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Protestbewegung: Das sind ihre Forderungen

Vor fast genau einem Jahr haben sich Landwirtinnen und Landwirte aus der Basis mit Aktionen für bessere Preise und weniger Bürokratie eingesetzt. Nun wendet sich eine neue bäuerliche Protestbewegung mit Forderungen an das Bundesamt für Landwirtschaft. Die Bauern wollen rasch Resultate sehen.

Vor rund 12 Monaten haben Bäuerinnen und Bauern auf die angespannte wirtschaftliche Lage hingewiesen. Die Aktionen wie Sternfahren, Brückentag, Weckruf, SOS, Mahnmärsche oder Mahnwache waren aber immer sehr friedlich und geordnet. Der Agrarminister Guy Parmelin zeigte für die Proteste Verständnis. «Ich bin beeindruckt, wie friedlich die Aktionen angesichts des grossen wirtschaftlichen Drucks verlaufen», schrieb er im März 2024 auf der Social-Media-Plattform X.

Erste Aktionen im Februar und März 2024

Mit der Aktion verlangten sie einen Dialog auf Augenhöhe.  «Wir fordern unsere Adressaten – Verwaltung, Politik und insbesondere die Grossverteiler mit ihren Verarbeitungsbetrieben - auf sich ihrer Rolle am Markt bewusst zu werden und aktiv mit unseren Organisationen den Dialog zu suchen», lautete die Forderung.

Die Kernforderungen der Bauern lauteten: Stabilität, Planungssicherheit und eine angemessene Entschädigung ihrer Arbeit und Produkte. Zusätzlich verlangen sie eine drastische Reduzierung des bürokratischen Aufwands sowie mehr Wertschätzung für ihre harte Arbeit und hochwertigen Produkte.

Dezember: Protestaktion vor BLW

Im Dezember 2024 haben die Weckruf- und Dialog-Organisatoren zu einer Protestaktion vor zwei Bundesbehörden aufgerufen. Sie zeigten sich mit der Situation unzufrieden. «Ich bin enttäuscht. Gerade auch politisch ist wenig gegangen. Wenn wir als Bauern darauf aufmerksam machen, wie stark die Bürokratie auf uns lastet, und der Bundesrat in der Folge nur zu einem runden Tisch einlädt und auf die Agrarpolitik 2030+ vertröstet, ist das ernüchternd», sagte Co-Organisator Urs Haslebacher zu «Schweizer Bauer».

Die Lage sei von den Bundesämtern nicht richtig eingeschätzt worden. «Es brennt den Bauern viel mehr unter den Nägeln, als sie meinen», machte er deutlich. Deshalb organisierten sie eine «Ermahnung» vor dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) und Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) in Liebefeld bei Bern. Rund 1000 Landwirtinnen und Landwirte sind dem Aufruf gefolgt. -> Die Forderungen gibt es hier

BLW hat Zeit bis Ende März

An diese Protestaktion knüpft nun eine bäuerliche Basisprotestbewegung an. Jahrzehntelang sei die Landwirtschaftsadministration aufgebläht worden, heisst es in der Mitteilung. Seit der Protestaktion im Dezember 2024 sei nichts passiert. «Man kann nicht immer nur reden und reden. Irgendwann braucht es einen nächsten Schritt, und der wurde nun eben gemacht», sagt Agronom Stefan Krähenbühl zu «Schweizer Bauer». Er spricht von einem Forderungskatalog, der vor ein paar Tagen der Direktion des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) übergeben wurde.

«Bis Ende März müssen erste Ergebnisse vorliegen», hält der Biobauer aus dem freiburgischen Greng unmissverständlich fest und warnt, falls das BLW nicht wie erhofft Antworten auf die Forderungen geben wird. «Dann werden wir kreativ und uns Unterstützung holen – die Konsumenten werden bei weiteren Schritten bestimmt dabei sein.» Sie seien mehr als eine kleine Gruppierung von Protestlern, sagt Krähenbühl. «Wir sind mittlerweile eine Massenbewegung, die sich vom Genfersee bis zum Bodensee erstreckt», stellt er klar. Man sei gesprächsbereit. «Aber unsere Geduld ist arg strapaziert», halten die fünf Repräsentanten im Schreiben fest.

