Der Kanton Bern betreibt durch das Amt für Justizvollzug an den Standorten der Justizvollzugsanstalten (JVA) Witzwil und St. Johannsen zwei grosse Landwirtschaftsbetriebe.
800-Hektaren-Betrieb
In Witzwil im Berner Seeland befindet sich die grösste landwirtschaftliche Nutzfläche des Kantons und einer der grössten Bauernbetriebe der Schweiz. Insgesamt umfasst der Betrieb 820 Hektaren Kulturland. Angebaut werden unter anderem Getreide, Kartoffeln, Gemüse, Zuckerrüben und Ölsaaten. Auf rund 400 ha wird Ackerbau betrieben, auf 120 ha Futterbau, 100 ha entfallen auf Ökoflächen, zudem werden 40 ha Wald bewirtschaftet.
Auf dem Betrieb werden rund 90 Milchkühe mit Aufzucht, 70 Mutterkühe, 75 Mastmuni, 70 Aufzuchtfohlen sowie 30 Freilandmuttersauen und 500 Mastschweine gehalten. Zum Landwirtschaftsbetrieb gehört 110 Hektaren Alp auf dem Chasseral, wo im Sommer jeweils 140 bis 150 Tiere gealpt werden.
Rückgabe in den nächsten Jahr
Weil Sanierungen, unter anderem bei den Stallungen, anstehen, hat der Kanton 2023 veranlasst, die Strukturen der Betriebe zu überprüfen. In einem direktionsübergreifenden Projekt mit dem Amt für Justizvollzug, dem Amt für Grundstücke und Gebäude und dem Amt für Landwirtschaft und Natur wurde eine Gesamtsicht erarbeitet. Im April 2024 hat der Kanton das Resultat der Überprüfung vorgestellt. «Von den heute bewirtschafteten 728 Hektaren landwirtschaftlicher Nutzfläche verbleiben noch 343 Hektaren in der Domäne Witzwil.»
Grün = künftige Landwirtschaft der Justizvollzugsanstalt Witzwil / Blau = Rückgabe ans Amt für Grundstücke und Gebäude / Schwarz = keine landwirtschaftliche Nutzfläche (Windschutzstreifen bestehend aus Hecken, Wald und Gewässern).
Kanton Bern
385 Hektaren oder 53 Prozent der Fläche gehen zurück an das Amt für Grundstücke und Gebäude (AGG) in der Bau- und Verkehrsdirektion. «Darin enthalten ist auch eine Alpwirtschaft auf dem Chasseral mit 110 Hektaren. Die Rückgabe erfolgt in den nächsten Jahren», teilte der Kanton mit.
Flächen für Bauern aus der Region – mit Auflagen
Das Ziel habe gelautet, künftig nur noch so viel Landwirtschaft zu betreiben, wie Arbeitsplätze zur Beschäftigung der dort eingewiesenen Personen benötigt werden, sagte der Kanton bei der Präsentation im April 2024. Die nun frei werdenden Landwirtschaftsflächen dürften an die Bauernbetriebe in der Region abgegeben werden. Doch der Kanton dürfte Auflagen machen. Die Flächen liegen in Nachbarschaft zum grössten Flachmoorgebiet der Schweiz. Zudem befindet sich dort auch ein Naturschutzgebiet von internationaler Bedeutung. Der Kanton Bern schreibt dazu: «Dieser Besonderheit und den damit verbundenen Auflagen wird bei der künftigen Verwendung der zu vergebenen Landflächen weiterhin ausdrücklich Rechnung getragen.»
Schutzgebiet für Vögel
Die Umweltverbände WWF, Pro Natura und Birdlife sind alarmiert. Sie sehen das Biodiversitätserbe in Witzwil gefährdet. Bereits seien erste Flächen einzelnen Landwirtschaftsbetrieben versprochen worden. Der Kanton Bern hat einem Landwirt aus der Region Ostermundigen Ersatzflächen in Witzwil in Aussicht gestellt. Der Landwirt wird Felder bei Bolligen verlieren. Hier bauen unter anderem die Berner Young Boys eine Fussballanlage für den Nachwuchs und die Frauenmannschaften. «Wir befürchten grosse Rückschritte für die Natur, deshalb haben wir den Regierungsrat Anfang Mai zu einem Gespräch aufgefordert, bisher haben wir keine Rückmeldung erhalten», sagt Chandru Somasundaram vom WWF Bern.
