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3,5% BFF auf Ackerland kommen nicht

Die 3,5 Prozent Biodiversitätsförderflächen (BFF) sorgten in den vergangenen Jahren zu intensiven Diskussionen. Die Einführung wurde bereits zweimal verschoben. Nun fallen sie definitiv weg. Am Dienstag hat auch der Ständerat eine entsprechende Motion gutgeheissen.

Alt-Nationalrat Jean Pierre Grin (SVP/VD) reichte die Motion «Die neue Massnahme von 3,5 Prozent Biodiversitätsförderflächen auf offener Ackerfläche wieder aufheben» im Juni 2022 ein.

Der Vorstoss fordert, dass die 3,5 Prozent Biodiversitätsförderflächen (BFF) auf offener Ackerfläche aufgrund der «gegenwärtigen Nahrungsmittelkrise» wieder aufgehoben werden. Der Nationalrat stimmte der Motion in der Wintersession mit 94 zu 89 Stimmen zu. Um die die 3,5 Prozent zu kippen, musste der Ständerat noch zustimmen.

«BFF im Acker sind unverantwortlich»

Grin rechnete die Flächen in einem Beispiel vor. «In einem Betrieb mit 50 Hektaren müssen die Landwirtinnen und Landwirte bereits heute 7 Prozent der Gesamtfläche, das heisst 3,5 Hektare mit BFF versehen», so Grin. «Wenn dieser Betrieb über 40 Hektare Ackerfläche und 10 Hektare Dauergrünflächen verfügt, müssten mit der neuen Vorschrift 3,5 Prozent der 40 Hektare Ackerfläche, das heisst 1,4 Hektare, mit neuen BFF versehen werden», heisst es im Vorstoss weiter.

Grin forderte stattdessen, dass die Biodiversität auf den ursprünglichen 7 Prozent der Gesamtfläche erhalten und verbessert werden. Mehr zu verlangen, reduziere den Selbstversorgungsgrad weiter. «Angesichts des dramatischen Krieges in der Ukraine zeichnet sich für die nächsten Jahre eine weltweite Getreideknappheit ab. Der Entscheid des Bundesrates ist daher unverantwortlich», warnte Grin.

Im Nationalrat übernahm Jacques Nicolet (SVP/VD) den Vorstoss von Grin. Mit den 3,5 Prozent würden mehr als 10'000 Hektaren gutes Ackerland aus der Produktion genommen, warnte der Landwirt. «Wenn auf diesen Flächen beispielsweise Brotweizen angebaut wird, könnten so rund 80'000 Tonnen Getreide geerntet werden. Das entspricht dem Verbrauch von rund 2 Millionen Einwohnern», führte Nicolet aus. Die 3,5 Prozent BFF würden der Landwirtschaft Produktionsflächen entziehen, die Lebensmittelimporte erhöhen und damit auch die Bäckereibranche belasten. 

So kam es zu BFF im Acker

Die BFF gehen auf die parlamentarischen Initiative 19.475, die von der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates eingereicht worden war. In der Folge verabschiedete das Parlament im März 2021 das Bundesgesetz über die Verminderung der Risiken durch den Einsatz von Pestiziden.  Der Bundesrat beschloss das Verordnungspaket im April 2022 und setzte die Gesetzesbestimmungen um.

Sofern ein Betrieb mehr als 3 ha offene Ackerfläche in der Tal- und Hügelzone nutzt, müssen mindestens 3.5% der Ackerfläche als Biodiversitätsförderflächen bewirtschaftet werden. Der Bundesrat hat diese Bestimmung aber wegen des Krieges in der Ukraine nicht wie in der Vernehmlassung vorgeschlagen per 2023 eingeführt, sondern hat diese um ein Jahr auf 2024 verschoben. Auch dieser Termin fiel weg.  Das Parlament verlangte im vergangenen Jahr, basierend auf eine Motion von Ständerätin Esther Friedli (SVP/SG), eine Verschiebung auf 2025.   Mit dem Entscheid des Ständerats fallen die BFF auf Ackerland weg.

