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Warum ein Milchbauer die Produktion aufgibt

Die Milchproduktion steckt in der Krise. Alle zwei Tage wirft in der Schweiz ein Milchviehhalter das Handtuch. So auch Johan Viret, der Anfang 2024 beschloss, sich von all seinen Milchkühen zu trennen.

Pascale Bieri, Agir |

Während den Festtagen präsentieren wir euch in regelmässiger Folge Artikel, die 2024 auf reges Interesse gestossen sind. Dieser Artikel wurde am 22. Februar 2024 erstmals publiziert.

In einem Vierteljahrhundert haben mehr als die Hälfte der Milchbauern ihre Tätigkeit aufgegeben. So ist ihre Zahl innerhalb von zehn Jahren von 24’369 im Jahr 2012 auf 17’603 im Jahr 2022 gesunken – was einem Rückgang von 6’766 Milchbäuerinnen und Milchbauern entspricht.

2023 haben weiter 439 Milchproduzierende aufgehört. Das entspricht einer Abnahme von 2,5 Prozent.  2023 gab es noch 17'164 Milchviehbetriebe (-439 gegenüber 2022). Damit haben im vergangenen Jahr jeden Tag 1,2 Milchproduzenten (2022: 0,88 Betriebe; 2021: 1,3 Betriebe) aufgegeben. Innerhalb 20 Jahren hat rund die Hälfte der Milchviehbetriebe aufgegeben.  Der Rückgang dürfte sich auch 2024 weiter fortsetzen, zumal die Milchpreise weiter sinken und bei den Kosten keine grössere Entlastung zu erwarten. 

Nicht nur die Anzahl Betriebe, sondern auch die Milchproduktion war 2023 rückläufig. Dies ist der zweite Rückgang in Folge. 2023 wurden 3'236'950 Tonnen produziert, das sind 15445 Tonnen oder 0,5 Prozent (2022: -1,5%) weniger als im Vorjahr. 2023 wurde die tiefste Milcheinlieferung seit der Aufhebung der Milchkontingentierung im Jahr 2009 gemessen. blu

Eine schwere Entscheidung

Vor einigen Jahren posierte Johan Viret stolz neben seiner Kuh Ragusa für die Plakatkampagne «Schweizer Bauern. Von hier, von Herzen.» der Basiskommunikation des Schweizer Bauernverbandes. Das war 2018, sechs Jahre nachdem er den Familienbetrieb im waadtländischen in Villars-Tiercelin übernommen und in den Bau eines neuen Stalls für seine 40 Milchkühe investiert hatte – mit dem Ziel, ihnen alle modernen Wohlfühlmöglichkeiten bieten zu können.

Anfang 2024 dann der Donnerschlag: Der Landwirt beschliesst die Milchproduktion aus verschiedenen persönlichen und finanziellen Gründen aufzugeben und sich von all seinen Kühen zu trennen. «Ich hätte den Betrieb kein Jahr mehr aufrechterhalten können», sagt der 35-Jährige, weniger verbittert als vielmehr erleichtert über die Entscheidung und fügt an, dass er über diese Entscheidung bereits seit einiger Zeit nachgedacht habe.

Produktion erhöht

«Uns wird gesagt, dass wir extensiv arbeiten und auf Praktiken setzen sollen, die auf umweltfreundlichen Techniken beruhen und deren Ziel nicht darin besteht, die Produktivität um jeden Preis zu steigern», erklärt Johan Viret. «Aber das derzeitige System führt dazu, dass wir nicht zurechtkommen, wenn wir nicht produzieren und immer intensiver züchten», versichert der Landwirt.

Mit einer Milchproduktion von 180 Tonnen Milch pro Jahr lag Johan Viret im Schweizer Durchschnitt. Eine durchschnittliche Produktion, die jedoch stetig steigt: Von 138 Tonnen im Jahr 2012 auf 185 Tonnen pro Betrieb zehn Jahre später. Das entspricht einer Steigerung von 34 Prozent in zehn Jahren. Eine Aufwärtskurve, der der Züchter nicht weiter folgen konnte.

Braucht einen angemessenen Milchpreis

«Ich bin alleine auf meinem Betrieb und könnte nicht mehr Tiere halten – damit betriebliche Strukturen wie die meinen aber überleben können, müsste man uns einen angemessenen Milchpreis zahlen», erklärt Johan Viret und ergänzt: «Die Leute glauben, dass wir von den Direktzahlungen leben. Die decken allerdings nur einen kleinen Teil der Einnahmen, die wir brauchen, damit der Betrieb funktioniert.»

