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«Merci, Guy Parmelin fürs steuerbefreite tanken»

Der Bundesrat hat Angst vor Bauernprotesten. Deshalb hält er weiterhin an der umstrittenen Verbilligung von Diesel für die Traktoren fest. Dabei verstosse dies gegen das Subventionsgesetz und widerspreche den Klimazielen des Bundes, stand am Sonntag in der «NZZ».

clu |

Auch in der Schweiz seien die Bauern unzufrieden, so die «NZZ». Doch von Gewalteruptionen wie in vielen europäischen  Ländern seien wir hierzulande glücklicherweise weit entfernt. Das dürfte laut dem Artikel auch daran liegen, dass die Schweizer Landwirte «grosszügig Direktzahlungen erhalten» und «weiterhin verbilligten Diesel zapfen».

Vergangenen Dezember hat der Bundesrat diese Subvention weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit verlängert, schreibt die «NZZ» weiter. Bäuerinnen und Bauern dürfen weiterhin rund 60 Rappen günstiger tanken als alle anderen Bürgerinnen und Bürger des Landes. Insgesamt gehe es um rund 65 Millionen Franken pro Jahr, die die Landwirte dem Fiskus nicht abliefern müssten. Wobei das Wort «Subventionen» im Folgenden vom Artikel in der «NZZ» stammt.

«Die Subvention verstösst gegen das Gesetz»

Dass die Bauern dieses Privileg retten konnten, obwohl der Bund zurzeit jeden Franken zweimal umdreht, sei laut der «NZZ» bemerkenswert. Es zeige einmal mehr, wie mächtig die Bauern in Bundesbern sind. Und es sei geradezu ein Lehrbuchbeispiel dafür, wie einmal beschlossene Subventionen kaum mehr wegzubringen seien.

Der «NZZ am Sonntag» lagen nach eigenen Angaben interne Dokumente aus dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) vor. Sie zeigten: Eigentlich hatte die Verwaltung den Auftrag, die umstrittene Subvention abzuschaffen oder «konform zur Klimapolitik» umzubauen. Doch letztlich beerdigte Landwirtschaftsminister Guy Parmelin das Projekt. Der Gesamtbundesrat ist ihm Anfang Dezember gefolgt – obwohl der verbilligte Diesel seit Jahren hoch umstritten sei, weiss die «NZZ».

Subvention via Zapfsäule «veraltet»

Bereits 2018 hätte die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) das System scharf kritisiert. Die Kontrolleure monierten, die Subvention via Zapfsäule sei «veraltet» und die Regelung widerspreche den gesetzlichen Vorgaben. «Die Rückerstattungsmassnahme widerspricht dem Subventionsgesetz», so die EFK gegenüber der «NZZ».

Das Subventionsgesetz verbietet eigentlich die Förderung in Form von steuerlichen Vergünstigungen. Der Bund unterstützt die Bauern mit Direktzahlungen – es ist laut EFK schwer nachvollziehbar, warum es auch das Instrument des verbilligten Diesels braucht. Die Finanzkontrolleure kritisierten gemäss der «NZZ» zudem bereits vor sechs Jahren, dass es klimapolitisch fragwürdig sei, fossilen Treibstoff zu vergünstigen.

Billiger Diesel: Millionensegen auch für Skigebiete

Die «NZZ» weisst darauf hin, dass die Bauern nicht die Einzigen, die steuerbefreit oder vergünstigt Treibstoff beziehen dürfen. Mit 65 Millionen Franken stellten sie aber die Gruppe, die am meisten vom System profitiere und am meisten Geld zurückerhalte. Was in der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt sei: Auch Försterinnen und Förster können ihre Sägen und Maschinen verbilligt betanken. Die Waldbranche erhält etwas mehr als 3 Millionen Franken pro Jahr rückvergütet.

Auch die Betreiber von Natursteinbrüchen und Berufsfischer profitieren. Die rückerstatteten Summen sind allerdings eher gering, weil es sich um sehr kleine Branchen handelt. Gegen den Willen des Bundesrats hat das Parlament 2017 auch Pistenfahrzeuge aufgenommen. Gemäss einer Studie im Auftrag des Bundes fliessen pro Jahr rund 9 Millionen Franken Treibstoffsteuern an die Skigebiete zurück.

