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Sie ist mit Herzblut Schäferin

In einem Aufruf hat schweizerbauer.ch Schnappschüsse von Frauen in der Landwirtschaft gesucht. Wer ist die Frau, die ihren Schwarznasenschafenbock «Uno» herzt? Sie hat es uns erzählt. Wir stellen euch heute Ina Kiessling aus Reichenbach im Kandertal BE vor. Sie ist nebst Schwarznasenschafhalterin, auch Wachtelzüchterin und Mama von zwei Söhnen.

Ina Kiessling kommt ursprünglich aus Neu-Ulm in Bayern (D). Vor fast 20 Jahren ist sie aus beruflichen Gründen in die Schweiz gekommen. Über das Wallis und das Emmental ist sie nun im Kandertal BE gelandet, auf dem Hof und im Leben von Florian Zahler.

Dort haben 2021 auch ihre Schafe, Pferde, Hunde, Katzen und Wachteln ein zuhause gefunden – und leisten heute den Normade-Kühen Gesellschaft. Da ihr Hof zu klein ist, arbeiten beide zu 100 Prozent auswärts. Das erlaubt ihnen auch einmal ein «unwirtschaftliches» Tier behalten zu können. Die Wochenenden und Ferien verbringen die beiden ausschliesslich auf dem Hof.

Ina hat dem «Schweizer Bauer» erzählt, warum sie die Bäuerinnenschule nicht mehr besuchen würde und warum sie ihrer Schwiegermutter besonders dankbar ist. Erfahren Sie im Video auch, warum das Steinschlagereignis vom Februar 2021 ihnen immer noch das Leben schwer macht.

Im 2021 lernte ich per Zufall meinen jetzigen Freund, Florian Zahler, kennen und so bin ich ins Berner Oberland umgezogen.

Ina Kiessling

Ina, wie bist du mit der Landwirtschaft verbunden?

Meine Eltern betrieben bis in die 1990er-Jahre einen kleinen Hof in Bayern (D), ohne angrenzendes Land. Ich war zehn Jahre alt, als die letzten Tiere den Hof verliessen und mein Vater aufhörte. Ich hatte aber das Privileg, Reitunterricht nehmen zu können. Mit 17 wurde ich Mutter und zog mit 21 zum Arbeiten in die Schweiz, wo ich später meinen Sohn nachholte. Mit 26, als ich erneut Mutter wurde, begann ich nebenbei auf einem Landwirtschaftsbetrieb mit Schwerpunkt Pferden zu arbeiten. Dort erfuhr ich von der Bäuerinnenschule am Waldhof, die ich 2016 berufsbegleitend begann, jedoch ohne Fachausweis beendete.  Damals besass ich bereits drei Schwarznasenschafe und einige Wachteln. Im 2021 lernte ich per Zufall meinen jetzigen Freund, Florian Zahler, kennen und so bin ich ins Berner Oberland umgezogen, mit meinen 4 Schafen, 2 Pferden, 2 Hunden und 2 Katzen und ca. 20 Wachteln.

Der Betrieb Rüteli

Ort: Reichenbach im Kandertal BE

Tiere: 8 Normade-Kühe, 20 Schwarznasenschafe, 2 Herdenschutzhunde, Wachteln, ca. 15 Hennen aus 10 verschiedenen Farbschlägen, 2 Pferde

Fläche: 4,2 ha eigenes Land, 3,2 ha Pachtland (Bergzone 2)

Betriebszweige: Milchkühen, Mastkälber (eigene und ein paar zugekaufte), Schafe mit Lämmermast und Wachtelzucht. Im Sommer gehen die Schafe und Guschti auf die Sömmerung Mitte Niesen und die Kühe ds Alp, auf drei Alpen verteilt (Berner Alpkäse, Greyezer und Diemtigtaler Käse). Gut die Hälfte der Kälber und das Schaffleisch, sowie der Käse werden direkt vermarktet.

Familie: Andrin Kiessling (2013) und Justin Kiessling (2004), Freund Florian Zahler, Vizepräsident Alp Inner-Iselten und Schwiegermutter Anna Zahler. Justin hat ein Studio, seine Lehre beendet und beginnt im September bei Galliker als Chauffeur. Andrin wohnt bei seinem Vater.

Wie sieht dein Leben heute aus?