Die sich häufenden Rechnungen, die Arbeitsbelastung und mehrere schwere Rückschläge in den letzten Jahren haben Johan Virets Leidenschaft für seine Kühe getrübt. Im Jahr 2020 sei er bereits kurz davor gewesen, alles aufzugeben: «Meine Kühe und Färsen waren mit Klebsiella infiziert – Bakterien, die gegen Antibiotika resistent sind – und ich musste ein Drittel der Herde schlachten, darunter auch ‹Ragusa›», erzählt er und ergänzt: «Das war sehr hart.»

Schicksalsschläge häuften sich

Letztes Jahr verzögerte ein Deckproblem die Kalbungen und damit die Milchproduktion seiner Kühe, sodass er die monatlichen Milchmengen und damit den Vertrag mit der Genossenschaft Mooh nicht einhalten konnte. Ein unvorhergesehenes Ereignis, das zu Maluszahlungen führte, die seine Liquidität belasteten.

«Wir stehen ständig auf Messers Schneide – das ist kein Leben», sagt Johan Viret. «Letztes Jahr habe ich in einem Tiefbauunternehmen gearbeitet und habe zwei Wochen lang nachts mehr verdient, als wenn ich einen Monat lang sieben Tage die Woche auf meinem Bauernhof gearbeitet hätte und am Ende nur genug Geld hatte, um die Rechnungen zu bezahlen», gesteht er.

Preissenkung brachte Fass zum Überlaufen

«Man sollte nicht alles auf Geld ausrichten und das ist bei mir auch nicht der Fall, aber man muss trotzdem leben können», ergänzt Johan Viret. So würde der Landwirt auch gerne etwas mehr Zeit für sich haben, um eine Familie zu gründen und um ab und zu wegzufahren: «Seit ich den Betrieb übernommen habe, habe ich einmal zwei Wochen Ferien gemacht.»

Die Senkung des Milchpreises um zwei Rappen zu Beginn des Jahres und die gleichzeitige Erhöhung des Tarifs für den Transporteur, der die Milch jeden zweiten Tag abholt, von 24 auf 32 Franken pro Fahrt, brachten das Fass zum Überlaufen und führten schliesslich zur Entscheidung, die Milchproduktion aufzugeben.

Interesse an Maschinen und Kulturen

Heute, so gesteht Johan Viret, fühlt er sich leichter. Er fand Käufer für seinen Melkroboter und seine Milchkühe. Von einer Kuh – einer Nachfahrin von Ragusa, der er besonders nahesteht – bleibt er Eigentümer: «Sie wird nicht mehr bei mir sein, aber ich möchte weiterhin die Entscheidungen treffen, die sie betreffen.»

Obwohl er die Milchkühe aufgibt, gibt der Landwirt den Beruf nicht auf. Auf den 35 Hektar seines Betriebs wird er seine Anbauflächen vergrössern, insbesondere für Zuckerrüben. «Ich mag den Ackerbau und die Maschinen sehr, daher wird mir das gut passen», erklärt Johan Viret. Da er sich seinen Hof aber nicht ohne Tiere vorstellen kann, wird er sicherlich auch einige Mutterkühe und Mastkälber haben.

Kommentare (29)