Die Idee hinter den Vergünstigungen ist gemäss «NZZ» folgende: Die Treibstoffzölle werden in erster Linie erhoben, um den Autobahn- und Nationalstrassenbau zu finanzieren. Die Fahrzeuge oder Geräte der entlasteten Branchen schlucken zwar viel Sprit, sind aber kaum auf den öffentlichen Strassen unterwegs. Deshalb sollen sie auch nicht dafür bezahlen müssen.

Ein Spezialfall ist der öffentliche Verkehr: Auch Busse von konzessionierten Transportunternehmen profitieren bis jetzt von steuerfreiem Treibstoff. Dieses Privileg will der Bund aber nun abschaffen. Mit der Revision des CO2-Gesetzes sollen die öffentlichen Verkehrsbetriebe nicht mehr begünstigt werden. Der Bund möchte damit unter anderem die Umstellung auf klimafreundliche Elektrofahrzeuge fördern.

Abbau von Subventionen an fossile Treibstoffe

Gleich habe es auch noch im Frühling 2022 getönt, steht im Artikel vom Sonntag. Das Seco präsentierte damals den Bauern und anderen Stakeholdern ein Reformprojekt für das umstrittene Instrument. In der damals gehaltenen Präsentation betonte der Bund, die Schweiz sei verpflichtet, Subventionen an fossile Treibstoffe abzubauen. Davon betroffen sei insbesondere die Mineralölsteuer-Rückerstattung für die Landwirtschaft.

Im Herbst 2023 formuliert Bundesrat Guy Parmelin dann ein Aussprachepapier an den Gesamtbundesrat. Auch darin betont der Landwirtschaftsminister, dass die Schweiz verpflichtet sei, so steht es in der «NZZ», Subventionen für klimaschädliche Treibstoffe zu stoppen. Die Schweiz habe sich gegenüber der WTO dazu verpflichtet, zudem werde gerade ein neues Klimaabkommen verhandelt. Die Verbilligung aufzuheben, sei «grundsätzlich im Sinne der Klimapolitik und des Netto-Null-Ziels der Schweiz bis 2050», so Parmelin weiter im erwähnten Aussprachepapier.

Der vorausschauende Bundesrat

Trotzdem beantragt er dem Gesamtbundesrat im gleichen Papier, die Reform zu beerdigen, schreibt die «NZZ» nun. Dabei habe er vor allem auf das Portemonnaie der Bauern geschaut. Die Streichung wäre eine «wirtschaftliche Herausforderung», so der Landwirtschaftsminister, und würde den strukturellen Druck auf die Landwirtschaft erhöhen. Hatte die Landesregierung Angst vor Bauernprotesten wie im nördlichen Nachbarland, fragt sich die «NZZ».

Der Entscheid habe direkt nichts mit der Situation in Deutschland zu tun, schreibt das Departement Parmelin auf Nachfrage der Zeitung. Zum Zeitpunkt des Entscheides Anfang Dezember habe es noch keine grossen Demonstrationen gegeben. «Allerdings hat der Bundesrat die Situation im In- und Ausland vorausschauend antizipiert.» Die Aufhebung der Subvention wäre wirtschaftlich «gravierend» gewesen, wie die Proteste im Ausland zeigten.

Rhetorischer Feinarbeit

Und dann übt sich das Departement Parmelin in rhetorischer Feinarbeit, so die «NZZ». Es handle sich beim vergünstigten Diesel gar nicht um eine Subvention – sondern um die Rückerstattung einer Abgabe. Auch klimapolitisch sehe man in den Amtsstuben plötzlich kein Problem mehr.

Eine im Auftrag des Bundes erstellte Studie habe gezeigt, dass die Abschaffung kaum etwas bringen würde. Denn zurzeit gebe es kaum klimafreundliche Alternativen: «Es gibt noch keine marktfähigen Elektrotraktoren oder Mähdrescher.» Deshalb hätte die Abschaffung die Produktion der Bauern verteuert, aber den CO2-Ausstoss der Landwirtschaft kaum gesenkt.