«Nicht reif für Einführung»

Die Warnungen blieben im Ständerat nicht unerhört. Die kleine Kammer hat die Motion mit 25 zu 16 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen. Die Mehrheit der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-S) befand die Biodiversitätsförderflächen als zu umstritten und für «nicht reif für die Einführung». Die Kommissionsmehrheit möchte mit dem Verzicht auf die neue Massnahme von 3,5 % BFF auf offener Ackerfläche Klarheit und Rechtssicherheit schaffen. Wer freiwillig solche Flächen ausscheide, erhalte weiterhin die gemäss der Direktzahlungsverordnung vorgesehenen Beiträge, sagte Kommissionssprecherin Esther Friedli (SVP/SG) im Rat.

Die Kommission habe wegen der Umstrittenheit des Vorstosses mit verschiedenen Akteuren wie dem Schweizer Bauernverband (SBV), IP-Suisse, Bio Suisse sowie der Konferenz der kantonalen Landwirtschaftsdirektoren (LDK) Anhörungen durchgeführt, führe Friedli aus.

Produktion schwächen

Die Kantone seien dabei unterschiedlicher Meinung gewesen. Bio Suisse sprach sich gegen und der Bauernverband sowie die LDK für die Motion zum Fallenlassen der Ausweisung von mindestens 3,5 Prozent BFF aus. Die Massnahme wäre für die Betriebe hinderlich, sagte Friedli weiter. Auch sprach Friedli die zweimalige Verschiebung der Massnahme an: «Jetzt braucht es endlich Klarheit.»

Peter Hegglin (Mitte/ZG) sagte: «Manchmal ist es besser, neu anzufangen.» Er wies auf einen Bericht hin, der im Mai 2024 publiziert wurde. «Wenn ich den Bericht lese, und das empfehle ich Ihnen auch zu tun, sehe ich, dass der Verfasser des Berichts zum Schluss kommt, dass die Ziele erreicht seien. Es habe jetzt schon - bis im Jahr 2022 - eine Reduktion von 50 Prozent der Pflanzenschutzmittel gegeben», sagte Hegglin. Die Schlussfolgerung des Berichts laute, auf die Umsetzung der getroffenen Massnahmen in der Praxis zu fokussieren. Neue Massnahmen seien nicht nötig.

Darum geht es

Ab 2025 hätten Betriebe in der Tal- und Hügelzone, die mehr als 3 ha offene Ackerfläche aufweisen, auf mindestens 3,5% ihrer Ackerfläche (inkl. Kunstwiese) Biodiversitätsförderflächen anlegen müssen.

Anrechenbar wären gewesen: Buntbrachen, Rotationsbrachen, Ackerschonstreifen, Saum auf Ackerfläche, regionsspezifische Biodiversitätsförderfläche auf der offenen Ackerfläche, Nützlingsstreifen auf der offenen Ackerfläche sowie Getreide in weiter Reihe.

Höchstens die Hälfte des erforderlichen Anteils an Biodiversitätsförderflächen hätte durch die Anrechnung von Getreide in weiter Reihe erfüllt werden dürfen. Betriebe, die Flächen mit Getreide in weiter Reihe für die Anrechnung an die 3,5 % anlegen, dürfen genau diese Fläche ab 2024 auch an die 7 % Biodiversitätsförderfläche (resp. 3,5 % bei Spezialkulturen) auf dem Landwirtschaftsbetrieb anrechnen lassen.

Alle anderen Betriebe hätten Getreide in weiter Reihe weiterhin nicht an den geforderten Anteil an Biodiversitätsförderflächen anrechnen können.

->  Hier geht es zu detaillierten Übersicht der Massnahmen. 

