Um die Wertschöpfung auf dem Hof zu erhöhen, entscheiden sich immer mehr Bauernfamilien für die Direktvermarktung. Diese gewinnt in der Schweiz zunehmend an Bedeutung. Zwischen 2010 und 2020 stieg die Zahl der Betriebe mit Direktvermarktung von 12% auf 26%. Im Jahr 2020 gab es in der Schweiz 12’676 Direktvermarkter.
Trotzdem macht der Direktmarkt frankenmässig weniger als 5 Prozent des Gesamtmarktes aus. In einem Interview mit dem «Bieler Tagblatt» gibt Jürg Iseli, Präsident des Berner Bauernverbandes (BEVB), deshalb auch zu verstehen, dass die Direktvermarktung wohl eine Nische bleiben werde. Gegen den Detailhandel werde sie sich nicht durchsetzen, so der Präsident des BEVB. Trotzdem unterstützt auch der Verband Landwirtinnen und Landwirte, die ihre Produkte selbst vermarkten wollen.
Wertschöpfung bleibt im Betrieb
Ein Anreiz, in die Direktvermarktung einzusteigen, ist der Preisdruck, der vom Detailhandel ausgeht. Ein Vorteil der Direktvermarktung liegt also auf der Hand. Durch die Umgehung des Zwischen- und Detailhandels, der ebenfalls kräftig mitverdienen will, bleibt die gesamte Wertschöpfung auf dem Hof. Die Bauernfamilie kann den Verkaufspreis ihrer Produkte selbst festlegen, obschon sie sich auch hier am Markt orientieren sollte.
Für Konsumentinnen und Konsumenten können Hofläden auch einen Genuss fürs Auge bieten.
Sandra Diethelm
Trotzdem vermutet Iseli, dass «die Preise bei der Direktvermarktung tatsächlich etwas tiefer sind» als im Detailhandel. Die Wertschöpfung bleibt aber wesentlich höher, als wenn man die Ware en gros verkauft. Voraussetzung ist hier jedoch, dass die Ware auch verkauft werden kann. Produkte, die sich für die Direktvermarktung am besten eignen, sind Obst und Gemüse, gefolgt von Eiern, Wein und Fleisch aus Mutterkuhhaltung, stellt der Schweizer Bauernverband fest.
Fordert Zeit und Engagement
Ein grosses Risiko bei der Direktvermarktung ist daher auch die Verderblichkeit der Ware. Vor allem wer leicht verderbliche Ware wie Gemüse und Früchte direkt verkaufen will, muss auch in die Lagerung investieren. Bleiben aus irgendeinem Grund die Kunden aus, bleibt man auf der Ware sitzen. «Ich denke, das hat schon manch einer unterschätzt und musste dann zurückkrebsen» vermutet Iseli.
Die Direktvermarktung ist aber auch sehr arbeitsintensiv und erfordert nicht selten die Bereitschaft der ganzen Familie, im Hofladen mitzuarbeiten. Was den Erfolg der Direktvermarktung gewiss fördert ist, wenn der Hofladen für die Kundinnen und Kunden gut erreichbar ist. «Wenn es jemand wirklich will, kann zwar auch ein abgelegenerer Hofladen funktionieren. Es ist aber mit mehr Aufwand verbunden», weiss Iseli. Auch eine Zusammenarbeit mit anderen Betrieben könne vorteilhaft sein.
«Die grosse Mehrheit geht in den Detailhandel»
Rund jeder vierte Schweizer Bauernbetrieb setzte bei der Erhebung 2020 auf Direktvermarktung (der Bund erhebt die Zahlen nur alle fünf Jahre). Trotzdem werde dieses Vermarktungsmodell eine Nische bleiben, vermutet Iseli. Es gebe zwar Betriebe, auf denen vor allem die jüngere Generation auf Direktvermarktung setzen würden. Gleichzeitig gebe es aber auch immer wieder Bauernfamilien, die zu den herkömmlichen Absatzkanälen zurückfinden würden.
Bei leicht verderblichen Produkten muss bei der Direktvermarktung auch die Lagerung organisiert werden.
zvg
Diese Wellenbewegung stellt Iseli auch bei den Konsumentinnen und Konsumenten fest. Neue kämen hinzu, bestehende bevorzugten wieder den Detailhandel. «Die grosse Mehrheit aber geht in den Detailhandel, weil man dort alles an einem Ort bekommt», beobachtet Iseli.
Trotzdem scheint das Konzept des Hofladens bei der Kundschaft anzukommen, warb doch die Migros erst kürzlich damit «der grösste Hofladen der Schweiz» sein. Hofläden sind aber keine Konkurrenz für den Detailhandel. Das wissen auch die bäuerlichen Betriebe.
Bauernverbände helfen
Nur bei 3,6 Prozent aller Schweizer Betriebe macht die Direktvermarktung mehr als 50 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Im Kanton Bern lebten vor vier Jahren lediglich 1,7 Prozent der Betriebe hauptsächlich von der Direktvermarktung. Die meisten Bauernfamilien sehen in der Direktvermarktung eine zusätzliche, aber keine Haupteinnahmequelle.
Bevor man sich für die Direktvermarktung entscheidet, sollten unter anderem das Marktpotenzial und die Finanzierung sorgfältig geprüft werden. Für den Aufbau der Direktvermarktung gibt Iseli einige wichtige Punkte zu bedenken. So sollte man zuerst den Betrieb analysieren und sich gut überlegen, ob die zeitlichen Ressourcen für den Betrieb eines Hofladens vorhanden sind. Die kantonalen Beratungsstellen helfen Ihnen bei der Planung.