sowie Unstimmigkeiten über den ehrgeizigen Zeitplan für die Umsetzung standen dabei im Mittelpunkt. Diese Anliegen nimmt das BLW sehr ernst», teilte der Bund im März 2024 mit.
Die Produzenten sollen bezüglich der Einführung der Mitteilungspflicht entlastet werden. Der Zeitplan zur Einführung von Digiflux wurde angepasst. Die Mitteilungspflicht für Pflanzenschutzmittel für Verkauf und Weitergabe wird um ein Jahr verschoben. Sie tritt im Jahr 2026 in Kraft, gemeinsam mit dem Handel mit Nährstoffen. Auch die Mitteilungspflicht für berufliche Anwendungen wie Landwirte von Pflanzenschutzmitteln wird um ein Jahr nach hinten verschoben. Sie tritt neu ab dem Jahr 2027 in Kraft.
Bei den Anwendungen von Pflanzenschutzmitteln gibt es zudem eine mehrjährige Übergangsphase mit einer sehr vereinfachten Mitteilungspflicht. «Das gibt den Landwirtschaftsbetrieben die Möglichkeit, sich mit den digitalen Aufzeichnungen vertraut zu machen», teilte das BLW im März 2024 mit. blu
Mit wenigen Klicks lassen sich über bekannte Suchmaschinen importierte Düngemengen oder verkaufte Pflanzenschutzmittelmengen in der Schweiz schnell und einfach recherchieren. Diese Daten werden von verlässlichen Quellen nämlich vom Bund (BLW) bereitgestellt und sind öffentlich zugänglich. „Digiflux“ schafft daher keine neuen Erkenntnisse, sondern verdoppelt lediglich die Arbeit. Die Daten sind vorhanden, gut dokumentiert und leicht auffindbar.
Vor diesem Hintergrund ist der Mehrwert einer zentralen Datenspeicherung durch „Digiflux“ höchst fragwürdig. Das System schafft keinen erkennbaren Nutzen, sondern führt zu zusätzlicher Bürokratie und weiteren Belastungen für die Landwirte. Statt Entlastung und Effizienzsteigerung droht eine unnötige Verdopplung bestehender Prozesse, die wertvolle Ressourcen bindet und den administrativen Aufwand ohne greifbaren Vorteil erhöht.
„Digiflux“ ist weder notwendig noch zielführend und sollte daher umgehend gestoppt werden. Echte Entlastung, nicht unnötige Bürokratie, muss der Massstab für zukünftige Entwicklungen sein.