Der Schweizer Bauernverband, der Schweizerische Getreideproduzentenverband und der Verband der kollektiven Getreidesammelstellen schlagen Alarm. Die Produktion von Schweizer Futtergetreide sei durch die tiefen Importzölle in Gefahr. In einem offenen Brief wenden sich sie deshalb an Agrarminister Guy Parmelin. Er soll beim BLW intervenieren.
In den vergangenen Monaten gab es am Getreidemarkt grosse Preisschwankungen – insbesondere gegen oben. Nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine schnellten die Notierungen für Brotgetreide in die Höhe. Massiv gestiegen sind auch die Produktionskosten. So mussten die Landwirtinnen und Landwirte deutlich mehr berappen für Treibstoff, Dünger und Maschinen.
Richtpreise im Mai erhöht
Folgerichtig gelangten sie an die nächste Verarbeitungsstufe, so auch beim Futtergetreide. Bei der Festsetzung der Richtpreise im vergangenen Mai einigten sich Produzenten, Verarbeiter und Tierhalter auf eine Erhöhung von 3 Franken je 100 Kilo. Der Preis für Futterweizen steig auf 39.50 Fr./100 kg, jener für Gerste auf 37.50 Fr. Es handelte sich um die erste Erhöhung seit 12 Jahren.
Swiss Granum
Mit dem Aufschlag soll ein Teil der gestiegenen Produktionskosten der Getreideproduzenten abgefedert werden, teilte die Branche mit. Die Erhöhung der Richtpreise sei ein Bekenntnis zur Versorgung des Marktes mit Schweizer Futtermittelrohstoffen und ein wichtiger Bestandteil für eine glaubwürdige inländische Fleisch- und Eierproduktion. «Gleichzeitig führt dies aber zu Mehrkosten bei der Nutztierhaltung», gab die Branchenorganisation Swiss Granum im Mai zu bedenken.
Einfuhrzölle bei null Franken
Bereits im März 2022 hatte der Bundesrat die Einfuhrzölle für Futtermittel massiv gesenkt. Mit der ausserordentlichen Grenzschutzreduktion reagiere der Bund auf die massiven Preiserhöhungen an verschiedenen internationalen Rohstoffmärkten, teilte das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) damals mit. Für Weichweizen, Roggen, Gerste, Triticale, Mais und Maiskolbenschrot sanken die Einfuhrzölle um je 3 Franken je 100 kg, Bei Hafer sank der Grenzschutz um 1 Franken je 100 kg auf null. Für eiweissreiche Futtermittel wie Sojaschrot oder pflanzliche Futteröle werden seit längerem keine Grenzabgaben erhoben, weil deren Importpreise die inländischen Zielpreise übersteigen, so das BLW.
Die jüngste Anpassung der Grenzbelastung für Futtergetreide durch das BLW Ende November hat den Schweizer Bauernverband, die Schweizerischer Getreideproduzentenverband und Verband kollektiver Getreidesammelstellen in Alarmstimmung versetzt. «Leider stellen wir fest, dass in diesen Zeiten der internationalen Krisen und der massiven Schwankungen der Rohstoffpreise auf den Weltmärkten, die Korrektur der Zölle durch das Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW) die einheimische Produktion von Futtergetreide gefährdet», heisst es im offenen Brief an Bundesrat Guy Parmelin.
«Erhöhung wäre angezeigt»
Die Rentabilität der Futtergetreideproduktion in der Schweiz sei abhängig vom Grenzschutz, der durch das Schwellenpreissystem festgelegt sei. Die Anpassung der Zölle an die Entwicklung der internationalen Preise soll eine Stabilität der Importpreise und damit auch der inländischen Preise gewährleisten.
Laut den drei Verbänden sind die Preise für inländisches Futtergetreide gefährdet. «So konnten Anfang Dezember Futterweizen, Futtergerste und Körnermais zu 3 bis 4 Franken unter den Schwellenpreisen und Importrichtwerten importiert werden. Obwohl eine Erhöhung der Zölle um 2 bis 3 Franken notwendig gewesen wäre, hat das BLW im Gegenteil den Grenzschutz reduziert», kritisieren die Verbände.