Mittlerweile sind aus den 4 Schafen, 20 geworden. Ich bin den Schwarznasen verfallen und mit Herzblut Schäferin. Ich könnte stundenlang von meinen Schafen erzählen (lacht). Jedes Schaf kennt seinen Namen, und bis auf eine sind alle zahm. Im Winter sind sie im Stall, im Frühjahr auf unseren Weiden, und ab Mai gehen sie auf die Sömmerungsweide am Niesen. Wegen der zunehmenden Wolfsthematik haben wir jetzt zwei Herdenschutzhunde, die gut in die Herde integriert sind. Das ermöglicht uns die kleinen Lämmer bereits mit 4 Wochen in die Sömmerung zu bringen.  Dieses Jahr bleiben wir aufgrund der Steinschlagschutz-Baustelle länger am Niesen und füttern dort zu, weil wir die Tiere nicht wie geplant auf unsere Herbstweiden bringen können.

Das Lammfleisch vermarkte ich direkt und kümmere mich selbst um Schur und Klauenpflege.

Ina Kiessling

Was zeichnet Eure Schafhaltung aus?

Ich bin stolz darauf, dass ich eine muttergebundene Aufzucht bis zum Schlachttermin gewährleisten kann. Das Lammfleisch vermarkte ich direkt und kümmere mich selbst um Schur und Klauenpflege. Seit fast 10 Jahren züchte ich auch Wachteln, wobei ich auf Farben statt auf Leistung setze. Die Hähne werden geschlachtet, die Hennen finden ein neues Zuhause. Ich stehe neuen Wachtelbesitzern immer zur Seite, und wir verwenden die Eier selbst oder teilen sie mit Nachbarn.

Welche Momente möchtest du nie eintauschen, die dir in deinem Tag auf dem Bauernhof begegnen und die einzigartig sind?

Ich liebe die freie Zeiteinteilung auf dem Hof. Natürlich richten wir uns nach dem Wetter aber wenn es einmal eine Kaffeepause braucht, dann machen wir die auch. Besonders die kleinen Momente sind unbezahlbar. Momente, in denen wir einfach auf der Sömmerungsweide sitzen und ins Tal schauen. Meistens noch ein Lamm am Streicheln, reden und «eifach sii». Das sind manchmal 10 Minuten, manchmal mehr. Jedes Mal, wenn ein Lamm oder Kalb geboren wird und alles gut geht und gesund ist, das sind Momente, die die Arbeit und Stress wieder wett machen. Wenn meine Rössli rufen, wenn ich mein Auto parkiere und wenn die Schafe oder Kälber angerannt kommen, wenn man die Weide betritt – das zeigt einem doch, dass man das alles nicht so verkehrt macht.

Was empfiehlst du jungen Menschen, die sich überlegen, ob sie eine landwirtschaftliche Ausbildung machen sollen?

Ich würde jungen Menschen unbedingt empfehlen, eine richtige landwirtschaftliche Ausbildung abzuschliessen. Sprich eine Lehre zu machen, alles andere wird in der Zukunft nicht mehr reichen. Ich würde auch die Bäuerinnenschule nicht mehr machen, da die Schwerpunkte dort für mich völlig veraltet gelegt sind. Frauen gehören nicht nur ins Haus zu Kinder und Küche.

Gibt es auch Schattenseiten oder belastende Situationen?

Die Schattenseiten für mich sind unkontrollierbare Kosten, vor allem Tierarztkosten. 2023 hatten wir im ganzen Kandertal Durchfallerkrankungen und Lungenentzündungen. Wir haben 2 Kälber verloren, trotz täglichem Tierarztbesuch und extremen Kosten und Zeitaufwand. Wir versuchen vorausschauend zu handeln, damit wir vorbereitet sind. Somit haben wir wenig belastende oder überraschende Situationen.

Wenn du einen Wunschzettel hättest, um eine Sache in der Landwirtschaft zu ändern, was wäre das?

Einen direkten Wunsch an die Landwirtschaft habe ich nicht. Ich wünschte mir aber mehr Verständnis gegenüber uns Bauern und Bäuerinnen. Vor allem von den Menschen, die in die Landwirtschaftszonen ziehen und dann den Menschen, die vorher dort gelebt haben, das Leben schwer machen.

Kannst du etwas, was dein Mann oder andere auf dem Betrieb nicht können, und umgekehrt?

Jaaaa, was kann mein «Mann» was ich nicht kann (lacht)? Alles, was mit Fahren im steilen Gelände zu tun hat. Ich bekomme schon Zustände, wenn ich zuschaue und der Metrac sich quer stellt. Aber er macht das schon lange genug und lacht dann immer, wenn ich ihn darauf anspreche. Ich glaube, ich kann nicht wirklich etwas, was sonst keiner kann. Aber ich habe den Blick fürs Detail. Ich sehe jede Veränderung an den Tieren, jedes kleinste «Näggi», jedes Unwohlsein, jedes Husten und jedes Haar, das nicht da ist, wo es hingehört. Auf der Alp Inner-Iselten, wo mein Freund Florian Zahler Vizepräsident ist, sind wir je nach Personalproblematik dort noch im Einsatz.

