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Wie aus Mist und Gülle nicht Ammoniak wird

Die Treibhausgase aus der Landwirtschaft können mit einem neuen Hofdünger-Verarbeitungssystem bis 70 Prozent reduziert werden. Dieses System trennt Kot und Urin von Rindern und wandelt sie in wertvollen Stickstoff-Dünger um. Wie das neue System in den Niederlanden in der Praxis funktioniert.

Jürg Vollmer, lid |

Das schleckt keine Geiss weg: Die Schweizer Landwirtschaft ist für 13 Prozent der ausgestossenen Treibhausgase verantwortlich. Konkret sind dies der Luftschadstoff Ammoniak (der in Lachgas umwandelt wird) und die Treibhausgase Methan und Lachgas.

1,5 Millionen Rinder

Wobei die 80’000 Schweizer Ziegen mit ihren Geissen-Gägeli am wenigsten dafür können. Rund 90 Prozent der Ammoniak-Emissionen aus der Landwirtschaft verursachen die 1,5 Millionen Schweizer Rinder. Wenn sich deren Kot und Urin mischen, wird der Harnstoff durch Enzyme im Kot aufgespalten und es entsteht Ammoniak-Stickstoff.

Jedes Jahr geraten so 42‘000 Tonnen Ammoniak aus Schweizer Ställen in die Luft. Der Wind verfrachtet das Ammoniak auf ökologisch wertvolle Trockenwiesen und Hochmoore sowie in die Wälder. Dort führt es zur Überdüngung und Versauerung des Bodens und gefährdet die Biodiversität. Zudem trägt Ammoniak zur Bildung von Feinstaub bei und belastet so die menschliche Gesundheit.

«Verlorener» Ammoniak-Stickstoff

Die Schweizer Landwirtschaft wiederum verliert mit dem Ammoniak-Stickstoff wertvollen Dünger. Als Ersatz muss Stickstoff-Dünger importiert werden, der unter anderem in Russland aus Erdgas produziert wird.

Es gibt also gute Gründe, die Emissionen vom Kot und Urin der Nutztiere zu reduzieren. Eine Möglichkeit ist die Reduktion des Nutztier-Bestandes – dieser steht aber der wachsende Konsum von Fleisch, Milchprodukten und Eiern entgegen.

Eine andere Möglichkeit ist die effizientere Nutzung von Kot und Urin (dem sogenannten Hofdünger). Und da gibt es neue Hofdünger-Verarbeitungssysteme, von denen ich eines in den Niederlanden anschauen konnte.

Schmerzgrenze schon lange überschritten

Die Niederlande sind fast auf den Quadratkilometer gleich gross wie die Schweiz. Der mit 18 Millionen Einwohnern am dichtesten besiedelte Staat Europas hat einen riesigen Nutztier-Bestand, der bis zu acht Mal grösser ist als in der Schweiz:

  • 3,9 Millionen Rinder (1,5 Millionen in der Schweiz)
  • 11 Millionen Schweine (1,37 Millionen)
  • 93 Millionen Hühner (13,1 Millionen)

Die Landwirtschaft in den Niederlanden verletzt damit alle Grenzwerte für die Sauberkeit des Grundwassers und der Luft.

Das Land steckt in einer Güllenkrise, oder – wie mir ein Landwirt mit seinem charmanten niederländischen Akzent wenig charmant erklärte – «Wir stecken bis zum Hals in der Scheisse!» Die niederländische Gülle wird deshalb schon lange nach Frankreich und Deutschland exportiert.

Emissions-Problem nur verschoben

Es ist darum kein Zufall, dass in den Niederlanden nach Lösungen zur Senkung der Emissionen gesucht wird. Ein Pionier ist der Robotik-Hersteller Lely, der 1992 schon den ersten Melkroboter und 2005 den ersten Entmistungs-Roboter erfunden hatte.

Die Entmistungs-Roboter fahren autonom durch den Stall und schieben dabei Kot und Urin in eine Grube. Damit wird das Emissions-Problem aber im wahrsten Sinne des Wortes nur verschoben.

Das neue System mit dem Namen «Lely Sphere» nutzt dagegen die Emissionen von Kot und Urin und schafft daraus sogar wertvolle Nährstoffe für die Landwirtschaft.

Das neue System trennt Kot und Urin und wandelt diese in Dünger um

Der Urin wird sofort nach dem Wasserlassen der Kuh mit Unterdruck durch einen mit 8-Millimeter-Löchern «perforierten» Stallboden in einen geschlossenen Behälter abgesaugt. So können die Enzyme im Kot der Kuh kein Ammoniak «aufspalten».

In diesem drei Meter hohen Behälter wird der «Unterdruck-Luft» mit Salpetersäure oder Schwefelsäure der Stickstoff entzogen. Das Resultat ist eine flüssige «Waschlösung» die in ein Düngemittel-Silo geleitet wird.

