Das Parlament empfiehlt die Massentierhaltungsinitiative zur Ablehnung. Nach dem Nationalrat hat sich am Mittwoch auch der Ständerat gegen das Volksbegehren ausgesprochen. Und wie die grosse Kammer will er nichts wissen von einem Gegenvorschlag. Dieser ist damit vom Tisch.
Die Volksinitiative will die Massentierhaltung verbieten und die Würde der Tiere in der Landwirtschaft in die Verfassung aufnehmen. Dafür sollen Anforderungen festgelegt werden, die mindestens denjenigen der Bio-Suisse-Richtlinien von 2018 entsprechen. Die Initiative verlangt ausserdem Vorschriften für den Import von Tieren und tierischen Erzeugnissen. Sie lässt Übergangsfristen von bis zu 25 Jahren zu.
Deutliche Ablehnung
Der Bundesrat wollte zentrale Aspekte in einen Gegenentwurf aufnehmen – konkret die tierfreundliche Unterbringung, den regelmässigen Auslauf und die schonende Schlachtung von Nutztieren. Er verzichtete aber etwa auf die Verankerung der Bio-Richtlinien und Importregelungen.
Der Ständerat lehnte die Initiative «Keine Massentierhaltung in der Schweiz (Massentierhaltungsinitiative)» mit 32 zu 8 Stimmen bei 4 Enthaltungen ab. Mit 30 zu 14 Stimmen ohne Enthaltungen lehnte er es zudem ab, auf den indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates einzutreten.
In beiden Punkten folgte der Ständerat dem Antrag der Mehrheit seiner vorberatenden Kommission. Aus Sicht der Kommissionsmehrheit hatten sowohl die Initiative als auch der Gegenvorschlag Mängel.
Preise werden sinken
Ständerat Peter Hegglin (Mitte/ZG) wies darauf hin, dass besonders bei beiden Vorlagen die Geflügelbetriebe und die Schweinehaltungen, und zwar insbesondere im Tal- und im Hügelgebiet, betroffen seien. «Von der von der Initiative erklärten Anvisierung der Bio-Swiss-Richtlinien wäre längerfristig die gesamte Tierhaltung betroffen», hielt er fest.
Hegglin warnte, dass so ein Bio-Label zu einem Produktionsstandard würde und das am Markt etablierte Label-Produkt (Red. Bio Suisse) geschwächt würde. «Zu glauben, die Preise würden dann auf Bio-Niveau bleiben, auch, weil für Importe die gleichen Anforderungen gelten würden, dürfte sich aber als Illusion erweisen», macht er deutlich.
Höhere Produktionskosten
Hegglin sagte, dass die Nutztierhaltung in der Schweiz grundsätzlich auf einem guten Stand sei. Dazu beigetragen hätten die Intensivierung der Kontrollen und die Einführung der Bestandestierarztes vor etwa 15 Jahren. «Auch das Bewusstsein der Bäuerinnen und Bauern, der Tierhalterinnen und Tierhalter hat sich verbessert», fuhr er fort. Es seien genügend Instrumente vorhande. Hegglin nannte die Höchstbestandesverordnung, die Tierwohlprogramme und den Tierschutz.
Hegglin führte weiter aus, dass eine Annahme der beiden Vorlagen Auswirkungen auf die Raumplanung hätten. «Beide Vorlagen würden Bauvorhaben in der Höhe von 300 Millionen bis zu 1,1 Milliarden Franken – geschätzt nach bundesrätlicher Botschaft – auslösen. Das würde vor allem die Produktionskosten in der Tierproduktion um etwa fünf Prozent bis hin zu zwanzig Prozent erhöhen», mahnte er an. Dies deshalb, weil heutige Geflügel- und Schweineställe durch kleinere Einheiten ersetzt werden müssten.
Hegglin nannte im Namen der Kommission mehrere Gründe für eine Ablehnung der Initiative und des Gegenvorschlags:
- Eine intensive Landwirtschaft in Form einer Massentierhaltung ist in der Schweiz bereits verboten.
- Die Initiative fordert die Aufnahme von privaten Richtlinien, jenen von Biosuisse, in die Verfassung. «Das erscheint nicht sinnvoll und ist problematisch», sagte Hegglin.
- Es bestehe ein klarer Gegensatz zwischen der Initiative und internationalen Handelsverpflichtungen.
