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«Wer Schafe sterben lässt, fährt besser»

In den letzten Wochen hat sich die Blauzungenkrankheit im Thurgau wieder ausgebreitet und bei den Schafhaltern für Verunsicherung gesorgt. Auch bei Urs Maier, Biobauer aus Iselisberg TG, der mit seinen 1400 Schafen bisher verschont geblieben ist. Er vermutet, einige Bauern könnten gegen die Meldepflicht verstossen, um eine Betriebssperre zu umgehen.

clu |

Urs Maier schläft seit Tagen schlecht. Der Biobauer aus Iselisberg TG hält 1400 Schafe. Noch hat die Blauzungenkrankheit (s. Kasten) seine Schafe verschon. Aber: «Es kann sich schnell ändern», sagte Maier zum «St.Galler Tagblatt».

Kürzlich hat das Thurgauer Veterinäramt zwei Fälle der Krankheit in den Gemeinden Kemmental TG und Hüttwilen TG bestätigt – die ersten in der Schweiz seit 2020. Laut Maier sei dies nur die Spitze des Eisbergs. «Ich bekomme täglich Anrufe von verunsicherten Schafbesitzern», so Maier gegenüber der Zeitung.

Knoblauch-Lecksteine

Um seine Tiere zu schützen, habe der Schafbauer den Ventilator im Stall reparieren lassen und auf setzte Knoblauch-Lecksteine, die die Mücken fernhalten sollen. Viel mehr machen könne man im Moment nicht, «ausser schauen, dass man möglichst gesunde Tiere hat, die das Virus überstehen können».

Wie das «St.Galler Tagblatt» schreibt, wäre die wohl einzige wirkliche Schutzmassnahme eine Impfung, doch diese ist in der Schweiz derzeit nicht verfügbar. In der EU wurden bereits drei Impfstoffe zugelassen, von denen einer gegen den in der Region vorherrschenden Serotyp 3 wirksam sein soll.

Blauzungenkrankheit

Die Übertragung des Blauzungenkrankheit-Virus erfolgt durch Gnitzen – kleine Mücken. Diese Gnitzen treten in Mitteleuropa von Juni bis Ende November auf. Bei Schafen kann die Krankheit von unauffällig bis sehr gravierend verlaufen. Bei Rindern und Ziegen ist die Infektion meist ohne sichtbare Symptome.  Es besteht kein Risiko, dass sich die Blauzungenkrankheit durch Fleisch oder Milch verbreitet oder überträgt.

Das infektiöse Virus kann bei Schafen hohes Fieber begleitet von Entzündung der Schleimhäute auslösen. Störungen an den Gefässen führen zu Blutungen und Ödembildung. Eine bläuliche Verfärbung (Zyanose) im Maulbereich und an der Zunge ist möglich. Daher kommen auch die Namen Blauzungenkrankheit oder Bluetongue. Typisch sind Ödeme im Kopfbereich und an den Extremitäten.

Urs Maier und andere Schafzüchter, darunter der Mitte-Kantonsrat Franz Eugster, fordern gemäss der Zeitung daher eine schnelle Zulassung des Impfstoffs durch Swissmedic. Ob das Thurgauer Veterinäramt Druck macht, sei nicht klar. Der Amtsleiter des Veterinäramts, Robert Hess, verweist im «St. Galler Tagblatt» darauf, dass man in engem Austausch mit dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen sowie den Landwirtschaftsverbänden stehe.

Wie es im 2008 war

2008 gab es in der Schweiz bereits eine Impfpflicht gegen die Blauzungenkrankheit, die damals erfolgreich zur Eindämmung führte. «Fast alle Schafe waren immun, und die Krankheit konnte so gestoppt werden», erinnert sich Maier im Artikel. Dennoch spricht er sich heute gegen eine erneute Impfpflicht aus.

