Die Getreidebranche kritisiert den fehlenden Grenzschutz. Der Schweizer Getreideproduzentenverband (SGPV) sieht dadurch die hiesige Futtergetreideproduktion in Gefahr. Doch das ist dem Bund egal.
Per Anfang Februar stieg der Zollansatz unter anderem bei Weizen um 2 Franken auf 6 Franken pro Dezitonne und bei EU-Futterweizen um 1.40 Franken auf 5.40 Franken pro 100 Kilo. Damit ist der Schweizerische Getreideproduzentenverband (SGPV) nicht einverstanden, und die Zollansätze sind aus Sicht der Getreideproduzenten zu tief.
Volatile Märkte
«Die rückläufige Preisentwicklung auf den Weltmärkten und ein zu schwacher Grenzschutz setzen die Preise für Schweizer Futtergetreide stark unter Druck», schreiben die Getreideproduzenten in einer Medienmitteilung von vergangener Woche. Diese katastrophale Situation sei vom SGPV bereits im Dezember 2022 kritisiert worden und habe sich jetzt, im Januar 2023, noch verschärft, heisst es weiter.
In den vergangenen Monaten waren die Preisschwankungen auf den internationalen Rohstoffmärkten gross, und besonders nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine schnellten die Preise in die Höhe. So lag der Weizenpreis im Mai 2022 an der Euronext in Paris bei rund 430 Euro/ Tonne. Aktuell sind es gut 280 Euro/Tonne. Mit diesem Preisniveau kann das Futtergetreide aus der Schweiz nicht mithalten.
Bei der Festsetzung der Richtpreise im vergangenen Mai einigten sich Produzenten, Verarbeiter und Tierhalter auf eine Erhöhung von 3 Franken je 100 Kilo. Der Preis für Futterweizen steig auf 39.50 Fr./100 kg, jener für Gerste auf 37.50 Fr. Es handelte sich um die erste Erhöhung seit 12 Jahren.
Swiss Granum
Schwellenpreissystem
Die Zölle beim Futtergetreide berechnen sich nach einem Schwellenpreissystem. Dieser Schwellenpreis entspricht dem angestrebten Importpreis, bestehend aus dem Preis franko Schweizergrenze plus Zoll und Garantiefondsbeiträgen. Der Bundesrat bestimmt zudem, wie der Preis franko Schweizer Grenze ermittelt wird. Danach kommt das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung zum Zug: Es legt die Importrichtwerte für alle Produkte fest. Die Importrichtwerte haben dieselbe Funktion wie die Schwellenpreise.
Die Zollansätze werden monatlich anhand von Preismeldungen und unter Berücksichtigung von Börsennotierungen überprüft. Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) definiert dann den eigentlichen Zollansatz so, dass der Importpreis innerhalb der vom WBF festgelegten Bandbreite liegt (plus/minus drei Franken pro 100 kg). Das BLW veröffentlicht die aktuellen Ansätze auf seiner Webseite.
Preisdruck auf Schweizer Getreide
Schweizer Futterweizen gibt es mehr oder weniger keinen mehr, Schweizer Gerste hat es aber noch. Der SGPV schreibt: «Unverhältnismässig hohe Importe zu sehr tiefen Preisen erzeugen einen enormen Druck auf die Preise von Schweizer Produzenten.» Wenn die Sammelstellen zu den aktuellen Konditionen verkaufen möchten, seien sie gezwungen, die Preise zu senken, um die Importe zu konkurrenzieren, so der SGPV weiter. Immer wieder kritisieren die Getreideproduzenten die fehlende Flexibilität des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) bei der Anpassung der Zölle.
Doch die Mühlen in der Verwaltung mahlen langsamer, als sich das der SGPV wünscht. Denn die Überprüfung des Grenzschutzes für Futtermittel basiert auf Art. 20 des Landwirtschaftsgesetzes und auf den Bestimmungen in der Agrareinfuhrverordnung. «Der Grenzschutz bemisst sich nach den am Stichtag ca. zwei Wochen vor der Inkraftsetzung verfügbaren Informationen wie repräsentative Preismeldungen, Börsennotierungen und Aussenhandelsdaten», sagt ein BLW-Mediensprecher, und die Vorlaufzeit von rund zwei Wochen sei für die Änderung und für die Publikation der in der Agrareinfuhrverordnung festgelegten Zollansätze erforderlich, ergänzt der Sprecher.