Schwellenpreissystem
Die Zölle beim Futtergetreide berechnen sich nach einem Schwellenpreissystem. Dieser Schwellenpreis entspricht dem angestrebten Importpreis, bestehend aus dem Preis franko Schweizergrenze plus Zoll und Garantiefondsbeiträgen. Der Bundesrat bestimmt zudem, wie der Preis franko Schweizer Grenze ermittelt wird. Danach kommt das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung zum Zug: Es legt die Importrichtwerte für alle Produkte fest. Die Importrichtwerte haben dieselbe Funktion wie die Schwellenpreise.
Die Zollansätze werden monatlich anhand von Preismeldungen und unter Berücksichtigung von Börsennotierungen überprüft. Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) definiert dann den eigentlichen Zollansatz so, dass der Importpreis innerhalb der vom WBF festgelegten Bandbreite liegt (plus/minus drei Franken pro 100 kg). Das BLW veröffentlicht die aktuellen Ansätze auf seiner Webseite.
Schweizer Preise geraten unter Druck
Die Getreideproduzenten hätten im Mai bei der Erhöhung der Preise einen Kompromiss mit den Tierproduzenten erreicht. Dieser sei aber nur mithilfe eines wirksamen und ausreichenden Grenzschutzes umsetzbar. Liegen die Schweizer Preise wie momentan deutlich über den ausländischen Futtergetreidepreisen, droht im nächsten Sommer eine Preiskorrektur bei den Verhandlungen. Sinken die Preise für das Futtergetreide, vermindert sich die Rentabilität und damit die Anbauflächen.
Sei der Grenzschutz zu schwach, würden Importe auf Kosten der einheimischen Produktion bevorzugt. Die Preise der Schweizer Produzenten würden dadurch unter Druck geraten. «Und wenn Importe privilegiert werden, kann die einheimische Ware nicht innerhalb eines normalen Zeitrahmens vermarktet werden, was die Lagerkosten unnötig erhöht», warnen die Verbände weiter.
Parmelin soll bei BLW intervenieren
Die Schweiz sei mit einem Selbstversorgungsgrad von rund 50 Prozent an Futtermittelrohstoffen abhängig von Importen, um die Ernährung der Nutztiere sicherzustellen. Schweizer Futtergetreide sei die Schweizer Landwirtschaft vor allem aus zwei Gründen seht wichtig. Es garantiere «eine ausgewogene Fruchtfolge und die Glaubwürdigkeit der Bezeichnung ‘Schweizer Fleisch’», so die Bauernverbände weiter.
Bei Gesprächen mit dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) stiessen die Verbände auf taube Ohren. «Wir müssen leider feststellen, dass sich die Situation nicht verbessert, sondern sogar verschlechtert», heisst es in der Mitteilung. Nun soll es der Departementsvorsteher richten. Anpassungen seien sehr wichtig. «Wir bitten Sie, das Nötige zu unternehmen, damit das BLW sich auf aktuelle Marktbedingungen stützt und sowohl die zukünftige Marktentwicklung, als auch eine ausreichende Sicherheit berücksichtigt werden, um den Schwankungen auf den internationalen Märkten entgegenzuwirken und die Vermarktung der inländischen Ware zu schützen», heisst Brief an Agrarminister Guy Parmelin.
Futtergetreide
In der Schweiz wurden 2022 auf rund 146'000 Hektaren Getreide angebaut, 64'600 Hektaren (davon 17'200 ha Mais) entfielen auf das Futtergetreide. Damit lag die Fläche deutlich höher als 2021 und nur knapp unter dem hohen Wert von 2020. Die wichtigsten Futtergetreide im Jahr 2022 waren Gerste (28'300 ha), Futterweizen (9'500 ha) und Triticale (7'400 ha).
Die inländische Gerstenproduktion 2022 schätzt die Branchenorganisation Swiss Granum auf rund 175'000 bis 185‘000 t. Sie liegt somit höher als im vergangenen Jahr und dürfte im Bereich der Mengen der Jahre 2018 und 2019 ausfallen. «Dabei ist zu beachten, dass die Anbaufläche leicht höher ist als im letzten Jahr», schreibt Swiss Granum. Beim Futterweizen liegen noch keine Werte vor.
Swiss Granum
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