- Einfuhrbeschränkungen: Die Produktionsstandards müssten im Ursprungsland überprüft werden. «Die Einrichtung von Kontrollmechanismen wäre äusserst komplex», warnt Hegglin.
- Es werden steigende Preise und ein erhöhtes Risiko für vermehrten Einkaufstourismus befürchtet.
- Die Wahlfreiheit der Konsumente würde eingeschränkt. «Das Wichtigste ist doch Transparenz. Die Konsumenten sollen entscheiden, welche Produkte aus welchen Produktionsstandards sie kaufen möchten», sagte Hegglin
«Initiative unnötig»
Die Initiative sei unnötig, sagte Werner Salzmann (SVP/BE). Schon heute seien die Bestimmungen zum Tierwohl strenger als in der Europäischen Union und die Bestandesgrössen kleiner. Bio-Produkte stünden den Konsumentinnen und Konsumenten schon heute zur Verfügung.
Zudem sei absehbar, dass sich bei den Importen nicht die gleich strengen Standards würden durchsetzen lassen wie für inländische Produkte, so Salzmann. Damit dürften die Importe zunehmen.
«25 Jahre sind lange Zeit»
Ständerätin Adèle Thorens Goumaz (Grüne/VD) wies auf die lange Übergangsfrist hin. «Es geht darum, die Lebensbedingungen von Nutztieren innerhalb von 25 Jahren zu bestimmen. 25 Jahre sind eine lange Zeit. In dieser Zeit werden die betroffenen Landwirtinnen und Landwirte sowie ihre Nachfolger die nötige Zeit gehabt haben, um ihre Praktiken anzupassen», hielt sie fest.
Den Initiatoren würden lediglich fordern, dass die Massentierhaltung, die gegen die Würde des Tieres verstösst, beendet werde. Sie wies darauf hin, dass der Gesetzgeber, also das Parlament selbst, über die Kriterien für eine tiergerechte Unterbringung und Pflege, den Zugang ins Freie, die Schlachtung und die maximale Gruppengrösse pro Stall entscheiden werde. Eine Referenz werde von der Initiative mit den Richtlinien 2018 von Bio Suisse festgelegt.
Weniger Fleisch konsumieren
Für Thorens, die im Ständerat die Minderheit vertrat, gibt es bei der Tierhaltung, vor allem beim Geflügel und bei den Schweinen, Handlungsbedarf. Die Konsumenten wüssten nicht, wie diese Tiere gehalten würden. Und der Detailhandel würde in der Werbung ein Bild vermitteln, das nur für die wenigsten Schweine und Hühner zutreffe.
Für die Romande muss der Fleischkonsum in Zukunft sinken, Nur so könnten die Verpflichtungen bezüglich des Pariser Abkommens erreicht werden. Und sie sagte weiter: «Die Zukunft liegt in Produkten, die aus einer tierschutzgerechten Produktion stammen.» Eine Verbesserung des Tierschutzes könne nur erfolgen, wenn die Produktion reduziert werde. «Wir müssen auf Qualität statt auf Quantität setzen», sagte sie.
«Hohes Tierwohl Qualitätsmerkmal»
Ständerat Roberto Zanetti (SP/SO) warb erfolglos für den bundesrätlichen Gegenvorschlag. Ein hohes Niveau beim Tierwohl sei auch ein Qualitätsmerkmal, gab er zu bedenken. Dies sei die richtige Strategie für die Schweizer Landwirtschaft. Auf einen Preiskampf mit der ausländischen Konkurrenz könne sich diese ohnehin nicht einlassen. Und das Thema bewege die Menschen.
Der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch betonte, dass die Art der Tierhaltung auch für die Verbreitung von Seuchen eine Rolle spiele. Eine Umsetzung des Volksbegehrens im Einklang mit internationalen Verträgen sei durchaus möglich.
Ohne Erfolg blieb auch die Warnung von Bundesrat Alain Berset, ein Verzicht auf einen Gegenvorschlag könnte zu einer Annahme der Initiative führen. Berset kritisierte, der Gegenvorschlag sei in der Ständeratsdebatte auf zu oberflächliche Weise diskutiert worden, die Unterschiede zur Initiative seien zu wenig zur Sprache gekommen.
Mit dem Nein des Ständerats ist der Gegenvorschlag vom Bundesrat vom Tisch.