Produzentenverband mit offenem Brief an Agrarminister
Der Schweizer Bauernverband, der Schweizerische Getreideproduzentenverband und der Verband der kollektiven Getreidesammelstellen schlugen bereits im Dezember 2022 Alarm. Die Produktion von Schweizer Futtergetreide sei durch die tiefen Importzölle in Gefahr. In einem offenen Brief haben sich sie deshalb an Agrarminister Guy Parmelin gewendet. Er solle beim BLW intervenieren.
Gemäss den drei Verbänden sind die Preise für inländisches Futtergetreide gefährdet. «So konnten Anfang Dezember Futterweizen, Futtergerste und Körnermais zu 3 bis 4 Franken unter den Schwellenpreisen und Importrichtwerten importiert werden. Obwohl eine Erhöhung der Zölle um 2 bis 3 Franken notwendig gewesen wäre, hat das BLW im Gegenteil den Grenzschutz reduziert», kritisierten die Verbände. Bei Gesprächen mit dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) stiessen die Verbände auf taube Ohren. «Wir müssen leider feststellen, dass sich die Situation nicht verbessert, sondern sogar verschlechtert», warnten sie im Dezember. Sie hofften deshalb, dass der Agrarminister die Situation korrigiert. «Anpassungen sind sehr wichtig», hielten die Verbände fest. blu
Brot- statt Futtergetreide
Weiter heisst es von Seiten des Bundes: «Die Preisbewegungen an den internationalen Futtergetreidemärkten werden durch das Schwellenpreissystem geglättet.» Aus den Aussenhandelsdaten des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit (siehe Grafik) gehe hervor, dass sich die mittleren Preise verzollt innerhalb der definierten Bandbreite von plus/minus 3 Franken je 100 Kilo vom Schwellenpreis bewegen würden, so der Mediensprecher des BLW.
In der Verwaltung hat das Futtergetreide generell einen schweren Stand, da es erst nach dem Umweg durch den Schweine-, Muni- oder Hühnermagen der menschlichen Ernährung dient. «Im Sinn der Versorgungssicherheit ist der Produktion von Lebensmitteln zur direkten menschlichen Ernährung Priorität beizumessen, auch weil eine höhere Wertschöpfung für Kulturen wie Brotgetreide, Raps, Zuckerrüben oder Freilandgemüse möglich ist», so die Strategie des BLW in Bezug auf die Futtergetreideproduktion in der Schweiz.
Sinken Preise?
Denn laut dem BLW fällt gemessen an der Bevölkerung die inländische Ackerfläche pro Einwohner mit 0,05 Hektaren gering aus, und mit diesem begrenzten inländischen Flächenangebot sei es nicht möglich, die Futtergetreideinlandproduktion substanziell auszudehnen, heisst es.
Im Frühling wird über die neuen Richtpreise für das Futtergetreide verhandelt, und laut ihrer Medienmitteilung befürchten die Getreideproduzenten, dass die letztjährige Richtpreiserhöhung von drei Franken heuer in Gefahr ist. Darum wohl auch ihre laute Kritik am BLW bezüglich der Getreidezölle und möglicherweise wolle sich der SGPV in Stellung bringen für die Preisverhandlungen, so ein Branchenkenner. Denn nicht alle stören die tieferen Preise beim Futtergetreide. So profitieren beispielsweise die Schweine-, die Muni- und die Pouletmästerinnen.
Futtergetreide in der Schweiz
In der Schweiz wurden 2022 auf rund 146’000 Hektaren Getreide angebaut, 64’600 Hektaren (davon 17’200 ha Mais) entfielen auf das Futtergetreide. Damit lag die Fläche deutlich höher als 2021 und nur knapp unter dem hohen Wert von 2020. Die wichtigsten Futtergetreide im Jahr 2022 waren Gerste (28’300 ha), Futterweizen (9’500 ha) und Triticale (7’400 ha).
Die inländische Gerstenproduktion 2022 schätzt die Branchenorganisation Swiss Granum auf rund 175’000 bis 185‘000 t. Sie liegt somit höher als im vergangenen Jahr und dürfte im Bereich der Mengen der Jahre 2018 und 2019 ausfallen. «Dabei ist zu beachten, dass die Anbaufläche leicht höher ist als im letzten Jahr», schreibt Swiss Granum. Beim Futterweizen liegen noch keine Werte vor. blu
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