Der Forderungskatalog umfasst fünf Punkte – Selbstständigkeit, Planungssicherheit, Grenzschutz, Ernährungssicherheit und Abbau der Bürokratie. Die Bewegung hat sie mit ihren Lösungsvorschlägen ergänzt.

1. Zukunft selbst gestalten

Die Bewegung verlangt Verbindlichkeit vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) und vom Bundesrat.

  • Die Ziele der Agrarpolitik werden durch die Gesellschaft festgehalten.
  • Gemeinsames und klar definiertes Ziel einer nachhaltigen und verlässlichen Produktion. «Wir müssen wissen, wohin wir wollen», so die Forderung.
  • Die Produzentenpreise müssen auf lange Frist um minimal 5 bis 10 Prozent steigen. «Wir wollen, dass wir unser Einkommen über den Markt erwirtschaften können und nicht aus den staatlichen Beiträgen», hält die Bewegung fest. Die landwirtschaftliche Produktion sei ihre Passion und Zukunft.

Bundesverfassung Art. 104a: Ernährungssicherheit 

Zur Si­cher­stel­lung der Ver­sor­gung der Be­völ­ke­rung mit Le­bens­mit­teln schafft der Bund Vor­aus­set­zun­gen für:

a. die Si­che­rung der Grund­la­gen für die land­wirt­schaft­li­che Pro­duk­ti­on, ins­be­son­de­re des Kul­tur­lan­des;

b. ei­ne stand­ort­an­ge­pass­te und res­sour­cenef­fi­zi­en­te Le­bens­mit­tel­pro­duk­ti­on;

c. ei­ne auf den Markt aus­ge­rich­te­te Land- und Er­näh­rungs­wirt­schaft;

d. grenz­über­schrei­ten­de Han­dels­be­zie­hun­gen, die zur nach­hal­ti­gen Ent­wick­lung der Land- und Er­näh­rungs­wirt­schaft bei­tra­gen;

e. einen res­sour­cen­scho­nen­den Um­gang mit Le­bens­mit­teln.

2. Planungssicherheit und Markt spielen lassen

Benötigt werde langfristige Planungssicherheit auf lange Sicht. «Schnellschüsse sind fehl am Platz. Es

geht auch um den Investitionsschutz, bei neuen Auflagen», heisst es zu Punkt 2.

  • Bei Investitionsvorhaben wie Stallbauten werden genügend lange und klar definierte Abschreibefristen verlangt. In der Vergangenheit seien die Bauern immer wieder durch Schnellschüsse der Verwaltung abgestraft worden, kritisiert die Bewegung.
  • Die Beitragszahlungen seien zur «reinen Abgeltung für nicht funktionierende Märkte verkommen», so die Kritik.
  • Gefordert werden verlässliche und langfristige Rahmenbedingungen, die die Marktmacht der Grossverteiler im Binnenmarkt entschärfen und den Wettbewerb auf allen Stufen der Wertschöpfungskette spielen lassen.

3. Grenzschutz muss umfassender werden

Der Grenzschutz sei aufgrund der aktuellen geopolitischen Lage zentral. Das Zollsystem müsse umfassender verstanden werden, lautet die Forderung.

  • Die Marktentwicklung im Binnenmarkt soll liberalisiert und fair zu gestaltet werden. So soll ein Marktgleichgewicht einstellen. Im Bedarfsfall soll dieses durch Markttransparenz erzwungen werden.
  • Die Landwirtschaft soll bei der Existenzsicherung und der Krisenvorsorge der Armee und der Energieversorgung gleichgesetzt werden. Sie soll mit einem langfristigen Versorgungsauftrag beauftragt werden. Es sollen Sofortmassnahmen zur umgehenden Steigerung der Produktionseffizienz eingeleitet werden.

