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Wieso Bauernvertreter im Parlament gar keine Bauern sein müssen

Ende Oktober haben auch Bäuerinnen und Bauern mit dazu beigetragen, ein neues Parlament zu wählen. Eine Auswertung vom «SonntagsBlick» zeigt nun, dass viele der einflussreichen «bäuerlichen Parlamentarier» gar keine Landwirte sind, sondern Funktionäre von Grossverteilern, Chemiekonzernen oder Versicherungen.

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Der «SonntagsBlick» führt in seinem Bericht aus, dass mehr als 40 National- und Ständeräte zu den «bäuerlichen Vertretern» gehören würden. Der Schweizer Bauernverband (SBV) gäbe dieser Gruppe ihre Positionen durch und sage, wie die Mitglieder abstimmen sollen.

Wer in dieser Gruppe mitmische sei bisher nicht bekannt gewesen. Dem «SonntagsBlick» liege nun aber eine bislang unbekannte Liste vor, auf der die Mitglieder dieser «SBV-Gruppe» aufgeführt seien . Sie ist auf Ende Oktober 2023 datiert, also auf einen Zeitpunkt kurz nach den eidgenössischen Wahlen. Die Liste ist also aktuell.

Die Auswertung dieser Liste durch den «SonntagsBlick» zeige, dass knapp jeder vierte dieser «bäuerlichen Parlamentarier» gar kein Landwirt oder keine Landwirtin sei und auch niemals als solche/r gearbeitet habe. Diese «bäuerlichen Vertreter» würden nicht einmal einer bäuerlichen Organisation angehören, sondern sie vertreten jene Branchen und Unternehmen, die indirekt von Subventionen profitieren, indem sie Bauern etwas ab- oder ihnen etwas verkaufen.

Auch Bayer und Novartis mit dabei

Fast alle «bäuerlichen Parlamentarier» seien gut vernetzte Funktionäre, heisst es im «SonntagsBlick» weiter. Sie würden gleich mehrere wichtige Posten in einflussreichen Verbänden, Unternehmen und Lobbygruppen besetzen. Insgesamt hätten sie mehr als 200 Mandate in Verwaltungsräten, Vorständen, Stiftungsräten und Geschäftsleitungen diverser Branchen inne.

Vertreten seien neben bäuerlichen Organisationen auch Detailhändler, vor allem Migros und Coop, Fleischverarbeiter wie Micarna, Mischfutter- und Zuckerfabrikanten, die Agrartechnik und Versicherungen für Bauern. Auch der Landwirtschaftsriese Fenaco und Pharma- und Chemiekonzerne wie Bayer und Novartis würden in der Gruppe Einfluss nehmen können, heisst es im Bericht weiter. Bayer steht aktuell wegen seines umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat in der Kritik.

Starke Präsenz der Landwirtschaft

Bäuerinnen und Bauern werden gemäss den Auswertungen des «SonntagsBlick» von einem Sechstel des Parlaments vertreten und seien in allen wichtigen Kommissionen vertreten. Durch diese starke Präsenz würden sie auch Mehrheiten bilden können.

Im Vergleich mit anderen Berufsgruppen seien Landwirtinnen und Landwirte im Parlament stark überrepräsentiert, lässt sich aus dem Bericht schliessen. Gemäss den Zahlen vom «SonntagsBlick» werden sie von rund 16% des Parlaments vertreten. Dies, obschon die Landwirtschaft nur noch 2,3 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung stellt und weniger als 1 Prozent des Bruttoinlandprodukts erwirtschafte.

Denn von über 5 Millionen Beschäftigten in der Schweiz arbeiteten nur rund 150’000 in der Landwirtschaft. Mit dem Schweizer Bauernverband hätten sie aber eine schlagkräftigte Lobby hinter sich.

Direktoren und Verwaltungsräte

Der «SonntagsBlick» nennt in seinem Bericht auch konkret einige «bäuerliche Vertreter», die keine Bauern sind, aber trotzdem jener SBV-Gruppe angehören würden.

Rechtsanwalt und Nationalrat Nicolo Paganini (57, Mitte) ist beispielsweise Präsident der Genossenschaft Migros Ostschweiz. Er habe keinen landwirtschaftlichen Hintergrund.

Mitte-Nationalrat und Rechtsanwalt Leo Müller (65) sitzt im Verwaltungsrat der Agrargenossenschaft Fenaco, zu der auch Volg, Landi, die Dünger-Marke Landor und der Mineralölkonzern Agrola gehören. Fenaco und deren Mitglieder verkaufen Landwirten Futtermittel und kaufen von ihnen Saatgut, Getreide oder Lebensmittel. Leo Müller war zwar einmal Landwirt, aber nur für zwei Jahre, als er 17-jährig war.

Auch Damian Müller (39) gehöre zu der SBV-Gruppe, sei aber nie Landwirt gewesen. Der FDP-Ständerat ist «Senior Berater Public Affairs» bei der Mobiliar und betreibt eine PR-Agentur, die Verbände und Unternehmen in politischen Fragen berät. Müller ist auch Präsident des Pferdesportverbands. Beim parlamentarischen Bauernklub sei Müller dabei, weil er auch als Präsident der Schweizer Futterfabrikanten wirkt. Zudem kenne Müller die Landwirtschaft aus seiner Zeit als Verkaufsleiter beim Handelsunternehmen Valora.

Auch Mitte-Ständerat Charles Juillard (60) sei in der SBV-Gruppe dabei. Dies, weil der Direktor einer PR-Agentur auch als Verwaltungsrat der Schweizerischen Hagel-VersicherungsGesellschaft amtet. 

Mitte-Ständerat und Rechtsanwalt Daniel Fässler (63) ist als Präsident der Schweizer Waldbesitzer dabei.

SVP-Nationalrat Mike Egger (31) ist im Kader von Micarna.

SVP-Vertreter dominieren

Seit den Wahlen im Oktober sei die Gruppe noch rechtsbürgerlicher geworden, zieht der «SonntagsBlick» einen Schluss. Zehn der elf neuen Mitglieder gehören der SVP an, einer der Mitte.  Gut die Hälfte der «Bauern-Gruppe» komme nun aus der SVP. Den Rest stellen Mitte und FDP. Nur zwei Grüne waren Ende Oktober Mitglied.

Dem grünen Biobauer Kilian Baumann (42) wird der Zugang zur Gruppe jedoch verwehrt. Dies, weil er bei Markus Ritter, dem Präsidenten des Bauernverbands, wegen Kritik an dessen Vorgehen und wegen ökologischer Positionen in Ungnade gefallen sei, s chliesst der «SonntagsBlick» seinen Bericht.

Lesen Sie zu dieser Thematik auch den aktuellen «Schweizer Bauer»-Artikel: Getreide-Zoff: Deshalb kommts am Montag zum Showdown  

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