/fileadmin/images/logo.svg

Artikel werden durchsucht.

Grossmühlen kassieren erneut Niederlage

Der Nationalrat will keine Rückkehr zur langjährigen Praxis beim Import von Weichweizen zur Stärkeproduktion. Er hat sich am Mittwoch bei der Beratung des Zollgesetzes gegen eine Gesetzesänderung ausgesprochen, die eine Rechtsgrundlage dafür geschaffen hätte.

Reto Blunier |

Mit 96 zu 85 Stimmen bei neun Enthaltungen nahm der Rat zwei Einzelanträge von Martina Munz (SP/SH) und Kathrin Bertschy (GLP/BE) auf Streichung der Bestimmung an – gegen den Willen der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N). 

Allerdings liegt der verlangte Anteil erst seit Anfang 2023 bei 75 Prozent, zuvor waren es 55 Prozent. Die WAK-N wollte es mit ihrem Antrag ermöglichen, den Minimalanteil wieder zu senken.

Aktuell kann Weichweizen zur Herstellung von Stärke zu einem reduzierten Zollansatz von 10 Rappen pro 100 Kilogramm eingeführt werden, wenn daraus mindestens 75 Prozent Mehl gewonnen und zu Stärke verarbeitet wird. Brotgetreideimporte innerhalb des Zollkontingents unterliegen derzeit hingegen einem Grenzschutz von 23 Franken je 100 Kilo.

«Stärkeproduktion gefährdet»

Die Befürworter argumentierten, ohne die Bestimmung sei die Stärkeproduktion in der Schweiz gefährdet. «Die Kommission hat dieses Geschäft beraten und ist der Meinung, dass wir das so belassen sollen, wie es die Mehrheit beantragt. Es geht hier auch um die Frage der Selbstversorgung bei der Stärkeproduktion. Es geht um die Auslastung der Betriebe und es geht darum, dass wir die Stärkeproduktion in der Schweiz aufrechterhalten können», sagte Leo Müller (Mitte/LU). 

Hans Jörg Rüegsegger (SVP/BE) wollte von Müller wissen, wieso dieser Artikel jetzt nicht gestrichen werden sollte? Müller räumte ein, dass aus dem Import-Brotgetreide zu reduziertem Zollansatz Stärke und andere Produkte hergestellt werden können. «Das mag ein gewisser Vorteil sein», fuhr er fort. Würden nun aber kleinere Mengen eingeführt, entstehe Druck auf die Kleinbetriebe, weil die Grossbetriebe diese Aufgabe erledigen könnten. «Für die Kleinbetriebe bleibt nichts mehr übrig. Damit würde ein Druck auf die kleinen Mühlenbetriebe entstehen», argumentierte Müller.

Im Dezember Motion Knecht abgelehnt

Die Gegner des Antrags sahen aber darin eine versteckte Subvention für grosse Getreidemühlen. Es bedeute eine unzulässige Verzerrung des Wettbewerbs, wenn grössere Mengen Backmehl aus zum reduzierten Zollsatz importiertem Getreide auf den Markt gelangten. Die Gegnerschaft erinnerte zudem daran, dass der Nationalrat in der Wintersession eine Motion des früheren Aargauer SVP-Ständerats Hansjörg Knecht «Die Stärkeproduktion in der Schweiz erhalten» mit dem gleichen Anliegen mit 93 zu 86 Stimmen bei 7 Enthaltungen abgelehnt habe. 

Auch bei der FDP vermochte der Antrag nicht zu überzeugen. «Die Argumente, die angeführt wurden, sind nicht neu. Es ist jetzt einfach bei Gelegenheit dieser Zollgesetzrevision ein neuer Versuch, diese Regelung durchzudrücken. Und das löst nur mittelmässige Begeisterung in unserer Fraktion aus», sagte Beat Walti (FDP/ZH).

So stimmten die bäuerlichen Vertreter

Für Beibehaltung des Artikels: Christine Bulliard-Marbach (Mitte/FR), Didier Calame (SVP/NE), Marcel Dettling (SVP/SZ), Simone de Montmollin (FDP/GE), Sylvain Freymond (SVP/VD), Andreas Gafner (EDU/BE), Martin Haab (SVP/ZH), Alois Huber (SVP/AG), Martin Hübscher (SVP/ZH), Pius Kaufmann (Mitte/LU), Thomas Knutti (SVP/BE), Andreas Meier (Mitte/AG), Leo Müller (Mitte/LU), Jacques Nicolet (SVP/VD), Pierre-André Page (SVP/FR), Markus Ritter (Mitte/SG), Thomas Stettler (SVP/JU), Vroni Thalmann-Bieri (SVP/LU), Ernst Wandfluh (SVP/BE)

Für Streichung: Christine Badertscher (Grüne/BE), Kilian Baumann (Grüne/BE)

Enthalten: Katja Riem (SVP/BE), Hans Jörg Rüegsegger (SVP/BE),  Priska Wismer-Felder (Mitte/LU)

Entschuldigt:  Manuel Strupler (SVP/TG)

«Schutz der Bauern unterwandert»

Kathrin Bertschy (GLP/BE) führte im Rat aus, weshalb ihrem Minderheitsantrag zur Streichung gefolgt werden sollte. Die Problematik liege darin, dass aus dem importierten Weichweizen längst nicht mehr nur Stärke hergestellt werde. Dank dem technologische Fortschritt könne daraus bis zu 80 Prozent Mehl gewonnen werden. «Also landet rund ein Drittel aus dem praktisch zollfrei importierten Weichweizen als Backmehl auf dem inländischen Markt. Damit wird der Schutz der einheimischen Brotgetreideproduzenten unterwandert», stellte sie klar.

