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Laborfleisch: Migros reicht Antrag ein

Ein israelisches Start-up-Unternehmen hat zusammen mit der Migros in der Schweiz den ersten Antrag für kultiviertes Fleisch in Europa eingereicht. Vor 2030 dürfte das Produkt allerdings nicht in die Läden kommen.

blu/sda |

Das Start-up Aleph Farms hat den Antrag beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) eingereicht, wie es am Mittwoch mitteilte. Es verfolgt gemäss eigenen Angaben das Ziel, die «weltweit ersten kultivierten Rindersteaks unter der Marke Aleph Cuts» in der Schweiz zu verkaufen.

Der Antrag ist in Zusammenarbeit mit der Migros erfolgt, wie die Migros auf Anfrage von Keystone-SDA bestätigte. Sie hat seit 2019 in das Unternehmen investiert. In der Schweiz ist Laborfleisch bisher nicht zum Verkauf zugelassen.

Nicht vor 2030 in den Migros-Läden

Aleph Farms ist in Israel ansässig. Die Firma bezeichnet sich als Unternehmen für zelluläre Landwirtschaft, welches die Nachhaltigkeit, die Lebensmittelsicherheit und das Tierschutzniveau verbessern will. Sollten die Behörden den Antrag gutheissen, wäre dies eine Premiere in Europa. Ähnliche Anträge sind auch in Asien und in den Vereinigten Staaten gestellt worden. Das US-Landwirtschaftsministerium hat vor wenigen Wochen die Genehmigung zum Verkauf von Laborfleisch erteilt. Die beiden kalifornischen Firmen Upside Foods und Good Meat dürfen Pouletfleisch aus tierischen gezüchteten Zellen anbieten. Bisher hat erst Singapur den Verkauf erlaubt.

In der Schweiz dürfte es trotz Gesuch noch lange dauern, bis Laborfleisch erhältlich ist. Sobald die Behörden ihre Zustimmung gegeben haben, dürfte das Produkt zunächst der gehobenen Gastronomie angeboten werden, sagte Migros-Sprecher Tristan Cerf auf Anfrage. Vor 2030 werde es aber kaum möglich sein, kultiviertes Fleisch in Supermärkten zu kaufen.

Prüfung wird Monate dauern

Das BLV bestätigte, dass es sich um den ersten Antrag dieser Art in der Schweiz handelt. Wie lange die Bearbeitung dauere, könne noch nicht abgeschätzt werden. Dies hänge von den eingereichten Dokumenten ab und nehme bestimmt mehrere Monate in Anspruch.

Die Nachrichtenagentur AFP berichtete am Mittwoch ebenfalls über den Antrag. Ihr zufolge gehört Hollywood-Schauspieler Leonardo di Caprio zu den Investoren von Aleph Farms. Gemäss einer gemeinsamen Studie von Aleph Farms und Migros sind 74 Prozent der Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten offen für die Idee, dieses Fleisch zu probieren. Dabei gehe es ihnen sowohl um Neugier als auch Fragen der Nachhaltigkeit und des Tierschutzes.

Erstes Labor-Rindersteak entwickelt

«Gemeinsam mit Migros etablieren wir die Kuhzelle als dritte Kategorie von Lebensmitteln aus Rindern, neben Rindfleisch und Milch. Wir freuen uns auf die enge Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV), um den Zugang zu hochwertiger Ernährung und weltverändernder Innovation zu ermöglichen», heisst es vonseiten Aleph Farms.

Das 2017 gegründete Unternehmen hat 2018 das nach eigenen Angaben das weltweit erste kultivierte dünn geschnittene Rindersteak, 2021 das weltweit erste kultivierte Ribeye-Steak und 2022 kultiviertes Kollagen auf den Markt gebracht. Unter der Marke «Aleph Cuts» bringt das israelische Unternehmen sein erstes Produkt auf den Markt, das kultivierte Petit Steak, das aus nicht modifizierten Zellen einer hochwertigen Black-Angus-Kuh gezüchtet wird. Noch in diesem Jahr plant Aleph Farms, «Aleph Cuts» in Singapur und Israel in beschränkten Mengen auf den Markt zu bringen.

In-vitro-Fleisch

In-vitro-Fleisch (von lateinisch in vitro ‚im Glas‘), auch Kulturfleisch, kultiviertes Fleisch, schlachtfreies Fleisch, umgangssprachlich Laborfleisch, ist das Ergebnis von Gewebezüchtung mit dem Ziel, Fleisch zum menschlichen Verzehr im industriellen Massstab in vitro herzustellen. In-vitro-Fleisch wird zu den Fleischalternativen gezählt.

In-vitro-Fleisch wird das Potenzial zugeschrieben, erhebliche globale Probleme im Zusammenhang mit den Umweltauswirkungen der Fleischproduktion, dem Tierschutz, der Ernährungssicherung und der menschlichen Gesundheit zu lösen. Die zugrundeliegende Biotechnologie wird schon länger in der Medizin mit menschlichen Hautzellen verwendet, um Transplantate für Schwerbrandverletzte zu züchten.

