Die Motion Knecht wurde am 15. Juni 2023 vom damaligen SVP-Ständerat Hansjörg Knecht eingereicht. Er ist Inhaber einer Mühle in Leibstadt AG. Ihm geht es darum, die Stärkeproduktion in der Schweiz zu erhalten. Diese steht laut dem Text seiner Motion per Ende 2023 vor dem Aus.
Ständerat stimmte einstimmig zu
Der Bundesrat schreibt in seiner Antwort, dass der Bundesrat die Zollerleichterung im Jahr 1959 geschaffen habe und an die Bedingung geknüpft habe, dass aus dem Weizen mindestens 55 Prozent Mehl gewonnen und zu Stärke verarbeitet wird (sogenannte Ausbeute). «Wettbewerbsverzerrung und Ungleichbehandlung veranlassten eine mandatierte Anwaltskanzlei im Auftrag kleinerer Getreidemühle im Jahr 2015, die Erhöhung der Ausbeute von 55 auf 75 Prozent zu beantragen, wie sie mittlerweile technisch möglich sei», so die Landesregierung weiter. Die kleineren Mühlen argumentierten, sie würden unfair konkurrenziert – durch Backmehl aus zu einem reduzierten Zollsatz importiertem Getreide.
Der Ständerat stimmte in der Herbstsession der Vorlage mit 41 zu 0 Stimmen zu, es gab lediglich 2 Enthaltungen. In der Debatte sagte Knecht: «Die Vorteile der Motion überwiegen diese hypothetischen Befürchtungen der Verwaltung bei Weitem. Die Motion kostet den Bund nichts, erhält einen seit sechzig Jahren bestehenden Schweizer Wirtschaftszweig und damit Schweizer Wertschöpfung und Arbeitsplätze, stützt die Versorgungssicherheit durch die Erhaltung von Vermahlungskapazitäten bei den Mühlen, aber auch bei der Herstellung von Stärke und Glukose, und lässt sich sehr einfach umsetzen respektive fortführen.»
Bundesrat: Braucht keine Gesetzesänderung
Bundesrätin Karin Keller-Sutter versuchte, den Ständerat zu einem Nein zu bewegen. ««Wenn also Weichweizen zum Zwecke der Stärkeherstellung zu einem ermässigten Zollansatz eingeführt wird und ein wesentlicher Anteil davon als Backmehl auf den Markt gelangt, stellt dies eine Quersubventionierung dar; das verstösst an sich gegen das Subventionsgesetz. Dadurch entsteht für die einheimischen Brotgetreideproduzenten natürlich ein Wettbewerbsnachteil», führte sie aus.
Bezüglich Arbeitsplätze entgegnete der Bundesrat, dass für die Versorgung mit Weichweizenmehl zu international konkurrenzfähigen Preisen für die Herstellung von Stärke keine Gesetzesänderung notwendig sei. Das Zollgesetz sehe die Möglichkeit der Herabsetzung der Zollansätze für bestimmte Verwendungen vor, wenn eine wirtschaftliche Notwendigkeit nachgewiesen werde und keine überwiegenden öffentlichen Interessen entgegenstünde
Aktuell kann Weichweizen zur Herstellung von Stärke zu einem reduzierten Zollansatz von 10 Rappen pro 100 Kilogramm eingeführt werden, wenn daraus mindestens 75 Prozent Mehl gewonnen und zu Stärke verarbeitet wird. Brotgetreideimporte innerhalb des Zollkontingents unterliegen derzeit hingegen einem Grenzschutz von 23 Franken je 100 Kilo.
Bauern weibelten für ein Nein
In der Folge gab es aus bäuerlichen Kreisen starken Widerstand gegen die Vorlage. Der Berner Bauernverbandes setzte sich für ein Nein ein. «Auf der einen Seite Deklassierungen – auf der anderen Seite Importe ohne Zollschutz», hiess es in einer Mitteilung. Bis Ende 2020 habe die Ausbeutenorm bei 55% gelegen. «Die effektive und technisch mögliche Ausbeute liegt jedoch bei 75-80%. Das heisst, die Differenz von ca. 20% des so importierten Weizens (also ohne Zollschutz!) konnte auf dem inländischen, eigentlich geschützten Getreidemarkt, als Backmehl abgesetzt werden», so der Verband.