4. Neubeurteilung der Ernährungssicherheit

Die Ausgestaltung der Direktzahlungen ist für die Protestbewegung nicht mehr zeitgemäss. Sie verlangen ein Umdenken und eine Neubeurteilung des künftigen Direktzahlungssystems und deren Ausrichtung. Die klare Forderung: Der Fokus muss auf die Ernährungssicherheit verlagert werden.

5. Bürokratie abbauen

Die Bewegung fordert einen «grundlegenden» Wandel in den Strukturen und der Haltung der Verwaltung. «Ein neues Führungsverständnis ist zwingend. Vermutlich sind personelle Änderungen unausweichlich», halten sie fest.

  • Heute gebe es mehr als 3000 Kontrollpunkte, nie seien welche gestrichen worden. «Es darf keine neuen Anforderungen vor 2030 mehr geben», stellen sie klar.
  • Nur noch relevante Punkte sollen aufgezeichnet werden, so die Absetzfristen bei Tierarzneimittel und Pflanzenschutzmittelgaben. Alle anderen Dokumentationen wie beispielsweise Auslaufjournale sollen  gestrichen werden.
  • Die Nulltoleranz bei Fehlern bei den Aufzeichnungen soll abgeschafft werden. Diese sei ist «völlig unverständlich», heisst es in der Mitteilung.
  • Schweizer Produkte sollen im Regal deutlich gekennzeichnet werden.
  • Die Verwaltung stehe in starkem Missverhältnis mit der sinkenden Anzahl an Landwirtschaftsbetrieben. Sprich: Sie muss Personal abbauen.

Kommentare (1)

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  • Livia Greenvale | 21.02.2025
    Ich unterstütze viele der Forderungen der Protestbewegung, insbesondere die Reduktion der Bürokratie und eine Zukunft für die kleinbäuerliche Landwirtschaft liegt mir besonders am Herzen. Doch ein Punkt wird noch viel zu wenig diskutiert: Wie soll das Direktzahlungssystem in Zukunft aussehen? Wollen wir Gleichheit oder echte Gerechtigkeit?

    Aktuell profitieren grosse Betriebe überproportional stark von den Direktzahlungen – einfach weil sie mehr Fläche oder mehr Tiere haben. Das mag auf den ersten Blick fair erscheinen, ist es aber nicht. Warum? Weil grössere Betriebe aufgrund ihrer Struktur und Effizienzgewinne ohnehin kostengünstiger produzieren können. Sie brauchen weniger Unterstützung als kleinere Betriebe, die oft ohne Skaleneffekte wirtschaften müssen.

    Und trotzdem wird uns in jeder Werbung suggeriert, dass es die kleinen, bäuerlichen Familienbetriebe sind, die wir erhalten wollen. Doch genau diese kämpfen ums Überleben, während Grossbetriebe sich mit viel zu hohen Direktzahlungen absichern und dadurch immer weiter expandieren. Wenn wir wirklich eine vielfältige und regional verankerte Landwirtschaft wollen, dann muss das Direktzahlungssystem endlich gezielt die kleinen und mittleren Betriebe stärken.

    Was wäre gerechter?
    • Direktzahlungen sollten degressiv gestaltet werden – grosse Betriebe erhalten weniger Beiträge pro Hektar, Stk. oder GVE, weil sie effizienter wirtschaften können.
    • Kleinere Betriebe (0-12 ha) sollten stärker gefördert werden, um ihre Existenz zu sichern und ihnen Investitionen zu ermöglichen, ohne dass sie sich in eine Spirale der Überinvestition begeben müssen.
    • Das heutige System, das hauptsächlich nach Fläche, Stk. und Tierzahl rechnet, muss hinterfragt werden. Vielleicht wäre die Standardarbeitskraft (SAK) eine bessere Bemessungsgrundlage als reine Flächen- Stk. oder GVE-Zahlen.
    • Maximale Obergrenze der Direktzahlungen von CHF 70'000.- je Betrieb.

