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Stroh zu Bioethanol: Clariant stellt Produktion ein

Der Schweizer Spezialchemiekonzern Clariant beendet aufgrund technischer Probleme und massiver Verluste die Bioethanolproduktion der zweiten Generation in Rumänien. Die Technik, bei der aus landwirtschaftlichen Reststoffen Treibstoff wird, hat sich nicht durchgesetzt.

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Mit dem Sunliquid-Verfahren von Clariant werden aus Reststoffen von Pflanzen – beispielsweise Weizen- oder Maisstroh – Zucker ausgelöst, die anschliessend zu einem Kraftstoff vergärt werden. Es handelt sich um Bioethanol der zweiten Generation. Zu den Verfahrensmerkmalen gehören die chemiefreie Vorbehandlung, die integrierte Produktion von rohstoff- und prozessspezifischen Enzymen sowie die gleichzeitige C5- und C6-Zuckervergärung.

Millionenschreiber im Dezember 2022

Doch offenbar hat sich das Geschäft nicht so entwickelt wie erwartet. Zwar wurde die Produktion in der Anlage im rumänischen Podari im zweiten Quartal 2022 aufgenommen. Das Werk habe jedoch noch nicht die angestrebten Ausbeuten und andere Betriebsparameter im industriellen Massstab erreicht, teilte Clariant im Dezember 2022 mit. Der Chemiekonzern nahm daher einen Abschreiber von 225 Millionen Franken vor.

300 Bauern unter Vertrag

In der Vorzeigeanlage hätten pro Jahr ungefähr 250’000 Tonnen Stroh zu 50’000 Tonnen Zellulose-Ethanol verarbeitet werden sollen. Das in dieser Anlage produzierte Zellulose-Ethanol kann gemäss Clariant als 'Drop-in'-Lösung bei der Treibstoffmischung eingesetzt werden. Es bietet auch weitere nachgelagerte Anwendungsmöglichkeiten für nachhaltigen Flugzeugtreibstoff und biobasierte Chemikalien. Clariant hat rund 240 Millionen Franken in die Anlage investiert. Die EU hat das Projekt mit rund 38 Millionen Franken (40 Mio. Euro) unterstützt.

Clariant sagte vor rund zwei Jahren, dass durch den nachwachsenden alternativen Kraftstoff bis zu 95 Prozent weniger CO2 ausgestossen wird. Zudem verringere sich die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Dies sei ein wichtiger Beitrag zum Netto-Null-Ziel.  Agrotreibstoffe der ersten Generation werden aus essbaren Pflanzen wie Raps, Mais oder Getreide und aus Futtermitteln hergestellt. Die zweite Generation jedoch verwendet Abfälle und bislang nicht genützte Reststoffe.

Die Anlage in Podari wurde auf einem zehn Hektar grossen Areal errichtet. Es wurden Verträge mit über 300 lokalen Bauern geschlossen, um die Versorgung mit den notwendigen Rohstoffen sicherzustellen. 

«Die Industrialisierung unserer neuen Technologie bleibt herausfordernd und beeinflusst daher dem Projekt zugrunde liegende finanzielle Annahmen, was zur heute angekündigten Wertberichtigung führte», sagte Conrad Keijzer, Chef von Clariant, dazu. Clariant betonte in der Mitteilung jedoch den «einzigartigen Wert» der Technologie. Das Unternehmen werde deren Kommerzialisierung fortsetzen. Mit einer kontinuierlichen Anpassung der Produktionsprozesse solle die neue Technologie kommerziell nutzbar gemacht werden.

«Verlust wirtschaftlich nicht vertretbar»

Nun hat sich die wirtschaftliche Lage massiv verschärft.  Im Juli 2023 leitete Clariant eine strategische Prüfung der Optionen für das Werk ein, nachdem deutlich wurde, dass die Anlage die von Clariant angestrebten betrieblichen Parameter nicht erreicht hatte. Gemäss Clariant wären weitere Investitionen vonnöten gewesen. «Angesichts der anhaltenden Verluste für Clariant ist das wirtschaftlich nicht vertretbar», teilt das Basler Unternehmen am 6. Dezember 2023 mit. Die Aktivitäten innerhalb der Business «Line Biofuels & Derivatives», die die Entwicklung und den Hochlauf der Anlage unterstützt haben, werden verringert.

Gemäss einem Bericht in der «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (FAZ) gab es grosse technische Probleme, das «heterogene Rohmaterial zu verarbeiten». Deshalb sei die Produktion weit hinter den Zielen zurückgeblieben. Das Werk habe Quartal für Quartal operativ zweistellige Millionenverluste verursacht.

170 Mitarbeiter betroffen

Clariant schreibt in der Mitteilung: «Das Unternehmen ist zu dem Schluss gekommen, dass im Dezember 2023 Restrukturierungskosten und Rückstellungen im Zusammenhang mit der Schliessung der Anlage und Verkleinerung der damit verbundenen Aktivitäten in Höhe von rund 60 bis 90 Millionen Franken anfallen werden, die sich auf das EBITDA auswirken.» Zusätzlich würden weitere Effekte in Höhe von rund 110 Millionen Franken auf EBIT-Ebene anfallen. 

«Für ein innovationsgetriebenes Unternehmen wie Clariant ist es unumgänglich, klare Entscheidungen zu treffen, wenn ein Projekt die Erwartungen nicht erfüllt, und unsere nachhaltige Wachstumsstrategie noch konsequenter umzusetzen«, sagte Conrad Keijzer, Chef von Clariant, zum Schliessungsentscheid.

Von der Schliessung sind 120 Mitarbeiter in Podari sowie rund 50 Beschäftigte in der Pilotanlage in Straubing und in den mit der Bioethanolentwicklung in Verbindung stehenden Labors in Planegg bei München betroffen. «Wir werden eng mit den Arbeitnehmervertretern in Rumänien und Deutschland zusammenarbeiten, um möglichst sozialverträgliche Lösungen zu finden», schreibt Clariant dazu.

EU fördert solche Projekte

Im EU-Raum werden Biotreibstoffe seit den 1990er Jahren kontinuierlich gefördert. Namentlich im Verkehrssektor sind die durch das Europäische Parlament und den EU-Rat erlassenen gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Mitgliedstaaten verpflichtend. Bis zum Jahr 2030 sollen beispielsweise 3,5 Prozent des Energieverbrauchs durch Agrotreibstoffen der zweiten Generation – als jenen aus nicht essbaren Rohstoffen - gedeckt werden.

In der Schweiz gilt der Grundsatz, dass Pflanzen zuerst als Nahrungsmittel, dann als Futtermittel und erst zuletzt als Treibstoff verwendet werden sollen.

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