Klimafreundliche Innovationen auf den Markt zu bringen

Mit dieser Argumentation verärgert der Bundesrat die Grünliberale Kathrin Bertschy: «Wenn man den Bauern den Diesel überall vergünstigt, gibt es auch keinen Druck, klimafreundliche Innovationen auf den Markt zu bringen», sagt sie gegenüber der «NZZ». Die Schweiz ist hier kein Einzelfall. Sehr viele EU-Länder verbilligen ihren Landwirten den Treibstoff für die Maschinen.

«Wir müssen endlich aufhören, die Zerstörung der Umwelt zu subventionieren», fordert Bertschy weiter gegenüber der «NZZ». Wenn es heute noch keine marktfähigen Lösungen gebe, dann hätte der Bundesrat wenigstens einen Absenkpfad oder ein Ablaufdatum beschliessen müssen, so die Nationalrätin.

Ökologischen Umbau der Landwirtschaft

Der Grüne Michael Töngi hat im Parlament mehrmals kritische Fragen zum verbilligten Diesel gestellt, so die «NZZ». «Ich verstehe, dass man den Bauern nicht einfach 65 Millionen Franken streichen kann», betont Töngi im Artikel. Doch fossile Treibstoffe zu verbilligen, sei aus der Zeit gefallen. «Wir sollten diese Millionen in den ökologischen Umbau der Landwirtschaft investieren.» Der Status quo sei kein Zukunftsmodell.

Zufrieden kann einmal mehr der Schweizer Bauernverband sein – so die Meinung der «NZZ». «Es wäre grundfalsch gewesen, die Landwirte zusätzlich zu belasten», sagt dessen Direktor Martin Rufer gegenüber dieser. «Wir dürfen nicht noch von Staates wegen die Abgaben erhöhen.» Die Inflation und die steigenden Energiepreise hätten die Schweizer Bauern bereits mit einer Milliarde Franken belastet. Er betonte mit Blick auf Deutschland, dass die Branche auch hierzulande am Limit sei und keine Mehrbelastungen mehr vertrage.

Protestaktionen in der Schweiz

«Ob das reicht, um ein Überschwappen der Bauernproteste zu verhindern?», so die Frage der «NZZ» zum Ende des Artikels. Für die kommenden Wochen sind fast in der ganzen Schweiz Veranstaltungen von aufgebrachten Bauern angekündigt. Dabei nimmt die «NZZ» die Protestaktion vom Freitagabend auf, wo vielerorts Bauern mit ihren Traktoren auf Strassenbrücken gingen. Wir haben auf «schweizerbauer.ch» darüber berichtet.

 

Kommentare (4)

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  • Ketzer | 20.02.2024
    Immerhin stand in der NZZ der Grund für die Rückvergütung. Der wird sonst von den Drecksmedien bewusst verschwiegen.
    Nichts desto trotz ist die NZZ ein vollkommenes Scheissblatt, welchem die Leser in Scharen davonlaufen.
  • Werner Locher | 19.02.2024
    Ist vergessen gegangen, dass auch der Treibstoffzoll in der Fliegerei zurückerstattet wird? Wieviele Millionen sind das ?
  • Muchel | 19.02.2024
    Das sind keine Subventionen, sondern Steuerrückvergütungen. Der Grund. Wir benutzen hauptsächlich Güterstrassen, wenn wir auf das Feld fahren, die wir mit unseren Gütersteuern selbst finanzieren.
    Es wäre schön, wenn einmal fachlich korrekt berichtet würde.
    Ausserdem wird pro bewirtschaftete Hektare rückvergütet, nicht nach tatsächlichem Verbrauch. Dadurch wird ein Sparanreiz gefördert, der doch der grün/woken, urbanen Bevölkerung genehm sein sollte.
  • Gesunder Menschenverstand | 19.02.2024
    Lsnger Text, der Grund kurz erwähnt:
    Die Traktoren sind aber kaum auf den öffentlichen Strassen unterwegs. Deshalb sollen sie auch nicht dafür bezahlen müssen.
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