Für den Schweizer Bauernverband (SBV) ist die Massentierhaltungsinitiative unnötig. Die heutige Produktion gemäss Tierschutz-Minimalanforderung stelle bereits keine Massentierhaltung dar, hiess es an der SBV-Jahresmedienkonferenz am Dienstag.
In der Schweiz wird voraussichtlich im Herbst über die Massentierhaltungsinitiative abgestimmt. Diese fordert für die gesamte Tierhaltung den Bio-Standard. Der SBV legte daher an seiner Jahresmedienkonferenz auf dem Schweinezuchtbetrieb von Marianne und Franz Guillebeau im Lanzenhäusern BE seine Argumente gegen die Initiative dar.
Die Tierhaltung in der Schweiz ist nach Ansicht des SBV dank umfassenden gesetzlichen Vorgaben, festgelegten Höchsttierbeständen, tierspezifischen Gesundheitsprogrammen oder agrarpolitischen Tierwohlprogrammen auf einem Niveau, das weltweit seinesgleichen sucht. Dank den Gesundheitsdiensten sei die Gesundheit der Nutztiere optimiert und der Antibiotikaeinsatz reduziert worden. «Allein in den letzten zwölf Jahren ging dieser um 58 Prozent zurück», so der Verband.
Passendes Angebot ist da
In den 1990er-Jahren führte der Bund die Tierwohlförderprogramme «Besonders tierfreundliche Stallhaltung» (BTS) und «Regelmässiger Auslauf im Freien» (Raus) ein. Beide Programme sind weit verbreitet: Je nach Tiergattung leben gemäss SBV 60 bis 95 Prozent der Tiere in BTS-Ställen und 40 bis 85 Prozent haben regelmässigen Auslauf im Freien.
Doch beim Absatz hapert es. Die Labelanteile im Verkauf variieren zwischen 10 und 40 Prozent. «Die durch eine noch tierfreundlichere Haltung entstandenen Kosten können die Bauernfamilien deshalb nur zum Teil mit einem Mehrerlös decken», hebt der Bauernverband hervor. Das Angebot sei derzeit grösser als die Nachfrage.
Seit der Einführung des ersten Tierschutzgesetzes 1981 habe sich die Nutztierhaltung in der Schweiz weiterentwickelt. Nachdem zu Beginn vor allem Mindestgrössen im Stall festgelegt worden seien, seien später immer mehr qualitative Aspekte (Schmerzvermeidung, Krankheitsbehandlung) dazu gekommen.
Vorschriften werden regelmässig kontrolliert
Der Bauernverband verwies auch auf Vorgaben zur Ausbildung der Nutztierhalter, zur Beschäftigungsmöglichkeit, zur Fütterung und den Transportbedingungen. Die Einhaltung der Vorschriften werde zudem durch regelmässige Kontrollen sicher gestellt.
Auf dies wies Michel Darbellay, Leiter Produktion, Märkte & Ökologie beim SBV, hin. Die Tierhaltung auf Bio- und IP-Suisse-Betrieben werde jährlich, die übrigen Betriebe des Basisprogramms QM-Schweizer Fleisch alle vier Jahre, kontrolliert. «Die meisten staatlichen Kontrollen finden auf Voranmeldung statt, damit Tierhalter und Tiere anwesend sind. Mindestens 20 Prozent der Kontrollen müssen aber unangemeldet erfolgen», so Darbellay. Alles, was in der Schweiz gelte, werde durchgesetzt, kontrolliert und bei Nichteinhalten gebüsst.
Weltweites Unikat
Ein weltweites Unikat sind laut dem SBV die gesetzlich vorgegebenen maximalen Bestandesgrössen bei Geflügel, Schweinen und Kälbern. Die Schweizer Tierhaltung und auch die durchschnittlichen Herdengrössen unterschieden sich generell von jenen im Ausland. Die EU kenne beispielsweise keine Tierschutzvorschriften für Kühe, Schafe oder Ziegen.
«Bei den Legehennen beträgt die maximale Grösse 18'000 Tiere. 82 Prozent Hennen bei uns haben Weidezugang und praktisch alle profitieren von einem Wintergarten. In Deutschland leben 35 Prozent aller Legehennen in Betrieben mit mehr als 100’000 Tieren», so der SBV.
«Weltweit 90 Prozent der Hennen in Käfigen»
18’000 Hennen in einem Stall erscheine nach viel, sagte Michel Darbellay. Im Vergleich zum Ausland sei das sehr wenig. «In Deutschland leben 35 Prozent aller Legehennen in Betrieben mit mehr als 100’000 Tieren. In der EU ist auch die bei uns 1992 verbotene Käfighaltung nach wie vor erlaubt und mit einem Anteil von 50 Prozent auch nach wie vor sehr verbreitet», stellte er klar. Weltweit würde immer noch 90 Prozent der Legehennen in Käfigen gehalten.
Und auch bei der Geflügelmast gibt es grosse Unterschiede: 81 Prozent der Masthühner in Deutschland leben in Beständen mit mehr als 50'000 Tieren. «Bei uns beträgt der Durchschnitt 7700 Masthühner pro Betrieb», so Darbellay.