Im Parlament sei zudem nie die Rede davon gewesen, dass die definierten Reduktionsziele für Pestizide mit mehr Biodiversitätsförderflächen auf offenen Ackern erreicht werden sollten, so die Kommissionsmehrheit. Würden Äckern Fläche abgezwackt, würde dies die Produktion schwächen und folglich die Selbstversorgung, so die weiteren Erwägungen. Zur Förderung der Biodiversität in der Landwirtschaft brauche es nicht zusätzliche BFF, sondern eine Erhöhung der Qualität auf den bestehenden Flächen. «Mit der Ausscheidung von Gewässerräumen und Zuströmbereichen erzielt man ausserdem eine viel grössere Wirkung im Hinblick auf die definierten Reduktionsziele», so die Kommissionsmehrheit.

Aus staatspolitischer Sicht «fragwürdig»

Die Minderheit im Ständerat führte die schwindende Artenvielfalt sowie die Sicherung der Ernährungssicherheit und -souveränität der Schweiz ins Feld. «Die 3,5 Prozent Biodiversitätsförderflächen sind eine wirksame Massnahme zur Förderung der Biodiversität in der Schweiz», sagte Tiana Angelina Moser (GLP/ZH) stellvertretend. Auch könne dadurch die Pestizidbelastung in den Böden gesenkt und somit Trinkwasser gesichert werden.

Ein «Weiter wie bisher» ermögliche zwar punktuell einen höheren Ertrag, mittel- und langfristig werde die Ernährungssicherheit mit dem Entscheid aber geschwächt, so Moser weiter. Auch aus staats- und demokratiepolitischer Sicht sei die vorzeitige Abschaffung der Massnahme fragwürdig. Das Parlament habe sich zu Reduktionszielen verpflichtet, die es nun zu konkretisieren und umzusetzen gelte. «Die Einführung der Massnahme wurde nach der Publikation im April 2022 definitiv beschlossen. Seit April 2022 rechnen somit Landwirte und Kantone mit der Umsetzung. Die gemeldeten Flächen zeigen, dass viele Landwirte auf 2023 mit der Umsetzung rechneten und die Massnahmen bereits umgesetzt haben», führte Moser aus.

«Salamitaktik»

«Die 3,5 Prozent Biodiversitätsförderfläche auf offenem Ackerland sind eine wirksame Massnahme, die dazu beiträgt, Nährstoffverluste und die Risiken beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren. Wie unsere Kollegin Tiana Moser als Vertreterin der Minderheit sehr gut erklärt hat, haben viele landwirtschaftliche Betriebe diese Umsetzung bereits geplant», sagte Céline Vara (Grüne/NE). Einige hätten die Massnahmen auf den erforderlichen Flächen des Ackerlandes bereits umgesetzt.

Andrea Gmür-Schönenberger (Mitte/LU) wehrte sich gegen die Annahmen. «Wir und auch ich haben der Motion Friedli Esther zugestimmt. Aber jetzt, muss ich sagen, fühle ich mich langsam ein bisschen über den Tisch gezogen. Für mich ist das schon auch Salamitaktik, wenn man zuerst immer wieder verschiebt und dann sagt: Ja nein, eigentlich wollen wir überhaupt nichts.»

Bundesrat: Gegen Treu und Glauben

Auch Maya Graf (Grüne/BL) setzte sich für ein Nein ein. Man solle Ökologie und Biodiversität nicht gegen die Ernährung ausspielen. Sie gehörten zusammen. «Wir brauchen gesunde Lebensgrundlagen, einen gesunden Boden. Wir brauchen einen Wasserhaushalt, der stimmt. Wir brauchen Insekten», sagte Graf.

Das Parlament habe die Einführung dieser Massnahme für mehr Biodiversität mit früheren Entscheiden bestätigt, argumentierte auch der Bundesrat . Auch sprach er von einem Verstoss gegen Treu und Glauben: Betriebe, die bereits gehandelt hätten, würden mit der Verschiebung bestraft.