2013 erster Burger präsentiert

Das niederländische Unternehmen Mosa Meat hatte 2013 den ersten Burger aus im Labor kultiviertem Fleisch vorgestellt. Dieser wurde damals mit Kosten von über 270’000 Franken veranschlagt. «Der Burger war 2013 noch so teuer, weil es damals eine neue Wissenschaft war und wir in sehr kleinem Massstab produzierten», erklärte eine Sprecherin von Mosa Meat im Sommer 2019. «Sobald die Produktion hochgefahren ist, rechnen wir mit Herstellungskosten von rund neun Euro», sagte sie weiter.

Grösste Laborfleisch-Anlage im Bau

Der weltweit führende Fleischkonzern JBS hat mit dem Bau der weltweit grössten Anlage für kultiviertes Rinderprotein im spanischen San Sebastián begonnen. Wie das Unternehmen im Mai 2023 mitteilte, soll die grosstechnische Industrieanlage von BioTech Foods, an der JBS mit 51 % Mehrheitsaktionär ist, bis Mitte 2024 errichtet sein. Dort sollen nach Fertigstellung jährlich mehr als 1000 Tonnen Kulturprotein produziert werden; mittelfristig kann die Kapazität auf 4000 Tonnen erweitert werden. Die Investitionskosten liegen bei rund 38 Mio. Euro (37 Mio. Fr.). Mit dem Vorhaben will JBS zu einem der weltweit führenden Unternehmen im Bereich kultivierter Proteine werden.

Ziel sei, so hiess es in einer früheren Mitteilung, Produkte wie Hamburger, Steaks, Wurstwaren oder Frikadellen mit der gleichen Qualität, Sicherheit, Geschmack und Textur wie bei herkömmlichen Fleischprodukten zu erzeugen. 

Steigende Fleischnachfrage

Seither wurden mehrere Unternehmen gegründet, die in diesem Bereich forschen und auf den Marktdurchbruch hoffen. Dies vor allem auch deshalb, weil der Fleischkonsum weiter steigen wird. Gemäss Berechnungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) wird die weltweite Nachfrage nach Fleisch bis 2050 um 50 Prozent ansteigen.

Die Befürworter von sogenanntem «Clean Meat» glauben, dass Laborfleisch der einzige umweltverträgliche Weg ist, um den wachsenden Fleischbedarf zu decken. Studien gehen davon aus, dass der Markt für solche Produkte bis im Jahr 2050 auf etwa 10 Milliarden US-Dollar anwachsen wird. Die Ressourcen für die Lebensmittelproduktion jedoch sind begrenzt. Die Land- und Ernährungswirtschaft ist gemäss Forschern gefordert, Lösungen für eine effiziente Produktion von Nahrungsmitteln zu finden, welche die Umwelt nicht zusätzlich belasten.

Laborfleisch schneidet nicht besser ab

Neue Studien zweifeln daran, dass die Herstellung von «kultiviertem Fleisch» umweltfreundlicher ist als jene von herkömmlichem Fleisch. Zwar entstehen etwa bei der Anzucht von Hackbällchen 75 Prozent weniger Treibhausgase als etwa bei Rindern auf der Weide,  berichtete die «NZZ am Sonntag» im Oktober 2021 mit Verweis auf eine neue Übersichtstudie.

Beim Schweinefleisch jedoch sind die Treibhausgasemissionen von Laborfleisch um ein Zweifaches höher, bei Geflügel um ein Dreifaches. Noch schlechter sieht die Bilanz beim Energieverbrauch aus. Die Zellen brauchen 37 Grad Körpertemperatur, und auch die Sterilisation der Anlagen sowie die Herstellung der notwendigen Nährmedien benötigen Energie. Je nach Studie schneidet das Fleisch aus dem Bioreaktor in Sachen Energieverbrauch schlechter ab als herkömmliches Rindfleisch, auf jeden Fall aber schlechter bei Huhn oder Schwein.

«Heilsversprechen»

Gemäss einer niederländischen Studie müssten mehr als 30 Prozent der notwendigen Energie aus erneuerbaren Quellen stammen, damit das Laborfleisch beim CO2-Fussabdruck mit konventionell hergestelltem Geflügel- und Schweinefleisch mithalten kann. Beim Land- und Wasserverbrauch ist Laborfleisch ressourcenschonender.

«Man kann noch gar keine zuverlässigen Aussagen darüber machen, wie sich In-vitro-Fleisch auf Klima, Umwelt und Gesundheit auswirken wird», sagte Technikphilosophin Silvia Woll vom Karlsruher Institut für Technologie zur «NZZ am Sonntag». Die Unternehmen würden Heilsversprechen aussprechen. «Doch wenn man an der Basis klopft, klingt es hohl», kritisierte Woll.

Hohe Kosten für Nährmedium

Und gemäss der niederländische Unternehmensberatung CE Delf ist die Erzeugung von In-Vitro-Fleisch  um den Faktor 100 bis 10’000 teurer als die Produktion herkömmlicher Ware. Um «Laborfleisch» konkurrenzfähig zu machen, müssten also die Produktionskosten erheblich gesenkt werden.  Sogar bei einer deutlichen Verringerung des Nährmediumbedarfs sowie einer erheblichen Verbilligung der Wachstumsfaktoren und Proteine würde die Erzeugung von In-vitro-Fleisch aber noch rund 15 $ (13.8 Fr.) je Kilogramm kosten, im Vergleich zu etwa 2 $ (1,85 Fr.) für herkömmliches Fleisch.

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