Bauern und Bäuerinnen werden für ihre Produkte nicht fair entschädigt. Die Produzentenpreise und die geringen Wertschöpfungsanteile am Konsumentenfranken ermöglichen kein existenzsicherndes, nachhaltiges Wirtschaften. So präsentierte sich der Verein «Faire Märkte Schweiz» (FMS) Anfang Juli vor der Öffentlichkeit.
«Kurz: Den Produzenten ist die generierte Wertschöpfung aufwandgerecht und fair zu entschädigen», sagte der geschäftsführende FMS-Präsident Stefan Flückiger. Der Verein FMS will Transparenz schaffen, wettbewerbsrechtliche Vorprüfungen vornehmen, zusammen mit Hochschulen neue Erkenntnisse gewinnen und den Dialog und die Bildung zu Fairness und Nachhaltigkeit fördern. Und auch rechtliche Schritte sind ein Mittel, dass der Verein einsetzen will.
«Stark gestiegene Preisdifferenz»
Nun rollt «Faire Märkte Schweiz» einen grossen Fall auf. Und nimmt einen ganz grossen Händler der Schweiz ins Visier: Die Migros. Jüngst mehrten sich Hinweise an die Organisation, dass die Migros den Produzentenpreise für Milch senken will. Laut FMS soll der Preis um 1.5 bis 2 Rappen pro Kilogramm sinken. In einem offenen Schreiben an die Elsa fordert FMS den umgehenden Stopp einer Senkung der Produzentenpreise. «Andernfalls drohen rechtliche und politische Korrekturmassnahmen», warnt die FMS die Migros.
Gemäss den TX-Medien begründet die Migros die Senkung mit dem stark gestiegenen Preisunterschied zwischen der Schweiz und Europa. So ist beispielsweise in Deutschland der Milchpreis regelrecht abgestürzt. Die «Deckungslücken» seien sehr gross, so beispielsweise für Magermilchpulver. Dies trotz Beiträgen aus dem Fonds für Rohstoffverbilligung, mit dem milchhaltige Produkte im Export unterstützt würden.
«Marktmacht»
«Eine mögliche Senkung erhöht nicht nur den wirtschaftlichen Druck auf Bäuerinnen und Bauern in unserem Land, sondern ist auch unangemessen», lässt sich FMS-Präsident und Geschäftsführer Stefan Flückiger zitieren. Aufgrund fehlender Alternativen seien die Bauern von der Migros abhängig. Eine Senkung der Preise habe für die Milchbauern negative wirtschaftlichen Folgen. So seien die Produktionskosten gestiegen. «Im Sinne der Fairness wäre die Milchpreissenkung vorrangig mit den Marktpartnern auszuhandeln», macht Flückiger deutlich.
«Freie Märkte Schweiz» bringt die Marktmacht der Migros-Tochter Elsa ins Spiel. Mit einem Marktanteil von rund 40 Prozent habe die Migros, mit Elsa als Konzernunternehmen, gemäss FMS eine besondere Verantwortung gegenüber ihren Marktpartnern. «Dazu gehört auch die Pflicht, den marktschwächeren Milchproduzenten nicht einseitig Bedingungen wie etwa Preise zu diktieren», heisst es in der Mitteilung von Dienstag.
«Marktmissbrauch»
Wirtschaftlich sieht der Verein keine Anhaltspunkte, die Produzentenpreise zu senken. Dies auch vor dem Hintergrund einer sinkenden Produktion von 160 Millionen Kilo oder 5 Prozent seit 2014. Zudem sei aufgrund der agrarpolitischen Voraussetzungen nicht davon auszugehen, dass die Milchproduktion wieder steigen werde. «Freie Märkte Schweiz» warnt deshalb die Migros. Eine einseitige Senkung der Vergütungen an Bauern für ihre Milch könne gemäss dem Kartellgesetz Marktmissbrauch bedeuten. Unter Artikel 7 heisst es : «Marktbeherrschende Unternehmen verhalten sich unzulässig, wenn sie durch den Missbrauch ihrer Stellung auf dem Markt andere Unternehmen in der Aufnahme oder Ausübung des Wettbewerbs behindern oder die Marktgegenseite benachteiligen.»
Deshalb fordert die FMS fordert die Migros auf, von einer «angedachten Senkung der Milchpreise umgehend Abstand zu nehmen» und künftige Anpassungen der Geschäftsbedingungen im fairen Dialog zu verhandeln. Der Verein kündigt an, die Entwicklung genau zu beobachten. Er behält sich politische und rechtliche Korrekturmassnahmen vor.
BOM räumt FMS geringe Chancen ein
Die Migros ist kein Mitglied mehr der Branchenorganisation Milch (BOM). Vor einigen Jahren ist wegen eines Streits aus der Organisation ausgetreten. BOM-Geschäftsführer erachtet die angekündigte Preissenkung der Migros-Tochter gegenüber den TX-Medien als «unschön». Aus seiner Sicht gibt es keine Gründe für den geplanten «Marktabzug», weil Elsa hauptsächlich auf dem Inlandmarkt tätig sei.
Dem Verein «Freie Märkte Schweiz» gibt er wenig Chancen, die Milchpreissenkung kartellrechtlich erfolgreich anzugreifen. Er habe FMS-Präsident Flückiger davon abgeraten, diesen Fall aufzunehmen, sagte er zu den «TX-Medien».
«Elsa wird nie Preisdrückerin sein»
Ein wichtiger Lieferant der Elsa ist die Aaremilch. 50 Prozent der Aktien gehören seit dem vergangenen Jahr der Migros-Tochter. An einem Info-Anlass von Januar 2023 lobte die Führung der Aaremilch den Einstieg der Migros. «Negativ ist zwar, dass wir eine gewisse Eigenständigkeit verlieren, das schleckt keine Geiss weg. Wir sind nicht mehr eine reine Produzentenorganisation», sagte Aaremilch-Präsiden Ruedi Bigler. Aber im Gegenzug habe das Zusammengehen mit der Elsa sehr viel Positives. Die Elsa habe ein hohes Wertschöpfungspotenzial mit einem sehr hohen Anteil A-Milch. Es gebe bessere Perspektiven für die Labelmilchproduktion. Und man sei weniger abhängig von staatlichen Geldern, hob Bigler hervor.
Der Elsa-Chef versprach für die Zukunft «leicht überdurchschnittliche Milchpreise». Die Elsa sei nie und werde am Markt nie Preisdrückerin sei. Er sagte weiter: «Es macht uns Sorge, dass es weniger Milchproduktionsbetriebe gibt. Wir wollen, dass die Milchproduktion attraktiv ist.» Man schaue immer darauf, dass «man im aktuellen Markt einen fairen Preis bezahle».
---> Taten statt schöne Worte....