Eine weitere Problematik besteht laut Maier darin, dass die tatsächliche Anzahl infizierter Schafe höher sein könnte als offiziell bekannt. Er vermutet, dass einige Bauern das Virus nicht melden, um die damit verbundene Betriebssperre von 120 Tagen zu umgehen.

Rechtliche Konsequenzen bei Verletzung der Meldepflicht

Eine solche Sperre bedeutet für betroffene Betriebe, dass sie während dieser Zeit keine Tiere verkaufen dürfen. Diese Vermutung weist das Veterinäramt gemäss dem «St.Galler Tagblatt» zurück. Amtsleiter Hess betont, dass die Nichtmeldung für die Tierhalter nicht von Vorteil sei, da Entschädigungsansprüche nur dann bestünden, wenn Tiere nachweislich an der Blauzungenkrankheit erkrankt und gestorben seien. Zudem drohen rechtliche Konsequenzen bei Verletzung der Meldepflicht.

Meier ärgert sich über die Praxis der Betriebssperren: «Warum wird mein Hof in Iselisberg TG gesperrt, wenn ein Schaf in Diessenhofen erkrankt?». Gleichzeitig dürften Nachbarn ihre Tiere ungehindert in der Nähe seiner Weiden halten.

Diese Massnahmen seien nur dann sinnvoll, wenn das Virus von Schaf zu Schaf übertragen würde, so Meier. Die Übertragung aber erfolge ausschliesslich durch Stechmücken. Im Artikel plädiert Maier stattdessen dafür, Sperrzonen auszuweisen, in denen das Risiko der Mückenübertragung minimiert werden könne.

Das Veterinäramt hält sich jedoch an die Tierseuchengesetzgebung des Bundes, die eine solche Vorgehensweise nicht vorsehe, da die Blauzungenkrankheit als bekämpfungswürdige, aber nicht hochansteckende Seuche gelte, wie das «St.Galler Tagblatt ausführt.

Wirtschaftlichen Folgen

Wie Maier gegenüber der Zeitung betont, entstünden durch die Behandlung der Tiere hohe Kosten, während das Veterinäramt lediglich für den Verlust durch den Tod der Tiere eine Entschädigung von 300 bis 400 Franken zahle: «Man straft jene Bauern, die alles daransetzen, ihre Tiere wieder gesund zu machen.»

«Wer Schafe sterben lässt, fährt besser», erklärt Maier daher, der gleichzeitig betont, dass er niemanden kenne, der so handle. Auch Hess bestätigt, dass die Kosten für prophylaktische Massnahmen sowie die Behandlung von kranken Tieren zu Lasten der Tierhalter gehen, wie es auch bei anderen Krankheiten der Fall sei.

Bislang wurden im Thurgau noch keine Todesfälle durch die Blauzungenkrankheit registriert. Trotzdem bleibe die Lage für die Schafhalter angespannt. Hoffnung auf eine Entspannung der Situation bringe laut dem «St.Galler Tagblatt» allein das Wetter: Mit sinkenden Temperaturen sinkt auch die Aktivität der stechenden Mücken, die das Virus übertragen.

 

Kommentare (1)

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  • Helmut Barner | 14.09.2024

    Im Jahre 2022 verreckten auf unseren Alpen während der Sömmerun über 7000 Schafe, irgendwie, irgendwo. Wenn der Wolf an einem Kadaver nagte, war das ein Gewinn für den Besitzer! Entschädigung kassiert, Tierarzt gespart! Der Schafhalterverband hielt dazu in einer Studie fest:


    "Hauptabgangsursache der Abgänge sind aber trotzdem nicht fitte und nicht gesunde aufgetrie-


    bene Tiere. Die qualitativen Leitfadeninterviews ergaben, dass es mit durchdachter Alpungs-


    strategie und rigorosem Gesundheitsmanagement möglich ist, die Abgangsrate schweizweit


    auf unter 1 Prozent zu senken. Daher müssen die Hauptanstrengungen auf einen verbesserten


    Gesundheitsstatus der Schafe ausgerichtet sein, um die Abgänge weiter zu reduzieren."

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