Kommentare (12)

Sortieren nach:Likes|Datum
  • Biopuur | 17.06.2024
    Der Bund hat für die Umsetzung dieser Massnahme die nötigen finanziellen Mittel budgetiert, die nun weitgehend eingespart werden können. Es wäre festzuhalten, wieviel Geld der Bund nun weniger für die Landwirtschaft ausgeben muss.
  • ueli keller nürensdorf | 15.06.2024
    Erpressungen nicht zulassen .
    Die ganze Geschichte war für die Landwirtschaft nicht leicht . Unter Druck dieser 2 radikalen Initativen (2021 ) mussten wir ohnmächtig zuschauen , wie uns Auflage um Auflage aufs Auge derückt wurde . Im Pflanzenschutz wurden wertvolle Wirkstoffe aus ideologischen gestrichen. Jetzt hat sich der zähe Wiederstand der Bauern und deren Vertreter ausbezahlt. Biodiversität gelingt am Besten , wenn den Bauern die Wahlfreiheit gelassen wird.
  • Martin Haab | 12.06.2024
    Einmal mehr wird von links/grün ins Feld geführt, dass IP-Suisse sich gegen die Streichung der 3.5% Regelung ausspricht und somit zusammen mit Bio eine grosse Mehrheit der Schweizer Bauern repräsentiert. Dies weil sich die Agrarallianz gegen die Streichung eingesetzt hat. Mir ist nicht bekannt, dass die IP Bauern um ihre Meinung angefragt wurden. Es ist endlich an der Zeit, dass die Delegierten von IP-Suisse ihren Club zwingen aus der Agrarallianz auszusteigen.
  • Seppl | 12.06.2024
    Guter Entscheid aus meiner Sicht als Biobauer! Die allermeisten, welche schon BFF angelegt haben letztes Jahr taten dies nicht freiwillig, sondern aus Fruchtfolgegründen und dem drohenden Zwang. Freiwillig sicher nicht. Diese Argumente von links/Grün sind nicht stichhaltig.
  • Gesunder Menschenverstand | 12.06.2024
    Ausnahmsweise hat die Vernunft einmal gesiegt.
  • Ernst | 12.06.2024
    Die nächste Initiative kommt bestimmt und der Kindergarten geht von votne los .
  • Martin | 11.06.2024
    Grundsätzlich ist dieser vernünftige Entscheid zu begrüssen.
    Leider zeigt dieser Fall aber eindrücklich auf, wie der Bauer zum Spielball der Politik geworden ist. Jeder der im letzten Herbst die dannzumal mutmasslich geforderten Auflagen ab diesem Jahr erfüllt hat und entsprechende Flächen ausgeschieden hat, kommt sich heute total verarscht vor.
    Und jetzt wird mein Verhalten auch noch als "unverantwortlich" bezeichnet, nur weil ich diesen Forderungen nachgekommen bin. Pfui Schweizer Agrarpolitik. Am besten wäre es, das BLW substanziell zu verkleinern, damit weniger Zeit zur Entwicklung von solch abstrusen Ideen bleibt.
  • Kurt Stengele | 11.06.2024
    Das ist supper ohne 3,5% zusätzliche BFF .
    Wir müssen Lebensmittel produzieren.

    Die Grünen Fuzzis sollen wieder einmal lernen normal denken.
    • Bauer | 12.06.2024

      Wer solche Kommentare schreibt hat wohl auch vergessen normal zu denken.

  • huberbauer | 11.06.2024
    Wieder ein politisches Manöver der Bauernlobby. Das wird sich rächen, eines Tages.
    • Ueli Spring | 11.06.2024
      Die Fachkompetenz hat sich durchgesetzt das ist erfreulich. Schluss mit dem Idealismus. Es muss wieder auf Fachleute gehört werden. Als Landwirt würde ich einem Arzt auch nicht vorschreiben, wie eine Herzoperation durchzuführen ist.
    • Fragender Bauer | 15.06.2024
      Die augelutschde Leier "die Bauernlobby in Bern" geht allmählich auf den Sack!
      Wie soll ein Anteil von 4% der Bevölkerung die in der Landschaft noch tätigen ist allein eine Lobby nach Bern wählen?
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