Ihr arbeitet noch extern. Was macht ihr und wie managt ihr das?

Ich arbeite zu 100 Prozent als Polymechaniker bei Moser Mechanik in Frutigen und mein Freund in einem 100-Prozent-Pensum bei Schindler Aufzüge AG. Unser Tag beginnt um 5 Uhr. Mein Freund geht im Winter die Kühe melken, ich gebe den Pferden und Schafen Futter für den Tag. Dann gehen wir arbeiten, mein Freund hat die flexibleren Arbeitszeiten er kann oft am Nachmittag Feierabend machen. Mein Arbeitstag auswärts geht bis 16.00 oder 16.30 Uhr. Danach treffen wir uns auf dem Hof, trinken einen Kaffee bei Schwiegermutter Ani, melken, füttern, tränken die Kälber, misten, bereiten alles für den nächsten Morgen vor, damit es schneller geht. Wenn noch Zeit bleibt im Sommer, gehe ich mit den Pferden raus. Aber auch das ist nicht so oft möglich, wie nötig. Wenn wir Heuen oder Silieren, muss das neben der Arbeit gehen.

Für mich der schönste Aspekt ist, dass ich auch mal ein «unwirtschaftliches» Tier behalten kann, auch wenn es vielleicht nicht aufgenommen hat und erst im nächsten Jahr lammert.

Ina Kiessling

Wo liegen die Schwierigkeiten?

Wenn mein Freund nicht einzelne Tage kurzfristig frei nehmen könnte, hätten wir verloren. Wenn es geht, legen wir alles aufs Wochenende: Mähen unter der Woche, verträumen am Wochenende. Teile der Felder müssen zusammengerecht werden, weil sie zu steil sind zum Fahren. Von Montag bis Freitag machen wir die wichtigsten Sachen und das, wozu noch Zeit bleibt. Aber das meiste müssen wir am Wochenende nachholen. Wir gehen nicht in die Ferien, wir machen keine Wochenend-Tripps wir sind entweder auf dem Hof oder zuhause am Essen und Schlafen. Aber das macht nichts. Schliesslich war das unsere Entscheidung. Dadurch, dass wir auswärts arbeiten, können wir den Betrieb stützen. Wir sind zu klein, um davon leben zu können. Und für mich der schönste Aspekt ist, dass ich auch mal ein «unwirtschaftliches» Tier behalten kann, auch wenn es vielleicht nicht aufgenommen hat und erst im nächsten Jahr lammert. Es gibt uns eine gewisse Freiheit auch mal Herzensentscheidung treffen zu können. Oder auch mal ein Tier in die Tierklinik zu stellen, statt es einfach zu metzgen.

Was sind deine Aufgaben auf dem Hof?

Wir haben unseren Betrieb quasi aufgeteilt. Die Schafe und Wachteln, die habe ich auf den Hof mitgebracht und um die kümmere ich mich vollumfänglich. Mein Freund, der seit eh und je Kühe und Kälber hat, übernimmt diesen Teil. Im Sommer machen wir eigentlich alles zusammen, im Winter jeder seinen Teil und dann helfen wir einander.

Wie sieht die Zukunft auf dem Hof aus?

Wir hätten gerne alles unter einem Dach. Die Idee, auf einen Laufhof umzustellen, war auch schon da. Aber da unsere geographische Lage für Bauplanungen nicht gerade einfach ist, wird die nächsten Jahre wohl alles so bleiben. Wir werden sehen, was die Zeit bringt und ob sich Möglichkeiten ergeben, etwas Grundlegendes zu ändern. Vielleicht werden wir auch irgendwann dazu gezwungen umzustrukturieren. Wir lassen uns überraschen.

(Ina) … und etwas ganz Wichtiges wäre noch!

Das alles wäre nicht möglich ohne meine Schwiegermutter Ani Zahler (lacht). Sie füllt die personellen Lücken, die bei uns entstehen. Sie redet einem nie rein, sie lässt uns machen ohne je den Finger zu erheben. Sie hat mich von Anfang an akzeptiert und aufgenommen und dafür bin ich unendlich dankbar.

Kommentare (1)

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  • Elke | 25.08.2024
    Man kann in der heutigen Zeit vor diesen jungen Menschen nur den Hut ziehen vor ihrem Engagement. Ich bin begeistert und wünsche ihnen viel Erfolg und alles Gute. Auch zu einer solchen Mutter und Schwiegermutter gratuliere ich.
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