Dienstag, 30. Mai 2023
05.07.2022 16:01
Milchmarkt

Migros-Deal: Aaremilch-Delegierte sagen Ja

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Von: sal/blu

An der Generalversammlung der Aaremilch vom 4. Juli 2022 gab es ein einstimmiges Ja zur 50%-Beteiligung einer Migros-Tochter. Die Zustimmung fiel sehr deutlich aus.

Die Migros-Tochter Estavayer Lait SA (Elsa) soll künftig 50% der Aktien der Milchproduzentenorganisation Aaremilch AG übernehmen. Am Montagnachmittag stimmten die Delegierten der Aaremilch AG an einer ausserordentlichen Generalversammlung in Lyss BE der dafür notwendigen Kapitalerhöhung zu. Medien waren nicht zugelassen.

Geschäftsführer Donat Schneider sagte dem «Schweizer Bauer»: «Die Abstimmung fiel mit 99,7% Ja und ohne Gegenstimme sehr klar aus. Dass das Ja so deutlich ausfällt, hat uns überrascht. Wir freuen uns über das Vertrauen», so Schneider.

Nicht alle Lieferanten einbezogen 

Ein Telefon mit einem Aaremilchlieferanten (Mitglied einer Genossenschaft, die in eine Sammelstelle liefert, die von der Aaremilch bedient wird) am Dienstagabend ergab, dass dieser keine Ahnung hat, wie der Delegierte aus seiner Region am Montag abgestimmt hat. Er erinnert sich auch nicht daran, dass er diesen Delegierten je gewählt hat. Über das Angebot der Migros-Tochter Elsa (Kaufpreis, Konditionen, Absichtserklärungen der Elsa etc.) ist er nicht informiert worden, wie er sagt. Er konnte auf das Abstimmungsverhalten des für ihn angeblich zuständigen Delegierten in der Frage, ob die Aaremilch ihre Unabhängigkeit aufgibt und die Aaremilchlieferanten in Zukunft quasi Elsa-Direktlieferanten werden, keinen Einfluss nehmen. Wichtig zu sehen ist, dass die Aaremilch keine Genossenschaft ist wie die mooh, sondern eine AG, deren Aktien vorwiegend in der Hand von einem guten Dutzend Milchringen sind.

Aaremilch hat mehr Neueintritte als Austritte

Er sagt, dass wegen der Partnerschaft mit der Elsa kein einziger Milchlieferant abgesprungen sei. Noch vor der Information über das Geschäft mit der Elsa habe ein einziger Lieferant gekündigt. «Die Aaremilch verzeichnet per 2023 mehr Eintritte als Austritte», sagt Schneider, der seine eigene 25%-Beteiligung an der Aaremilch im Zuge dieser Partnerschaft ebenfalls verkauft hat, «weit unter Markt- und Substanzwert», wie er sagt. Der Preis, den die Migros für die Beteiligung bezahlt, wird nicht bekanntgegeben.

Die Elsa soll an der Aaremilch AG neu 50% haben, die Naturparkkäserei Diemtigtal AG bleibt zu 77% im Besitz der Aaremilch. Bei der Naturparkkäserei AG bleibt die Migros Aare mit 23% beteiligt, der einstige Partner Royal A-Ware hat seine Beteiligung schon früher an die Aaremilch AG zurück verkauft. Die Simmental Switzerland AG, welche die Käserei betreibt, wird zu 100% von der Elsa übernommen. 

Aaremilch wird sich neu aufstellen

Doch die Beteiligung der Migros ist noch nicht in trockenen Tüchern. So müssen die übergeordneten Gremien der Migros dem Deal zustimmen. Das dürfte aber Formsache sein. Zudem muss die Wettbewerbskommission den Verkauf der 50-Prozent-Beteiligung absegnen. 

Und die Aaremilch wird in Rücksprache mit den Schweizer Milchproduzenten (SMP) und der Branchenorganisation Milch (BOM) schauen, welche Anpassungen in der Organisations-Struktur gemacht werden müssen, damit die Produzenten in Zukunft ihre Interessenvertreter wählen und ihre Positionen in der Interessenvertretung beschliessen können (ohne Migros-Leute).