Sortieren nach:Likes|Datum
  • Thurgauer bauer | 26.12.2024
    Mit dem vetrinäramt thurgau vorallem frau n. Reugg hört man gerne Auf mit Der tierhaltung. Diesel frau hat schon violent familien leid gebracht das hat nichts Mehr mit tierschutz zu tun. Allgemein I'm thurgau left Viele aus dem ruder
    • Auch Thurgauer Bauer | 26.12.2024
      Frau L. Borchers ist die selbe.
  • Fritz Marti | 25.12.2024
    Wenn ich die Kommentare auf dieser Seite und alle andern die ich in diesem Jahr gelesen habe überdenke, frage ich mich wer in 10 Jahren noch melken will.
  • Roland Di Marzio | 24.02.2024
    Wer schreibt der Farmaindustie die Preise vor? Bauen macht euren Preis. Ich liebe Milch. Ich bezahle auch gerne mehr! Eine Schweiz ohne Kühe auf der Weide einfach unvorstellbar. Kämpft! Ihr seid die Produzenten.
  • Bauer 41 jährig | 23.02.2024
    Da sage ich nur jammern auf hohem Niveau.
    • Konsument mit Verstand | 23.02.2024
      Ein Blick in das Käseregal beim Orangen Riesen zeigt mir ...Selten bis gar Nie eine Käsesorte unter!! 30.- sfr. p.Kg. Mit schwarzer Rinde näher bei 40.zig sfr.
      Wer verdient hier!! bei einem Milchpreis von weniger als 0.60 sfr.
      Es wird immer der Basispreis zitiert.All die Abzüge - Für alle Verbände ,QM ,Transport,Spez.Finanzierungen etc.,davon ist Niee die Rede.Das Geld wird einfach genommen.Nettozahlung.Ohne Einsprachemöglichkeit !!
      Somit ergibt sich für jeden Einzelnen eine andere Rechnung.
      Und noch etwas...es würden noch viel Mehr aufhören ..wenn sie könnten,aber die können die Schulden nicht nicht mehr tilgen.Somit bleiben sie weiter im Hamsterrad gefangen .
  • Ursula | 22.02.2024
    Warum ist es möglich, dass CH Milchpreise gesenkt werden, während es weniger Schweizer Milch auf dem Markt gibt.
    Ist das nicht schlicht surreal? Zumindest für mich.
    Exgüsi 🤷‍♀️
    • Bäuerin | 23.02.2024
      Gut und angemessen ist es nicht. Aber wir haben einen Selbstversorgungsgrad von 105%, d.h. wir müssen Milchprodukte exportieren und somit sind wir auch von den internationalen Preisen, die in den letzten Monaten gesunken sind, abhängig. Zudem sind unsere stärkten Exportprodukte, die AOP-Käsesorten, zur Zeit weniger gefragt (Inflation, starker Franken, gedrückte Konsumentenstimmung). Argumentieren können wir mit den gestiegenen Kosten und den bereits sehr tiefen Löhnen.
    • Christoph Büschi | 05.01.2025
      Der Bund genehmigt in regelmässigen Abständen Importkoningente für Butter! Diese drücken Massiv auf die CH Preise. Zudem kann der Detailhandel in der BOM tun und lassen was er will die leidtragenden sind immer die Bauern. Wir haben zum Glück 2019 die Milchviehhaltung auch aufgegeben und unsere Buchhaltung hat sich massiv verbessert sowie die Arbeitsbelastung um ca. 70% abgenommen. Ich kann es allen Milchviehhaltern ans Herz legen die Rechnung zu machen und abzuwägen ob es sich noch lohnt.
  • Rochus Schmid | 22.02.2024
    Ich gab die Milchproduktion vor 8 Jahren auf. Ich hatte ein rund laufendes System mit saisonaler Abkalbung und Weidemelkstand. Aber die Abzüge wurden immer vielfältiger: Umstellung auf Monatslieferrecht (ich lieferte nur 10 Monate), Gehaltsabzüge (Weidemilch ohne Kraftfutter hat tiefere Gehalte), sprunghafte Abgabe pro „truckstop“.
    Es blieben mir noch 65 Rappen für Biomilch, was zuwenig ist im Verhältnis zur geleisteten Arbeit. Es war ein Kopfentscheid. Es wird leider immer ruhiger auf den Höfen.
  • Meister willi | 22.02.2024
    Ist doch eine grosse Sauerei .Dass die Milch eines der besten Lebensmittel überhaupt! Da ist alles drin was ein lebender Organismus braucht so im Preis runter gedrückt wird . Zu meiner aktiven Zeit als käser heute milchtechnologe! War der Preis um etwa 1nen Franken , was das anhand der Inhalts Stoffe rechtfertigen würde. Warum das Frage ich mich macht der Bauern Verband nicht den Preis den es braucht damit damit der produzent ein rechtes Einkommen hat. Aber das ist ein Problem der ganzen Lebensmittelindustrie. Möglichst billig!! In den meisten Industrien wird der Preis vom produzent (Fabrikanten) gemacht! Und nicht der Kunde sagt was er für das Produkt bezahlt. Für mich ist das System im Lebensmittelindustrie grundsätzlich falsch.
  • Hoegerlibuur | 22.02.2024

    Ich wirtschafte in einem älteren Stall. Dank dem komme ich einigermassen über die Runden. Sollten mich die Vorschriften zum Bau einer neuen Scheune zwingen, werde ich die Landwirtschaft aufgeben. Warum? Ganz einfach: weil ich das beim besten Willen nicht finanzieren kann.

  • Roli Frei | 22.02.2024
    180t+kälbermilch:40 Kühe und Robi melken?
    • KnechtRuprecht | 22.02.2024
      @Roli

      Bisch grad ab em Boum abe cho?