400 Kilogramm schwer

Parallel dazu saugt ein neu entwickelter Entmistungs-Roboter den Kot mit dem Einstreumaterial vom Stallboden auf. Der 400 Kilogramm schwere «Lely Discovery Collector» – eine Art super-leistungsfähiger «Staubsauger-Roboter» – fährt diesen Feststoff separat in die Mist-Grube.

Das Resultat sind 70 Prozent weniger Emissionen und drei wertvolle, neue Dünger:

1. «Gereinigtes» Urin im Grünland (Kalium)

2. «Waschlösung» im Grünland oder Getreide (mineralischer Stickstoff)

3. Mist im Ackerbau (organisch gebundener Stickstoff und Phosphat)

Wann gibt es die ersten Hofdünger-Verarbeitungssysteme in der Schweiz?

In den Niederlanden, Belgien und Luxemburg sowie in Dänemark und Deutschland sind schon mehrere Dutzend dieser Hofdünger-Verarbeitungssysteme im Einsatz. «In den nächsten Jahren wollen wir Lely Sphere auch in der Schweiz einführen», erklärt Marcel Schwager von Lely Schweiz. Das Problem sind die Kosten.

  • Zuerst muss ein Stall mit dem «perforierten» Boden und den Leitungen zum «Lely Sphere» umgebaut werden. Alleine das kostet mehrere zehntausend Franken.
  • Das eigentliche Hofdünger-Verarbeitungssystem «Lely Sphere» kostet in den Niederlanden rund 160‘000 Euro für einen Stall mit 120 Kühen.
  • Jeder Entmistungs-Roboter «Lely Discovery Collector» kostet zusätzlich rund 40’000 Franken.

Alleine 2023 mussten 625 Schweizer Bauernfamilien aus finanziellen Gründen ihren Betrieb aufgeben. Die Investition in ein solches Hofdünger-Verarbeitungssystem ist für viele Landwirtschafts-Betriebe schlicht unmöglich. Die Bauernfamilien müssten deshalb für die eingesparten Emissionen entschädigt werden.

«Aktuell sind die Schweizer Fördermassnahmen aber noch zu sehr auf eine Reduktion  der Nutztierhaltung ausgelegt», erklärt der Lely-Manager, «und nicht auf innovative Methoden zur Reduktion der Emissionen». Das schleckt keine Geiss weg.

Kommentare (7)

Sortieren nach:Likes|Datum
  • Aargauer Bauer | 02.09.2024
    Hunde, wollt ihr ewig leben? Die Gesellschaft hier in der Schweiz und in ganz Europa ist an Dekadenz kaum mehr zu überbieten. Immer mit dem Finger auf andere zeigen, aber selber sich immer noch mehr rausnehmen. Es sind ja schliesslich immer die Anderen (vor allem die Bauern). Die Leute kommen mir manchmal vor wie unerzogene, undankbare Kinder. Den eigenen Lebenswandel zu hinterfragen und sogar zu ändern kommt nicht in Frage. Dafür immer mehr Forderungen nach Teilzeitarbeit, Arbeitszeitreduktion, 4 Tage-Woche, Vaterschaftsurlaub und möglichst 2-3 mal pro Jahr in die Ferien fliegen. Und wir Bauern reissen uns 365 Tage im Jahr den Arsch für euer Fressen auf. Als Dankeschön gibt's wieder neue Umweltauflagen und Schelte von links bis grün. Schande, ihr solltet euch wirklich schämen!!!!
  • Ruedi | 30.08.2024
    Es gibt schon bald 30 Jahre sehr gute Mittel für Gülle und Mist, damit der Amoniak gebunden wird, nicht verflüchtigt und Pflanzenverfügbar ist. Funktioniert tadellos und kostet im Verhältnis wenig. Aber es lebe die Maschinenindustrie mit Schleppschlauch. Volksverblödung sollte Strafbar sein😄.
    • Paul Rozing | 30.08.2024
      Richtig
  • Mäucher | 30.08.2024
    Wenn alles so schädlich ist,wie von all den hochstudierten Leuten erzählt wird, dann wären sämtliche Völker schon lange ausgestorben! Aber es werden immer mehr Menschen und die Lebenserwartung immer höher!
    Ich bin für die Frühpensionierung sämtlicher Wissenschaftler.!.!
    • Peter Zeier | 30.08.2024
      Sorry, aber die Gesundheitskosten steigen jährlich massiv pro Person. Das bedeutet immer mehr Menschen sind krank. Selbst bei Bauern nimmt Parkinson massiv zu. Wollen Sie das? Krank werden oder sein?
  • Klimaforscher | 30.08.2024
    Hört auf, immer auf den Bauern rumzuhacken, wenns ein Beruf gibt der das Klima POSITIV beeinflusdt, sind es die Bauern ( Wiesen und Wälder nehmen CO2 auf und geben Sauerstoff ab). Wir haben das in der 5. Klasse schon gelernt, die heutigen Schüler lernen nur den menschengemachten Klimawandel.
  • Gesunder Menschenverstand | 29.08.2024
    Wir haben doch jetzt die guten, teuren Schleppschläuche, da brauchts nichts mehr zusätzlich.
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