Mooh äusserte öffentlich Enttäuschung

Kritik am geplanten Teilverkauf an die Migros haben in den letzten Wochen die Milchbauerngenossenschaft Mooh («Wir stehen zu unseren Werten, auch wenn der Wind einmal dreht», stand in einem Inserat in dieser Zeitung) und die Basisorganisation BIG-M formuliert. Beide Organisationen bedauern, dass jetzt de facto nur noch die Mooh als Pool-Lieferantin übrig bleibt, die in Zeiten von Milchknappheit die Milch von einem schlecht bezahlenden Abnehmer zu einem gut bezahlenden Abnehmer verschieben kann und so den Milchpreis hochschrauben kann, wie es Direktlieferanten nicht können, die im Verhältnis zu nur nur einem Abnehmer gefangen sind. 

Big-M befürchtet, dass man, neben der guten Seiten einer Partnerschaften, die eigenen Interessen nicht mehr richtig einbringen könne, wenn es hart auf hart kommt. 

Neid und Inkonsequenz

Die Aussicht auf den höheren Milchpreis der Elsa-Direktlieferanten, die in den letzten Jahren stets einen der allerbesten Molkereimilchpreise hatten, überzeugte offenbar die Delegierten, vielleicht hat die Kritik sie sogar zusammengeschweisst. Sicher gibt es auch Neid über den Elsa-Direktlieferantenpreis, den die Aaremilch in Zukunft haben werden. Dieser ist sehr wahrscheinlich höher als der Preis bei der Mooh und bei den Zentralschweizer Milchlieferanten. Die Aaremilchbauern haben die beiden Organisationen dank der Partnerschaft mit der Migros überholt. 

Es scheint, dass auch inkonsequentes Handeln vorkommt. So wird herumgeboten, dass ein Milchlieferant, der sich gegen die Beteiligung der Elsa an der Aaremilch ausgesprochen hat und dessen Lebenspartnerin dies auch getan hat, dass dieser früher selbst zusammen mit den anderen Aaremilch-Lieferanten in seinem Dorf zur Elsa (als Direktlieferant) habe wechseln wollen, von der Elsa aber abgelehnt worden sei. Wenn das so ist, würde das heissen: Was er selbst für sich wollte, sollte die Aaremilch als Ganzes nicht tun, nämlich die Unabhängigkeit aufgeben zugunsten eines besseren Milchpreises. 

Höherer Milchpreis

Milch wird immer mehr zu einem gesuchten Gut.  Die Migros will sich am Markt die Milch sichern.  «Für die Elsa bedeutet die Beteiligung insbesondere erhöhte Sicherheit in der Rohstoffbeschaffung», hiess es in einer Mitteilung von Mitte Juni

Die Aaremilch erhofft sich durch den Einstieg des Milliardenkonzerns bessere Zukunftsperspektiven und einen höheren Milchpreis für die Produzenten. Die Milchproduzentenorganisation hofft durch die besseren Preise, neue Milchbauern unter Vertrag nehmen zu können. «Die Beteiligung ist eine Fortsetzung und gleichzeitig eine Stärkung dieser erfolgreichen Zusammenarbeit mit Potenzial für beide Unternehmen», hiess es weiter. 

Migros könnte künftige Lieferbedingungen diktieren

Zu bedenken ist, dass es bei den Direktlieferanten und den Quasi-Direktlieferanten der Aaremilch die Abnehmerin (in diesem Fall die Migros-Tochter Elsa) ist, die die Bedingungen der Milchproduktion de facto diktieren kann. Als einzelner Milchlieferant kann ein abseits gelegener Betrieb kaum den Milchabnehmer wechseln, anders als solche, die im Mittelland an der Autobahn liegen. Also ist er, sofern er weiterhin melken will, den Ansprüchen der Migros ausgeliefert, wenn es in Zukunft um Aspekte wie zwingender Einsatz von Fütterungszusätzen, noch weniger Kraftfutter, Forcierung der Zweinutzungskühe (bis hin zu Verbot oder Nachteilen für Milchrassen wie Holstein), Forcierung der Freilaufställe (bis hin zu Verbot der Anbindestallhaltung) oder andere Auflagen (z. B. Lohnpflicht für auf dem Betrieb mitarbeitende Nichteigentümergattinnen, später vielleicht auch für pensionierte Eltern oder Kinder) gehen sollte. Heute und morgen kommt solches wohl nicht, aber vielleicht übermorgen. 

