Die Niederlande, die zu den weltweit grössten Exporteuren von Agrargütern gehört, sieht sich mit einer massiven Güllenkrise konfrontiert. Die grosse Anzahl an Nutztieren führt zu einer Überdüngung und Verschmutzung von Böden und Gewässern. Neben politischem Druck auf den Agrarsektor sei das auch ein Problem für die Banken, schreibt die «Neue Zürcher Zeitung».
Gewinnmaximierung ist Vergangenheit
Die EU und die nationalen Banken, darunter die Rabobank, drängten die 50’000 Bauernbetriebe zu einer ökologischeren Wirtschaftsweise. Gegenüber der Wirtschaftszeitung «Het financieele dagblad» sagte Alex Datema, Chef des Agrargeschäfts der Rabobank und ehemaliger Milchbauer, «dass die reine Gewinnmaximierung ein Konzept der Vergangenheit sei.» Die Rabobank plant, Sonderkredite von 3 Milliarden Euro (2.83 Milliarden Fr.) bereitzustellen, um den Übergang zu unterstützen.
Die Rabobank ist somit eine treibende Kraft. Die Bank hat Kredite in Höhe von 13 Milliarden Euro (12.25 Milliarden Fr.) an den Agrarsektor vergeben. Sie, wie auch anderen Banken befürchten aber, Landwirte als Schuldner zu haben, die aufgrund schärferer Umweltgesetze nicht mehr in der Lage sind, ausreichend Geld zu verdienen, um die Kredite zu bedienen und das Geschäft ökologischer auszurichten.
Lange Übergangszeiten gewährt
Die EU hat den Niederlanden, ähnlich wie Dänemark und anderen Ländern, lange Übergangszeiten gewährt, um die Stickstoffemissionen zu reduzieren. Diese Fristen laufen bald aus, und eine Verlängerung scheint unsicher. «Man hätte genügend Zeit gehabt, die Direktive umzusetzen», merkt Jan Willem Erisman, Professor für Umweltwissenschaften an der Universität Leiden, gegenüber der «NZZ» an.
Seit 2005 gelten Übergangsbestimmungen. Diese werden schrittweise bis Ende 2025 auslaufen, danach werden die Bauern noch 170 Kilogramm Stickstoff pro Hektare Land ausbringen dürfen. Heute sind es noch maximal 230 Kilogramm.
Auch darum sind die Absatzpreise für Gülle in den Niederlanden zurzeit auf einem historisch hohen Niveau. Auf dem freien Markt kostet die Entsorgung eines Kubikmeters Schweinegülle zurzeit zwischen 30 Euro und 35 Euro (28.70 Fr. bis 33.50 Fr.). Der Preis für die Entsorgung von Rindergülle liegt im Durchschnitt um einige Euro niedriger. Auslöser dafür war auch die Witterung: Wegen der Nässe im vergangenen Frühjahr und auch 2023 konnten die Güllelager kaum entlastet werden.
Weit verbreitete Zukunftssorgen
Einige Bauern exportieren darum ihre Gülle ins Ausland, was jedoch aufgrund des hohen Wasseranteils der Gülle ökologisch fragwürdig sei, so die «NZZ». Auch laut Erisman ist diese Praxis unsinnig. Und auf eine extensive Viehwirtschaft umzusatteln und dafür Land zu kaufen, sei kaum möglich. Landwirtschaftsflächen sind in den Niederlanden sehr teuer. Einige Landwirte könnten sogar in Erwägung ziehen, ins Ausland auszuwandern, um neu anzufangen.
Eine Umfrage unter niederländischen Landwirten offenbart diese weit verbreiteten Zukunftssorgen, hauptsächlich aufgrund der Stickstoffpolitik und strenger EU-Vorschriften. Viele befürchten das Ende ihrer Betriebe und beklagen fehlende Perspektiven für Hofnachfolger.
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