Die 385 Hektaren Landwirtschaftsfläche würden in einem Gebiet für Wasser- und Zugvögel von internationaler Bedeutung (WZVV), die vom Bund als Schutzgebiete für die Biodiversität bezeichnet werden, liegen. Hier müssten sich gemäss Bundesinventar forstliche und landwirtschaftliche Nutzungen nach den vorgegebenen Schutzzielen ausrichten, halten die Verbände fest. Im Gebiet lebten vom Aussterben bedrohte Vogelarten wie die Grauammer und die Feldlerche oder bedrohte Amphibien wie der Laubfrosch oder Teichmolch. Zudem seien die Flächen teilweise im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung.
Flächen für Biodiversität erhalten
Weil diese Flächen unter Schutz stünden, habe dies starken Einfluss auf die Nutzung. «Ob dies den potenziellen Pächtern kommuniziert wird, ist unklar», so die Umweltverbände. Die JVA Witzwil hat gemäss den Verbänden in den letzten Jahren verstärkt Massnahmen zum Schutz der Biodiversität ergriffen. So wurde ein Landschaftsentwicklungskonzept verabschiedet. «Diese Fortschritte zeigen, dass Landwirtschaft und Umweltschutz Hand in Hand gehen können. Das muss weiterhin gewährleistet sein und hier machen wir uns grosse Sorgen», sagt Martin Schuck von BirdLife Schweiz.
70 Hektaren des Landwirtschaftsbetriebs JVA Witzwil sind extensive Wiesen und dienen als Biodiversitätsförderflächen auch der Artenvielfalt.
Renate Hodel
Die Naturschutzorganisationen fordern den Kanton Bern auf, seiner gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen und dem bedrohlichen Rückgang einheimischer Tier- und Pflanzenarten durch die Erhaltung genügend grosser Lebensräume und anderer geeigneter Massnahmen entgegenzuwirken. «Dies muss unbedingt auch auf den kantonseigenen Flächen geschehen», fordern sie.
Regierungsrat spricht von Panikmache
Der Kanton Bern will den Vorgaben nachkommen. «Selbstverständlich wird auf die ökologischen Gegebenheiten weiterhin Rücksicht genommen. Alles andere wäre rücksichtslos und dumm», sagt Bau- und Verkehrsdirektor Christoph Neuhaus (SVP) gegenüber der Nachrichtenagentur sda. Seiner Direktion ist Amt für Grundstücke und Gebäude (AGG) zugeordnet. Das AGG wird die Flächen verpachten.
Man stehe erst am Anfang. «In einem ersten Schritt analysieren wir, was der Bedarf des Kantons ist, und dann, was anderweitig verpachtet werden kann», sagt Neuhaus zur sda. Er erachtet das Vorgehen der Umweltverbände als übertrieben. Das Vorpreschen hält er für Panikmache. Er bittet um Geduld. Sobald die Grundlagen erarbeitet seien, werde die Öffentlichkeit informiert.
Ich sehe da ein großes Problem in Sachen Umwelt, wenn ein Landwirt von Ostermundiggen an den Neuenburgersee zum heuen fahren muss. Ist das Umweltschutz??????
Hunger wäre da wohl das beste Heilmittel!!
Ich finde es auch eine Frechheit von den Umweltverbänden, Anspruch für bestes Kulturland zu eheben. Eigentlich müssten diese Verbände sofort und mit aller Kraft dafür einstehen, dass die Einwanderung aufhört und zurück geht. Wo ums Himmelswillen wollen wir in Zukunft das Essen hernehmen, auch Migros, coop, Lidl, Aldi und co. beziehen die Lebensmittel von den Bauern und nicht nur in Spanien geht das Wasser für die Bewässerung aus.