Mit dem Antrag soll eine veraltete, wettbewerbsverzerrende Praxis geschaffen werden, damit in diesem Wettbewerb beim Import von Weichweizen zur Stärkeproduktion ganz legal «unfair und mit ungleichen Spiessen getrickst werden könne.» Sie führte auch die Kosten auf. « Natürlich hat das Ganze auch ein Preisschild: Es sind 2,5 Millionen Franken pro Jahr», sagte Bertschy.

Antrag Bertschy

Die Mehrheit schafft eine Gesetzesgrundlage um eine Wettbewerbsverzerrung beim nahezu zollfreien Import von Weichweizen und der Verarbeitung zu Backmehl zu legitimieren und die Ausbeutenorm zur Stärkeherstellung zu senken. «Das ist wettbewerbspolitisch problematisch und hat Mindereinnahmen zur Folge», schreibt Bertschy. Der Selbstversorgungsgrad beim Brotgetreide betrage beinahe 100 Prozent. Gelegentlich müsse Schweizer Brotgetreide sogar zu Futtergetreide deklassiert werden. «Es ist nicht ersichtlich, warum zusätzliche 9000 oder 10 000 Tonnen zollerleichtertes Weizenmehl in den Speisekanal zugeführt werden sollten, welche die inländischen Produzenten unfair konkurrenzieren und erst noch zu Zollausfällen führen», argumentierte die Bernerin.

Hintergrund der Erhöhung des verlangten Anteils auf 75 Prozent von Anfang vergangenen Jahres ist ein Beschwerdeentscheid des Bundesrats aus dem Jahr 2015. Beschwerde eingereicht hatte damals eine Anwaltskanzlei im Auftrag kleinerer Getreidemühlen. Diese argumentierten, sie würden unfair konkurrenziert, durch Backmehl aus zu einem reduzierten Zollsatz importiertem Getreide. Der Bundesrat hatte die Zollerleichterung für Stärkeproduktion im Jahr 1959 geschaffen und an die Bedingung geknüpft, dass aus dem Weizen mindestens 55 Prozent Mehl gewonnen und zu Stärke verarbeitet wird (sogenannte Ausbeute). Mit technischen Fortschritt ist dieser Wert auf bis zu 80 Prozent angestiegen.

Die Motion Knecht wurde am 15. Juni 2023 vom damaligen SVP-Ständerat  Hansjörg Knecht  eingereicht. Er ist Inhaber einer  Mühle  in Leibstadt AG. Bei seinem Vorstoss ging es ihm darum, die Stärkeproduktion in der Schweiz zu erhalten. Der Ständerat stimmte in der Herbstsession der Vorlage mit 41 zu 0 Stimmen zu, es gab lediglich 2 Enthaltungen. 

In der Folge gab es aus bäuerlichen Kreisen starken Widerstand gegen die Vorlage.  Der Berner Bauernverbandes setzte sich für ein Nein ein.  «Auf der einen Seite Deklassierungen – auf der anderen Seite Importe ohne Zollschutz», hiess es in einer Mitteilung. Bis Ende 2020 habe die Ausbeutenorm bei 55% gelegen. «Die effektive und technisch mögliche Ausbeute liegt jedoch bei 75-80%. Das heisst, die Differenz von ca. 20% des so importierten Weizens (also ohne Zollschutz!) konnte auf dem inländischen, eigentlich geschützten Getreidemarkt, als Backmehl abgesetzt werden», so der Verband.

Landwirt Markus Lüscher aus Schalunen BE wandte sich mit einem Brief an die Nationalrätinnen und Nationalräte. Dort hielt er unter anderem fest: «Wir bitten Sie, die Motion abzulehnen und dem Bund den Auftrag zu geben, ein den heutigen Verhältnissen angepasstes alternatives Modell zur Stärkeherstellung auszuarbeiten, ohne dass die Getreideproduzenten Zwangsabgaben leisten müssen, welche indirekt dem Gewinn der Grossmühlen zugeführt werden.» ->  Den ausführlichen Artikel gibt es hier

In der Wintersession 2023 versenkte der Nationalrat den Vorstos s, der vor allem Grossmühlen bevorzugt hätte, mit 93 zu 86 Stimmen bei 7 Enthaltungen.

    ×

    Schreibe einen Kommentar

    Kommentar ist erforderlich!

    Google Captcha ist erforderlich!

    You have reached the limit for comments!

    Das Wetter heute in

    Umfrage

    Lässt Ihr Trockenfutter produzieren?

    • Ja, aus Gras:
      6.41%
    • Ja, aus Mais:
      9.44%
    • Ja, aus Gras und Mais:
      8.6%
    • Nein:
      75.55%

    Teilnehmer insgesamt: 1186

    Zur Aktuellen Umfrage

    Bekanntschaften

    Suchen Sie Kollegen und Kolleginnen für Freizeit und Hobbies? Oder eine Lebenspartnerin oder einen Lebenspartner?