    Und was ist mit Unternehmertum?
    Ehrlicherweise gibt es das in der landwirtschaftlichen Urproduktion nicht. Unternehmertum bedeutet, dass man durch eigene Entscheidungen, Innovationen und Marktstrategien seinen Betrieb wirtschaftlich erfolgreich machen kann. Doch in der Schweizer Landwirtschaft (Ur-Produktion) ist das kaum möglich. Der Grenzschutz und die Direktzahlungen sorgen dafür, dass die Landwirtschaft keinem echten Marktmechanismus unterliegt – es gibt keine unternehmerische Freiheit, weil die Existenz der Betriebe von Direktzahlungen und politischen Rahmenbedingungen (DZV) abhängt.
    Ein echter Unternehmer kann seine Produkte zu marktfähigen Preisen verkaufen. Ein Schweizer Landwirt hingegen hat keine Kontrolle über seine Preise, weil diese von Grossverteilern, Abnehmern und politischen Entscheidungen bestimmt werden. Gleichzeitig wird durch immer mehr Vorschriften und Kontrollen jede betriebliche Eigenverantwortung untergraben. Direktzahlungen und Grenzschutz sind keine unternehmerische Basis – sie sind ein notwendiger Schutzmechanismus, weil die Schweizer Landwirtschaft im internationalen Wettbewerb nicht bestehen kann. Dann müssen wir aber auch das Direktzahlungssystem so gestalten, dass es die richtigen Betriebe stärkt – und nicht die, die das System am besten optimieren.

    Denn was bringt es, wenn wir ein System haben, das vor allem diejenigen belohnt, die es am geschicktesten optimieren? Wir brauchen keine Prämienjäger mit den meisten Hochstammbäumen (Agroforst), den grössten BFF-Flächen (Buntbrache, extensive Wiese usw.) oder den höchsten Tierwohlprämien (BTS, RAUS, Weide+) – wir brauchen eine Landwirtschaft, die Kalorien produzieren kann, ohne in die Falle der Direktzahlungsabhängigkeit zu geraten.

    Wenn wir von Ernährungssicherheit sprechen, dann müssen wir uns auch fragen, welche Art von Betrieben wir in Zukunft wollen – ein paar wenige grosse, die das System ausnutzen, oder eine gesunde, breit abgestützte kleinbäuerliche Landwirtschaft mit vielen kleineren Betrieben, die auch von ihrer Arbeit leben können?

    Es ist Zeit für eine ehrliche Debatte. Denn was wir jetzt haben, ist weder Gleichheit noch Gerechtigkeit – sondern ein verzerrtes System, das dringend reformiert werden muss.

    Ich will die Landwirtschaft nicht in eine Zeit zurückführen, in der Pferdegespanne und Gotthelf-Romantik den Alltag bestimmten. Fortschritt, Innovation und moderne Technologien sind entscheidend, um eine produktive Landwirtschaft zu sichern. Doch dieser Fortschritt darf nicht bedeuten, dass kleine und mittlere Betriebe auf der Strecke bleiben. Die Direktzahlungen bieten uns die Möglichkeit, gezielt jene Betriebe zu schützen, die sonst keine wirtschaftliche Zukunft hätten. Unser Ziel muss eine Landwirtschaft sein, die Vielfalt erhält, nachhaltige Produktion ermöglicht und nicht von einer rein betriebswirtschaftlichen Direktzahlungsoptimierung maximiert und dominiert wird.

    Gleichzeitig müssen wir diskutieren, wie diese Betriebe ihre Zeit sinnvoll einsetzen können. Landwirtschaft ist mehr als reine Nahrungsmittelproduktion – sie prägt Landschaften, sichert Traditionen und schafft regionale Identität. Doch wenn wir so weitermachen wie bisher, steuern wir auf eine Zukunft zu, in der nur noch wenige grosse, hochindustrialisierte Betriebe übrigbleiben. Ist das wirklich die Landwirtschaft, die wir wollen?
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