«Beste Option»

Wäre eine Fusion mit der Milchproduzentenorganisation Mooh nicht die bessere Variante gewesen? «Wir haben mehrere Optionen geprüft. Als erfolgversprechendste haben wir eine nähere Zusammenarbeit mit der Elsa eruiert. Nun sind die Verhandlungen mit der Elsa zum Abschluss gekommen», sagte Aaremilch-Verwaltungsratspräsident Ruedi Bigler Mitte Juni zu «Schweizer Bauer».  Der Einstieg der Migros-Tochter ist aus seiner Sicht die beste Lösung. Denn künftig würden die Aaremilch-Lieferanten die gleichen Milchpreise wie die Elsa-Direktlieferanten erhalten.

Sollte die Beteiligung der Migros zustande kommen, will die Aaremilch den Milchproduzenten 1,0 Rp./kg während dreier Jahre als Rückvergütung für den getätigten «Beitrag Investition Naturparkkäserei» bezahlen. Das ist mehr, als die Milchproduzenten eingezahlt haben: 0,5 Rp./kg während fünf Jahren. 

Aaremilch

Die Geschichte der Aaremilch reicht bis in Jahr 2007 zurück. Damals wurde die Lobag Milch AG mit Sitz in Ostermundigen gegründet. 2013 wurde das Unternehmen in Aaremilch AG umbenannt und der Sitz nach Lyss verlegt.

Mitglieder der Aaremilch AG sind rund 1600 Milchproduzenten, 60 Käsereien und Molkereien aus der Kantonen Bern, Freiburg, Neuenburg und Luzern. Die Milchproduzenten sind in 14 regionalen Milchringen zusammengeschlossen. Die Jahresmilchmenge der Aaremilch beträgt rund 180 Millionen Kilo. In der Schweiz werden rund 3,4 Milliarden Milch pro Jahr produziert. Die Jahresmilchmenge von Mitbewerber Mooh beträgt rund 630 Millionen Kilo. 

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15 Responses

  1. Text:
    Mooh, die in Zeiten von Milchknappheit die Milch von einem gut bezahlenden Abnehmer zu einem schlecht bezahlenden Abnehmer verschieben kann.
    Das oben Geschriebene macht wahrscheinlich keinen Sinn, wohl eher umgekehrt.

          1. Der Preis wird wohl angemessen sein, wenn sie über drei Jahre eine Rückvergütung für die Investition auszahlen können.

  2. Unverständlich wie dumm die Bauern der Aaremilch sind! Wir lassen sonst ja schon mit uns machen was die anderen wollen, jetzt geben wir noch die Unterhose und lassen uns die Produktpreise gänzlich vorschreiben. Was soll das? da wird nie mehr Marktwirtschaft herrschen!

    1. Neid?

      Die aaremilch Bauern bekommen mich noch oben drauf zum guten Marktpreis und Prämie noch einen bewiesen giten Marktpartner. Waren lange das Opfer der pharisäischen Fahnenträger und zu lieb. Freue mich nun Bernerin zu werden!

    2. Wenn das was du schreibst stimmen würde, hätten die Mooh Lieferanten ja immer den höchsten Milchpreis. Bisher war das aber nie so. Auch diese Milch landet am Schluss in den gleichen Kanälen wie alle andere auch.

  3. als Milchproduzent bist du eh abhängig von Futtermühle , Tierarzt , Lely usw. also kann man sich auch an die Migros binde . wo das Milchgeld herkommt ist mir Wurstegal Hauptsache es kommt .

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