      Wenn's nid versteisch.... geht es auch in Schriftsprache...?
    • Roli Frei | 23.02.2024
      Sollte eine Rechnung sein, welche bei mir ca.5000-5500 kg milch ergibt pro kuh und jahr. Für diese "tiefe" Leistung dünkt mich ein Roboter als eher teures melksystem. Muss aber nichts heissen, wenn die übrigen kosten auf ein minimum reduziert werden können mit vollweide z.b.
      Ich bedaure jedes mal wenn jemand aufhört
  • Verbundene Scholle | 22.02.2024
    Johan, ich bin ganz deiner Meinung. Die Kirtiker haben gar keine Ahnung, was alles dahinter steck. Wir würden einen gerechten Preis sehr vorziehen, als vom Staat auferlegte erbringende Leistungen bezahlt zu werden. Da sieht vor lauter Bäume auch nicht mehr durch.
  • Leo | 22.02.2024
    wer nicht zurechtkommt mit diesen zehntausenden von geschenktem steuergeld der steuerzahler sprich direktzahlung und erwirtschafteten betriebseinkünften macht klar etwas nicht richtig dass ist ein jammern auf hohem pferderücken. wahrscheinlich wurde auch falsch investiert in den betrieb zu teuer neu gebaut usw evt zu teure maschinenpark.....
    • Tinu | 22.02.2024
      Wie lange führen sie schon einen Landwirtschaftsbetrieb? Wenn sie selber einen führen bekommen sie ja auch Geld „geschenkt“. Ansonsten muss ich annehmen sie haben eine grosse Klappe und keine Ahnung!!!!!
    • Altmelker | 22.02.2024
      Lieber Leo Da Du ja offenbar alles besser kannst und besser weisst, könntest Du ja meinen Betrieb übernehmen? Bin seit 30 Jahren jeden Tag im Stall, immer 24 Stunden erreichbar, hab nie einen "Teuerungsausgleich" erhalten und die, an vom Staat verlangten Leistungen gebundenen, Direktzahlungen sinken genauso schnell wie dafür die Auflagen, Vorschriften und Anforderungen steigen. Wer Leo, wer gibt Dir das Recht, über andere Menschen so zu urteilen? Was ist Dein Leistungsausweis, wer bist Du, was hast Du alles erreicht, was hast Du alles geschafft? Oder stecken hinter Deinen Worten nur Frust, Neid und Missgunst?
    • Ketzer | 22.02.2024
      Deine tröstenden Worte sind bestimmt Balsam für die Seele dieses Bauern!
    • KnechtRuprecht | 22.02.2024
      @Leo
      ich denke Sie wären ein perfekter Berater....
    • Elfi | 22.02.2024
      Dieser Kommentar wurde von der Redaktion entfernt.
    • Hans | 22.02.2024
      Leo, der typische 20min-Leser, immer bestens informiert, kennt alle Hintergründe, weiss immer einen guten Ratschlag, kennt bestens die Realitäten, wirklich rundum ein guter Berater....:-)))
    • Oberli | 23.02.2024
      Du bisch ihne vo däne wo ke ahnig hi vor landwirtschaft.mir wärde zwunge aud nach vorschrifte ds mache u ds tierwohl git vor,so muess me o chönne investierä.aber leider choschtet aus viu meh u d miuch wird füre produzänt geng billiger.dr konsumänt wo im lade miuch kuft zahut 1fr meh aus dr produzänt überchunnt.das isch doch nid normau dass sich die zwüschehändler a jedem liter so bericherä u dr buur wo 365tag aus git nümm über d rundi chunnt.bitte chli überlege!!!
    • felix | 23.02.2024
      diese direktzahlungen wollten wir nie!! und die wo behaupten verschwendete steuergelder sind genau die wo keine ahnung haben! vieleicht sollten die jenigen mal von ihrem unfall erzählen! sorry
    • Biopuur | 01.01.2025
      Das ist falsch ausgedrückt, Leo. Natürlich hat auch dieser Landwirt einiges aufgewendet, um Direktzahlungen zu erhalten. Allerdings glaubt die gesamte Milchbranche, man könne dank dieser DZ von den Milchbauern jedes Preiszugeständnis abverlangen.
  • Extensivmelker | 22.02.2024
    Gratuliere zu diesem Bericht und zur Ehrlichkeit vonJohan Viret!! Wenn alle so ehrlich wären, die Kühe melken , hätten wir in kürzester Zeit tausende Arbeitslose in den nachgelagerten Betrieben uva in unseren super Verbänden!!
  • Sebu | 22.02.2024

    Im Supermarkt ist Milch bald günstiger als Wasser!

    • etter martin | 26.02.2024
      an bauer 41 auf so ein blöder komentar können wir gut verzichten du hast wohl keine ahnung von den produktionskosten darum dass nächste mal überlegen bevor du schreibst und zu feige bist du auch noch traust nicht einmal deinen namen zu nennen mutig mutig !!!
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