Landwirt Markus Lüscher aus Schalunen BE wandte sich mit einem Brief an die Nationalrätinnen und Nationalräte. Dort hielt er unter anderem fest: «Wir bitten Sie, die Motion abzulehnen und dem Bund den Auftrag zu geben, ein den heutigen Verhältnissen angepasstes alternatives Modell zur Stärkeherstellung auszuarbeiten, ohne dass die Getreideproduzenten Zwangsabgaben leisten müssen, welche indirekt dem Gewinn der Grossmühlen zugeführt werden.» -> Den ausführlichen Artikel gibt es hier
Nationalrat versenkt Motion
Der Nationalrat folgte dem Ständerat nicht. Mit 93 zu 86 Stimmen bei 7 Enthaltungen lehnte die Grosse Lammer die Motion ab, die damit erledigt ist. Markus Ritter (Mitte/SG) sagte im Namen der Kommissionsmehrheit, dass über diesen Kanal der technischen Mehle rund 45’000 Tonnen Weizen vermahlen werden. «Dies entspricht rund 10 Prozent der in der Schweiz gesamthaft vermahlenen Menge - also ein bedeutender Teil. Die Menge an Mehl, die aufgrund der Definition der Ausbeute aus diesem Kanal für die Produktion von Broten verwendet werden kann, beträgt rund 10’000 Tonnen», führte er aus.
Würde der Brotweizen für diese Menge an Mehl auf dem ordentlichen Weg importiert, wäre ein Zoll von 23 Franken pro 100 Kilo zu bezahlen. Der Bund würde rund 2 Millionen Franken an Zolleinnahmen generieren, sagte Ritter. Stärke verfüge über keinen Grenzschutz. Die Produktion wäre ökonomisch in der Schweiz deshalb kaum möglich. Nur mit einem Ausgleichsmechanismus konnte sich dieser Industriezweig in der Schweiz halten», hielt er fest. «Die Frage ist heute, ob wir diese Arbeitsplätze in der Schweiz erhalten und damit auch der Deindustrialisierung entgegenwirken wollen. Die Mehrheit der Kommission sagt klar ja und will ein bewährtes Instrument weiterführen», sagte der Bauernverbandspräsident weiter.
«Nationalrat liess sich nicht beirren»
Erfreut über den Entscheid des Nationalrats ist Organisation Faire Märkte Schweiz (FMS). «Der Nationalrat liess sich von der starken Müllerei-Lobby unter dem Scheinargument der Versorgungssicherheit nicht beirren und will im Getreidemarkt den Missbrauch von Marktmacht von Grossmühlen und den mit diesen liierten Grossverteilern nicht dulden», sagt FMS-Präsident Stefan Flückiger. Die Ablehnung zeige auf, wie wichtig die Arbeit für mehr Transparenz und Fairness in den Agrar- und Lebensmittelmärkten sei.
Bertschy: Wettbewerb verzerrt
Kathrin Bertschy (GLP/BE) sprach im Namen der Kommissionsminderheit. Sie fokussierte auf den ungleichen Wettbewerb zwischen Mühlen und Bauern. Weil aus dem importierten Weichweizen nicht nur Stärke hergestellt werde, sondern ein grosser Teil als Backmehl auf den Markt gelange, werde der Wettbewerb verzerrt. Dies habe auch die mandatierte Anwaltskanzlei die kleineren Mühlen kritisiert. Sie habe die Erhöhung der Ausbeutenorm auf mindestens 75 Prozent gefordert, weil sich mit moderner Mahltechnologie rund 80 Prozent Mehl gewinnen liesse. «Ergo landet ein Drittel davon aus praktisch zollfrei importiertem Weichweizen als Backmehl auf dem inländischen Markt, womit natürlich der Schutz der einheimischen Brotgetreideproduzenten unterwandert wird», sagte die Grünliberale.
Der Selbstversorgungsgrad beim Brotgetreide betrage beinahe 100 Prozent. Gelegentlich müsse gar Schweizer Brotgetreide zu Futtergetreide deklassiert werden. «Es gibt hier also eine Konkurrenz, insbesondere dann, wenn zusätzlich noch 9000 bis 10’000 Tonnen zollerleichtertes Weizenmehl in den Speisekanal kommen», hielt Bertschy fest.
So stimmten die bäuerlichen Vertreter
Ja zur Motion: Christine Bulliard-Marbach (Mitte/FR), Didier Calame (SVP/NE), Marcel Dettling (SVP/SZ), Simone de Montmollin (FDP/GE), Sylvain Freymond (SVP/VD), Martin Haab (SVP/ZH), Alois Huber (SVP/AG), Pius Kaufmann (Mitte/LU), Thomas Knutti (SVP/BE), Andreas Meier (Mitte/AG), Leo Müller (Mitte/LU), Jacques Nicolet (SVP/VD), Pierre-André Page (SVP/FR), Markus Ritter (Mitte/SG), Thomas Stettler (SVP/JU), Manuel Strupler (SVP/TG), Ernst Wandfluh (SVP/BE)
Nein zur Motion: Christine Badertscher (Grüne/BE), Kilian Baumann (Grüne/BE), Andreas Gafner (EDU/BE)
Enthalten: Katja Riem (SVP/BE), Hans Jörg Rüegsegger (SVP/BE), Priska Wismer-Felder (Mitte/LU)
Haben nicht teilgenommen: Martin Hübscher (SVP/ZH), Vroni Thalmann-Bieri (SVP/LU)
Grosse Lammer die =)