Nationalrat lehnt Initiative ab
Der Nationalrat empfiehlt die Massentierhaltungsinitiative mit mit 111 zu 60 Stimmen bei 19 Enthaltungen zur Ablehnung. Die Schweiz tue bereits genug, um das Tierwohl zu fördern, hiess es im Dezember 2021 im Rat mehrheitlich. Die grosse Kammer sprach sich auch dagegen aus, eine Alternative auszuarbeiten.
Initiative: Übergangsfrist von 25 Jahren
Die Volksinitiative «Keine Massentierhaltung in der Schweiz» (Massentierhaltungsinitiative) wurde im September mit 106’000 gültigen Initiativen eingereicht. Diese verlangt, dass spätestens 25 Jahre nach Inkrafttreten der neuen Gesetze alle Nutztiere in der Schweiz mindestens nach dem Standard der Bio Suisse gehalten werden. Der Bund soll Kriterien für die Unterbringung, den Auslauf, die Anzahl gehaltener Tiere und die Schlachtung festlegen.
Gilt auch für Importe Dies hätte einschneidende Auswirkungen auf die Nutztierhaltung: Nur noch 2000 Legehennen pro Betrieb, Anbindehaltung von Kühen nur in Kombination mit Raus-Programm. Auch bei Schweinen gäbe es Auswirkungen: Bei Bio-Schweinen in Ausmast ist eine Gesamtfläche von 1,65 Quadratmeter Pflicht, bei konventionellen Tieren 1,3 Quadratmeter.
zvg
Auch für Importe
Die Initiative soll für die einheimische Nutztiere gelten, aber auch für Importe. Die Initianten wollen, dass jede Haltung von Tieren, die nicht mindestens den Richtlinien von Bio Suisse entspricht, verboten wird. Die Definition der Massentierhaltung erfolgt über die Gruppengrösse sowie die systematische Missachtung der Grundbedürfnisse der Tiere, heisst auf der Website der Initianten.
Nutztierhaltung nicht abschaffenDas Initiativkomitee will die Nutztierhaltung aber nicht abschaffen. Gemäss den Initianten wären Kleinbauern und Alpbetriebe von den Änderungen nicht betroffen, da sie keine «Massentierhaltung» betreiben. Diese könnten sich besser um Tiere kümmern, da bei kleineren Tierbeständen mehr Zeit für das einzeln Tier übrig bleibe. Betroffen von der Initiative wären nur die grossen industriellen «Fleischfabriken», heisst es auf der Website.
Die Initiative würde Kleinbauern die Chance ermöglichen, auf dem Markt zu bestehen und fairere Preise zu erzielen, indem Grossbetriebe mit immensen Tierbeständen diese reduzieren müssen, so die Vorstellung der Initianten. Hinter dem Volksbegehren stehen Personen aus 15 Organisationen. Darunter ist etwa Vera Weber von der Fondation Franz Weber oder Vertreter von Greenpeace oder der Grünen Partei.
Wortlaut der Initiative
neu Art. 80a BV (Landwirtschaftliche Tierhaltung)
1 Der Bund schützt die Würde des Tieres in der landwirtschaftlichen Tierhaltung. Die Tierwürde umfasst den Anspruch, nicht in Massentierhaltung zu leben.
2 Massentierhaltung bezeichnet eine technisierte Tierhaltung in Grossbetrieben zur Gewinnung möglichst vieler tierischer Produkte, bei der das Tierwohl systematisch verletzt wird.
3 Der Bund legt die Kriterien für eine tierfreundliche Unterbringung und Pflege, den Zugang ins Freie, die Schlachtung und die maximale Gruppengrösse je Stall fest.
4 Der Bund erlässt Vorschriften über den Import von Tieren und Tierprodukten zu Ernährungszwecken, die diesem Artikel Rechnung tragen.
Art. 197 BV (Übergangsbestimmungen)neu Ziff. ### Die Ausführungsbestimmungen zur landwirtschaftlichen Tierhaltung gemäss Art. 80a BV können Übergangsfristen für die Transformation der landwirtschaftlichen Tierhaltung von maximal 25 Jahren vorsehen. Die Ausführungsgesetzgebung orientiert sich bezüglich Würde des Tiers an Bio Suisse Standards (mindestens Stand 2018). Ist die Ausführungsgesetzgebung zu Art. 80a BV nach dessen Annahme nicht innert 3 Jahren in Kraft getreten, erlässt der Bundesrat Ausführungsbestimmungen vorübergehend auf dem Verordnungsweg.
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