2014 ist eine Frau auf einer Alp im österreichischen Bundesland Tirol nach einer Kuh-Attacke gestorben. Der Oberste Gerichtshof (OGH) stellte eine Teilschuld des Landwirts und der Frau fest. Der OGH bestätigt damit das Urteil der Vorinstanz.
Der Fall erschütterte Österreich. Am 28. Juli 2014 war im Pinnistal, einem Seitental des Stubaitals, eine 45-jährige Deutsche, die mit ihrem Hund unterwegs war, von Kühen attackiert und zu Tode getrampelt worden.
Gefährlichkeit seiner Mutterkühe
Der Fall landete anschliessend vor Gericht. Nun hat der Oberste Gerichtshof, die letzte Instanz in Zivil- und Strafverfahren, ein abschliessendes Urteil gefällt. Und die Richter in Wien bestätigten die Berufungsentscheidung des Oberlandesgericht Innsbruck (OLG) von August 2019.
Demnach sind für den Unfall zur Hälfte der Landwirt als Tierhalter und das Todesopfer als Hundehalterin verantwortlich, wie die «Tiroler Tageszeitung» berichtet. Das Gericht sagt zum Landwirt, dass dieser um die Gefährlichkeit seiner Mutterkühe wissen musste: «Zu dieser relativen Gefährlichkeit der Tiere kam die erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Schädigung im Bereich um Alpgebäude und das Gasthaus.»
Hundehalterin müssen um Gefahr wissen
Gemäss dem Obersten Gerichtshof (OGH) hätte der Landwirt als Tierhalter darauf reagieren müssen. Das Aufstellen vom Zäunen im ebenen Bereich ist gemäss dem Gericht nicht ungewöhnlich und beeinträchtigt den Weidebetrieb nicht. Die Abzäunung entlang der Strasse zur Alp sei so eine «zumutbare und nicht gravierende Interessen beeinträchtigende Massnahme» gewesen.
Auch die Hundehalterin trifft eine Teilschuld. Diese hat gemäss OGH Warnschilder wie auch Abstandsregeln ignoriert. «Hundehalter müssen über die damit verbundenen Gefahren Bescheid wissen und sich dementsprechend verhalten», so der OGH.
Die Rente und der Schadenersatz für die Hinterbliebenen wurden vom Obersten Gericht bestätigt. Der Witwer erhält 54’000 Euro Schadensersatz sowie eine monatliche Rente von 600 Euro. Der Sohn bekommt rund 24’000 Euro sowie eine monatliche Rente in der Höhe von 180 Euro.
Regeln für Wanderer
Österreich hat mit zehn Regeln für Wanderer, die auf Alpen mit Weidebetrieb unterwegs sind, im Frühling 2019 reagiert. Zu den Regeln gehört das Anleinen von Hunden - oder im Fall einer Kuh-Attacke - deren sofortiges Loslassen, das deutliche Umgehen einer Herde sowie der einzuhaltende Abstand besonders zu Kälbern. Ausserdem wird vor Schreien, Pfeifen und hektischen Bewegungen, die die Tiere nervös machen könnten, gewarnt.
In Österreich stehen nach Angaben der Landwirtschaftskammer rund 270'000 Stück Vieh auf den knapp 8000 Alpen. Viele Wanderwege kreuzen die Areale.
Kühe hatten es auf Hunde abgesehen
Die Tragödie ereignete sich im Juli 2014 im Pinnistal, einem Seitental des Stubaitals. Eine 45-jährige Deutsche war mit ihrem Hund auf einem Wanderweg unterwegs. Plötzlich liefen die Kühe seitlich auf sie zu. Die Herde hatte es vermutlich auf dem Hund abgesehen. Die Frau hatte ihren Hund angeleint. Dieser soll sich jedoch nicht aggressiv gegenüber den Kühen verhalten haben.
Die Wanderin wurde angegriffen und schwer verletzt. Während 45 Minuten wurde die 45-Jährige reanimiert. Die Deutsche erlag jedoch ihren Verletzungen. Gemäss dem Obduktionsbericht wurde die Frau zu Tode getrampelt. Der Bauer hatte entlang des Weges keinen Zaun aufgestellt. In der Folge beklagte der Wittwer den Bauern.
Erstinstanz verhängte drastische Strafe
Das Landesgerichts Innsbruck verhängte gegen den Landwirt eine drastische Strafe. Es sprach im Februar 2019 dem Ehemann und dem Sohn des Opfers insgesamt rund 180'000 Euro Schadensersatz zu. Zusätzlich hätte der Bauer dem Mann eine monatliche Rente von 1200 Euro und dem Sohn von 350 Euro zahlen müssen. Insgesamt belief sich die Summe auf gegen 490'000 Euro (560'000 Franken).
Der Bauer reichte gegen das erstinstanzliche Urteil des Landesgerichts Innsbruck Berufung ein. Das Oberlandesgericht Innsbruck (OLG) gab dem Landwirt im August 2019 teilweise recht und reduzierte die Geldstrafe. Die grundsätzliche Haftung des Bauern bleibe zwar aufrecht, erklärte das OLG. Das Opfer trage aber zu 50 Prozent eine Mitschuld. Das Oberlandesgericht hielt in seinem Urteil fest, dass von Hundehaltern verlangt werden kann, dass sie über die mit dem Halten von Hunden typischerweise ausgehenden Gefahren Bescheid wissen.
Die grundsätzliche Haftung des Landwirts blieb aufrecht, da dem Bauer bewusst gewesen sei, dass seine Mutterkühe sensibel und aggressiv auf Hunde reagieren, so das Gericht. Zudem habe der Landwirt auch gewusst, dass seine Kühe in diesem Jahr besonders aggressiv gewesen seien. Ein Aufstellen eines Warnschilds ist deshalb nicht ausreichend. Gemäss dem Oberlandesgericht hätte der Bauer entlang des neuralgischen Teils des Weges, rund 500 Meter, seiner Weidefläche einzäunen müssen
Der Oberste Gerichtshof hat nun den Entscheid des OLG bestätigt.
Landwirt geht seit 20 Jahren auf die Alp
«Das Urteil war für mich ein Schock. Wir haben alles gemacht, was vorgeschrieben ist», sagte Reinhard Pfurtscheller aus Neustift im Stubaital Ende Februar zum TV-Sender ORF im Bezug auf das Urteil des Landesgerichts Innsbruck. Gemäss Erstinstanz hätte der Landwirt den Hinterbliebenen 490'000 Euro zahlen müssen.
Die Alp, wo sich der Unfall ereignete, wird seit dem 16. Jahrhundert genutzt. «Für mich ist ein solches Urteil unverständlich», so der Landwirt zu «ORF». Seit 20 Jahren geht Pfurtschelle mit seinen Rindern auf die Alp. Zuvor war noch nie etwas passiert.
Er hat nun Angst, seine Küh zu alpen. «Ich habe immer ein ungutes Gefühl. Ich hoffe dann immer wieder, dass nichts passiert», erklärte Pfurtscheller. «Wenn ich dann zurückkehre und nichts passiert, bin ich erleichtert», sagte er weiter. Den Hof hat er zusammen mit seiner Frau vor 20 Jahren von einem Landwirt übernehmen können. Das Urteil ist für ihn nicht nachvollziehbar. «Ich kann mich nicht den ganzen Tag neben den Kühen hinstellen und schauen, was sie machen. Sie können sich frei bewegen, haben gewisse Wasserquellen und müssen deshalb immer wieder den Weg queren. Ich kann nicht jeden Wanderweg auszäunen», sagte er im Februar gegenüber dem ORF.