Daniel Salzmann
Verlust der Wahlfreiheit
SBV-Präsident Markus Ritter erklärte laut Redetext, dass es die Konsumentinnen und Konsumenten bereits heute in der Hand hätten, bestimmte Haltungsformen, wie Bio-Standards, mit ihrem Einkaufsverhalten weiter zu fördern. Die Initiative würde den Verlust der Wahlfreiheit bedeuten, weil Fleisch, Milch, Käse oder Eier nur noch in Bioqualität und -preisklasse erhältlich wären.
Bereits heute sei die Schweiz zur Versorgung der Bevölkerung auf umfangreiche Importe angewiesen. Diese würden sich bei einer Annahme der Initiative, speziell beim Geflügelfleisch, Eiern und Schweinefleisch, stark erhöhen.
Die Massentierhaltungsinitiative sei aus mehreren Gründen unnötig. «Erstens, weil auch die Produktion gemäss Tierschutz-Minimalanforderung im Vergleich zum Ausland keine Massentierhaltung ist. Zweitens, weil ein grosser Teil unserer Tiere von weitergehenden Anforderungen profitiert. Drittens, weil das geforderte Angebot bereits besteht und von allen genutzt werden kann», führte Ritter aus.
Initiative: Übergangsfrist von 25 Jahren
Die Volksinitiative «Keine Massentierhaltung in der Schweiz» (Massentierhaltungsinitiative) wurde im September mit 106’000 gültigen Initiativen eingereicht. Diese verlangt, dass spätestens 25 Jahre nach Inkrafttreten der neuen Gesetze alle Nutztiere in der Schweiz mindestens nach dem Standard der Bio Suisse gehalten werden. Der Bund soll Kriterien für die Unterbringung, den Auslauf, die Anzahl gehaltener Tiere und die Schlachtung festlegen.
Gilt auch für Importe
Dies hätte einschneidende Auswirkungen auf die Nutztierhaltung: Nur noch 2000 Legehennen pro Betrieb, , Anbindehaltung von Kühen nur in Kombination mit Raus-Programm. Auch bei Schweinen gäbe es Auswirkungen: Bei Bio-Schweinen in Ausmast ist eine Gesamtfläche von 1,65 Quadratmeter Pflicht, bei konventionellen Tieren 1,3 Quadratmeter.
Die Initiative soll für die einheimische Nutztiere gelten, aber auch für Importe. Die Initianten wollen, dass jede Haltung von Tieren, die nicht mindestens den Richtlinien von Bio Suisse entspricht, verboten wird. Die Definition der Massentierhaltung erfolgt über die Gruppengrösse sowie die systematische Missachtung der Grundbedürfnisse der Tiere, heisst auf der Website der Initianten.
Nutztierhaltung nicht abschaffen
Das Initiativkomitee will die Nutztierhaltung aber nicht abschaffen. Gemäss den Initianten wären Kleinbauern und Alpbetriebe von den Änderungen nicht betroffen, da sie keine «Massentierhaltung» betreiben. Diese könnten sich besser um Tiere kümmern, da bei kleineren Tierbeständen mehr Zeit für das einzeln Tier übrig bleibe. Betroffen von der Initiative wären nur die grossen industriellen «Fleischfabriken», heisst es auf der Website.
Die Initiative würde Kleinbauern die Chance ermöglichen, auf dem Markt zu bestehen und fairere Preise zu erzielen, indem Grossbetriebe mit immensen Tierbeständen diese reduzieren müssen, so die Vorstellung der Initianten. Hinter dem Volksbegehren stehen Personen aus 15 Organisationen. Darunter ist etwa Vera Weber von der Fondation Franz Weber oder Vertreter von Greenpeace oder der Grünen Partei.
Wortlaut der Initiative
neu Art. 80a BV (Landwirtschaftliche Tierhaltung)
1 Der Bund schützt die Würde des Tieres in der landwirtschaftlichen Tierhaltung. Die Tierwürde umfasst den Anspruch, nicht in Massentierhaltung zu leben.
2 Massentierhaltung bezeichnet eine technisierte Tierhaltung in Grossbetrieben zur Gewinnung möglichst vieler tierischer Produkte, bei der das Tierwohl systematisch verletzt wird.
3 Der Bund legt die Kriterien für eine tierfreundliche Unterbringung und Pflege, den Zugang ins Freie, die Schlachtung und die maximale Gruppengrösse je Stall fest.
4 Der Bund erlässt Vorschriften über den Import von Tieren und Tierprodukten zu Ernährungszwecken, die diesem Artikel Rechnung tragen.
Art. 197 BV (Übergangsbestimmungen)neu Ziff. ### Die Ausführungsbestimmungen zur landwirtschaftlichen Tierhaltung gemäss Art. 80a BV können Übergangsfristen für die Transformation der landwirtschaftlichen Tierhaltung von maximal 25 Jahren vorsehen. Die Ausführungsgesetzgebung orientiert sich bezüglich Würde des Tiers an Bio Suisse Standards (mindestens Stand 2018). Ist die Ausführungsgesetzgebung zu Art. 80a BV nach dessen Annahme nicht innert 3 Jahren in Kraft getreten, erlässt der Bundesrat Ausführungsbestimmungen vorübergehend auf dem Verordnungsweg.
Überlege mal, Kopfschüttler! Dazu musst du für einen Moment deinen Kopf ruhig halten (und nicht schütteln, gell)!
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